22.07.2020

Ein Haus mit vielen Schnitzereien

Alois Kohler war 50-jährig, als er das Haus an der Hintergasse 4 in Marbach erstmals sah. Er wusste: «Das ist es.»

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Einen Monat später hatte der gelernte Schreiner «Saxers Hüsli» gekauft. Von Amriswil war er mit seiner Familie hergezogen. Das Gebäude stamme aus der Renaissancezeit, sagt er, sei ungefähr 400 Jahre alt – und als er einzog, habe dringender Renovationsbedarf bestanden.Das Planen und Schaffen im aussen vor seiner Zeit «leider total versiechete» Haus ging los.Als «fremder Fötzel» Widerstand erlebtDas Bad, das WC und die Küche wurden sofort erneuert. «Sös wär mer d’Frau nöd iizoge», sagt Alois Kohler, der vier Kinder hat, darunter die ehemalige Balgacher Bäckersfrau Verena Eschenmoser-Kohler. Er selbst wuchs in Pfäfers auf, seine Mutter, geborene Spirig, war aus Diepoldsau. Der Schreiner zog als 22-Jähriger nach Balgach, wo er Rosmarie, geborene Di Lena, kennenlernte und heiratete. Sie starb bereits vor 33 Jahren.Der Start im neuen Wohnort Marbach war von Misstönen begleitet. Denn die katholische Kirchgemeinde war gegen den Umbau des Stalles in zusätzlichen Wohnraum. Durch diesen Stall führte ein Wegrecht der Kirche – für die Verbindung vom Kirchplatz hinunter zur Hauptstrasse.Über ein Jahr zog sich der Streit, bis er zugunsten des Zuzügers endete. Obschon früh eine rechtsgültige Baubewilligung vorgelegen habe, sei die Gegenpartei hartnäckig geblieben und habe einen Baustopp erwirkt. Kohlers Kommentar: Man habe einen «fremden Fötzel» gängeln wollen.«Es git immer öppis z’tue»Der Schreiner, der sich mit fünfzig selbstständig machte und eine gute Kundschaft bis in den Raum Zürich hatte, hat zwanzig Jahre lang an seinem Haus gebaut. Die Eingangstür, deren Innenschicht aus der Entstehungszeit des Gebäudes stammt, wurde von Alois Kohler in ihren Originalzustand zurückversetzt. Überall im Haus hat es kunstvoll gestaltete Elemente, an der Stubendecke wunderschöne Schnitzereien. «Es git immer öppis z’tue», am Täfer im Obergeschoss arbeitete Alois Kohler ein ganzes Jahr lang.Dass sich bis vor 120 Jahren unter der Stube die Werkstatt von «Schreiner Öchs» befand, wertet Kohler als schönen Zufall.Viel fürs Museum Oberes Bad getanIm Laufe seines Arbeitslebens hat Alois Kohler auch einen Betrieb mit dreissig Mitarbeitenden saniert und dazu beigetragen, einen weiteren Betrieb wieder auf Vordermann zu bringen. In Marbach hat er das Haus Gässeli 18 zu Beginn der Neunzigerjahre fachgerecht renoviert; ein Verwandter bewohnt das Gebäude.Einen besonderen Bezug hat Alois Kohler zum Oberen Bad. Etappenweise hat er den Umbau von Marbachs Museum geplant; bis kurz vor seinem 80. Geburtstag war Alois Kohler der Dorfbildbeauftragte. Er hatte zunächst in der Dorfbildkommission mitgewirkt und sodann der Museumskommission angehört.Ein Haus voller Licht und SchattenSchreitet der 92-Jährige durchs eigene Haus, auch mühelos die vielen Treppen hoch, schwärmt er von den Kontrasten, von Licht und Schatten, und sagt lächelnd: «Das ist Leben.»Dieses Leben hat es gut gemeint mit ihm. Er war nie krank. «Kei Zit gha», meint er kurz und bündig.Als er achtzig war, begann er wieder Ski zu fahren, am Pizol, mit neunzig gab er dieses Hobby auf. Er wirkt sehr fit und kommentiert das so: «Jojo, es tuet no» – wie das 600 Jahre alte Speichertorschloss im Schlafzimmer, das auch immer noch funktioniert.Sein Rezept, wohlauf zu bleiben, klingt sehr einfach: Er habe stets gegessen, was er mag und was ihm Freude machte, und das Gleiche gelte für das Trinken, das er niemals habe überborden lassen.

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