27.07.2020

Ein Jahrhundert zum Durchblättern

Die Familie Stadler schenkt der Bibliothek Reburg hundert und einen Jahrgang der «Schweizer Illustrierten».

Von Max Tinner
aktualisiert am 03.11.2022
Anna Stadler-Bischof, die Grossmutter des Altstätter Unternehmers Karl Stadler, war eine besonders interessierte Leserin der «Schweizer Illustrierten». Sie behielt jedes einzelne gelesene Heft und liess die Ausgaben zu Jahrgangsbänden binden. Und das ab dem Jahr 1918 bis zu ihrem Tod 1988.Karl Stadlers Mutter, Lilly Stadler, führte die Sammelleidenschaft ihrer Schwiegermutter weiter, bis sie vor zwei Jahren 100 Jahre alt wurde. Jenen letzten Jahrgang der Sammlung konnte Lilly Stadler nicht mehr selbst vervollständigen. Sie starb an Allerheiligen 2018. Die Familie schloss ihr zum Gedenken den Jahrgang noch ab und liess auch ihn binden.Diese Sammlung von damit hundert und einem Jahrgang der «Schweizer Illustrierten» schenkt die Familie Stadler nun der Bibliothek Reburg. Letzte Woche übergaben Karl Stadler und die beiden Urenkel Lilly Stadlers, Leo und Nik, die schweren Bände der Bibliotheksleiterin Manuela Schöbi und dem Präsidenten des Bibliotheksvereins, Hans-Peter Enderli.Es werden sogar noch ein, zwei Jahrgänge hinzukommen: Weil einzelne Bände im Verlauf der Jahre abhanden gekommen sind, komplettiert die Familie Stadler die Sammlung nämlich durch einen Zukauf, der auch noch einige ältere Jahresbände umfasst. Damit wird sie zeitlich noch weiter zurückreichen, fast in die Anfänge der Zeitschrift, die erstmals im Jahr 1911 erschienen ist und bis 1965 noch «Schweizer Illustrierte Zeitung» hiess.Das Wikipedia des letzten JahrhundertsDie Benutzerinnen und Benutzer der Bibliothek Reburg werden gleich im Erdgeschoss, in der Sitzecke neben der Ausleihtheke, in den Bänden blättern und in hundert Jahre Schweizer Geschichte eintauchen können. Durch die Jahre blättern und staunend entdecken, wie es früher war: Das hat auch Karl Stadler gelegentlich gerne getan. Besonders faszinierend fand er stets die Jahrgänge Anfang der 1940er-Jahre, sagt er. Es habe einen die Sorgen und Nöte der Schweizer Bevölkerung während der Kriegsjahre erahnen lassen. Für Karl Stadler hatte die Sammlung allerdings auch lexikalischen Charakter. «Früher gab es ja kein Wikipedia», erklärt er. Habe er etwas über Geschehnisse früherer Jahre wissen wollen, habe er es in den «Schweizer Illustrierte»-Bänden seiner Mutter und seiner Grossmutter nachgeschlagen Dass die Jahrgangsbände überhaupt dazu taugen, liegt nicht zuletzt daran, dass die Zeitschrift früher publizistisch anders ausgerichtet war und nicht wie heute über Promis und Lifestyle berichtete, sondern über Politik, Gesellschaft und Geschichte.Dieser hintergründige, das Zeitgeschehen beleuchtende Journalismus dürfte Anna Stadler den Anstoss gegeben haben, die Ausgaben zu sammeln. «Und wenn mal 30 oder noch mehr Jahrgänge beisammen sind, hört man nicht einfach so wieder damit auf», meint Karl Stadler. Die «Schweizer Illustrierte» habe den Haushalt Stadler deswegen über all die Jahrzehnte begleitet – und die Familie lese die Zeitschrift auch heute noch, selbst wenn sie heute eher unterhält als aufklärt.

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