Interview: Hildegard BickelMorgen Samstag trifft sich die Bevölkerung zum dritten Bruggafäscht am Alten Rhein und feiert ein Strassenmusik-Festival. Das Motto «Zwei Gemeinden, zwei Brücken, ein Fest» unterstreicht eine enge Verbundenheit. Was die Grenzgemeinden eint und trennt, darüber sprechen Urs Müller, seit November 2019 Stadtpräsident von Rheineck, und Reinhold Eberle, seit 2003 Bürgermeister der Vorarlberger Gemeinde Gaissau.
Wie lautet der aktuelle Beziehungsstatus der beiden Gemeinden?Urs Müller: Angesichts dessen, dass Gaissau EU-Aussengrenze ist, können wir unseren Beziehungsstatus als sehr unkompliziert bezeichnen. Und selbstverständlich auch als freundschaftlich. Reinhold Eberle: Ich weiss von vielen Freundschaften zwischen Menschen aus Rheineck und Gaissau, wie auch von Liebschaften. Die Schweiz stellt in Gaissau die viertgrösste Bevölkerungsgruppe nach Österreich, Deutschland und der Türkei. Von politischen bis zu gesellschaftlichen Themen besteht ein reger Austausch.
Sie sind Amtskollegen. Wie sind Sie sich verbunden?Reinhold Eberle: Wir sind per Du und haben Telefonnummern sowie E-Mail ausgetauscht. Bei Bedarf nehmen wir miteinander Kontakt auf. Etwa, wenn wir in Gaissau einen Markt organisieren und in Rheineck Markstände ausleihen dürfen. Wir sind eine kleine Gemeinde mit 1900 Einwohnenden, deshalb bietet es sich an, sich über kurze Wege auszuhelfen.
Die Räte der Gemeinden tauschen sich alle zwei Jahre aus. Bei welchen weiteren Gelegenheiten haben Sie Kontakt?Urs Müller: Bei kulturellen Veranstaltungen, wie dem Bruggafäscht. Speziell zu erwähnen ist die gemeinsame Wasserversorgung, weshalb wir uns zweimal im Jahr treffen. Ich glaube, ihr seid zufrieden mit dem Wasser, das ihr von uns bekommt. (lacht)Reinhold Eberle: Natürlich. Ich bemühe mich, diesen Fakt wo immer möglich zu erwähnen. Ein starkes Bevölkerungswachstum bereits vor 40 Jahren machte in Gaissau eine Erweiterung der Wasserversorgung nötig. Auf der Suche nach Alternativen hat man sich auf die Zusammenarbeit mit St. Margrethen-Rhein-eck geeinigt.
Jeden Tag überqueren zahlreiche Personen die zwei Brücken. Kommen mehr nach Gaissau oder mehr nach Rheineck? Reinhold Eberle: Das lässt sich einfach beantworten: Es kommen viel mehr Menschen aus Rheineck nach Gaissau. Wenn ich bei uns im Naherholungsgebiet Rheinholz die Nummernschilder der Autos sehe, stammen etwa 90 Prozent aus der Schweiz. Urs Müller: Ich kann bestätigen, dass auch ich sehr oft mit meiner Frau am Rheinspitz bin, aber mit dem Velo. Reinhold Eberle: Umgekehrt nutzen wir die Möglichkeit, die nahen Schweizer Hanglagen mit ihren Aussichtspunkten zu besuchen.
In welchen Bereichen trennt die Grenze? Urs Müller: Es ist im Grundsatz schade, dass die Landesgrenze zwischen uns liegt. Ich fühle mich jemandem aus Gaissau näher als Menschen aus Zürich oder Bern. Wir sind Nachbarn und diskutieren über Themen, die uns gemeinsam betreffen, wie Verkehr und Wirtschaft. Trotzdem lässt sich die Grenze nicht verleugnen.
Die Fussgänger- und Velobrücke, Schauplatz des Bruggafäschts, ist 1999 aus einem Provisorium entstanden. Welche Bedeutung hat sie? Urs Müller: Wir möchten sie nicht missen. Touristisch ge-sehen wünsche ich mir aber mehr Velo-Frequenz über die Strassenbrücke, da sie mehr Gäste ins Städtli führen würde. Im Rahmen des Aggloprogramms Rheintal bearbeiten wir dieses Thema. Reinhold Eberle: Von der Sicherheit und der Strassenführung her bietet die Holzbrücke, die dem internationalen Bodensee-Rundwanderweg angeschlossen ist, eine komfortable Situation für den Langsamverkehr.
Sie gehören am Samstagabend auch zu den Besuchern des Bruggafäschts. Worauf freuen Sie sich? Urs Müller: Ich bin zum ersten Mal an einem Bruggafäscht dabei. Voller Interesse werde ich teilnehmen und mich vom kulinarischen Angebot überraschen lassen. Obwohl wir uns auch diesbezüglich sehr nah sind. Reinhold Eberle: Wenn Menschen aus der Schweiz und Österreich gemeinsame, unbeschwerte Stunden verbringen, ist das eine schöne Sache. Jede Chance, die das verbindende Element der Brücke betont, sollten wir unterstützen.HinweisBruggafäscht Rheineck-Gaiss-au, Samstag, 2. Juli, ab 18 Uhr . Beidseits der Holzbrücke am Alten Rhein gibt es Musik, Unterhaltung und Verpflegung.