24.03.2018

Ein Grosser auf dem kleinen Esel

Von Reinhard Paulzen
aktualisiert am 03.11.2022
Wissen Sie noch die Zeitungsüberschrift vom 14. Februar? Das war doch die grosse Meldung damals! Aber am nächsten Tag war sie schon durch die nächste Sensation abgelöst, und eine Woche später erinnerte sich fast niemand mehr daran. In der Politik heisst es bei negativen Schlagzeilen: «Nur stillhalten! Nächste Woche haben die Leute das alles wieder vergessen.»War es vor 2000 Jahren anders? «Nur stillhalten! In einigen Tagen haben die Leute das alles wieder vergessen», das konnten sich wohl ganz genauso die Sadduzäer mit Herodes Antipas, Pilatus und die Hohenpriester sagen, als sie von ihren Palästen und Regierungsgebäuden her zuschauten, mit welcher Begeisterung die Menschenmassen diesen Jesus aus Galiläa bei seinem Einzug in die Stadt Jerusalem empfingen, diesen Aufrührer aus dem Norden, diesen Wunderheiler. Als volksnaher Prediger hatte er den Menschen aufs Maul geschaut – wenn auch niemals nach dem Maul geredet, da hatte er klar unterschieden – aber sie hatten ihn als total gottverbunden, echt und voller Barmherzigkeit erlebt, darum liefen sie ihm alle nach, in so grossen Massen, dass einem als Machthaber in Jerusalem angst und bange werden konnte. Nicht einmal als Jesus den ganzen Betrieb im Tempel gestört hatte, hatten sie es gewagt, gegen ihn vorzugehen. So laut hatten die Menschen ihr Hosanna gerufen für Jesus, so fest hatten sie ihre Begeisterung für ihn gezeigt mit Palmzweigen und Kleidern, auf seinem Weg ausgebreitet.Und wie recht hatten sie. Diese Politiker und Machthaber damals. Schon am Freitag liessen sich dieselben Menschen leicht verführen, dass sie alle schrien: «Kreuzige ihn!» Von Hosanna und Palmzweigen keine Rede mehr, alles schon vergessen, sie blökten alle mit in der Herde: «Ans Kreuz mit ihm!»Erst nach Ostern würde es den Christen gelingen: Dafür einzustehen, wovon sie überzeugt waren. Dafür einzustehen, wofür sie die Kraft des Heiligen Geistes empfangen hatten. Es war das Einstehen für den, der eben nicht auf dem hohen Ross daherkam. Sondern auf einem Eselchen kam der König Jesus, weil er jedem Menschen auf Augenhöhe begegnen wollte. Nicht von oben herab. Genau dies ist auch das Schlüsselerlebnis von Franz von Assisi in San Damiano: Gott begegnete ihm auf Augenhöhe und nicht als Weltenherrscher majestätisch, glanzvoll oben von der Decke herab. Es bestätigte seine vorherige Erfahrung: Gott begegnete ihm in den Leprakranken und nicht im Gold der Kathedrale. Vergessen wir nicht die Begeisterung für Jesus auf dem Esel.Reinhard PaulzenPfarreibeauftragter in Heerbrugg

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