25.04.2019

Ein Gegner kommt aus Brasilien

Analyse: HSG-Professor Rolf Wüstenhagen hat die Stellungnahmen zum Windpark Honegg-Oberfeld ausgewertet. Es meldeten sich viele zu Wort, die vom Projekt nicht betroffen sind. Eine Person lebt gar in Rio de Janeiro.

Von Jesko Calderara
aktualisiert am 03.11.2022
Gegen das umstrittene Windenergie-Projekt bei Oberegg regte sich in den letzten Jahren breiter Widerstand. Schliesslich lehnte die Standeskommission im November 2018 die definitive Eintragung des Standorts Honegg-Oberfeld im Richtplan ab. Basis für den negativen Entscheid waren die zahlreichen ablehnenden Stellungnahmen, die während des sogenannten Einwendungsverfahrens eingegangen waren.Für dieses  Mitwirkungsrecht der Öffentlichkeit interessiert sich auch die Wissenschaft. Rolf Wüstenhagen, Professor für Management erneuerbarer Energien an der Universität St. Gallen, hat die rund 262 eingegangenen Stellungnahmen von Privatpersonen, Umweltverbänden, Kantonen und Gemeinden ausgewertet. Seine wichtigste Erkenntnis in der zwölfseitigen Studie: Knapp die Hälfte bei der Gruppe der Privaten wohnt mehr als fünf Kilometer vom geplanten Windpark entfernt. Die Auswirkungen der beiden rund 200 Meter hohen Windräder wären in dieser Distanz wohl kaum oder gar nicht spürbar.  Eine ablehnende Stellungnahme kam sogar aus dem fast 9500 Kilometer entfernten Rio de Janeiro in Brasilien, ein Befürworter des Projekts meldete sich demgegenüber aus Liebefeld im Kanton Bern zu Wort.  Beitrag zur Energiewende galt als Pluspunkt Die HSG-Analyse, die Wüstenhagen zusammen mit Nathalie Dällenbach und Adrian Rinscheid erarbeitet hat, gibt noch weitere Aufschlüsse. So stammt letztlich nur eine Minderheit der eingegangenen privaten Beiträge von Innerrhoder Bürgern. Bei jenen, die dem Windpark positiv gegenüberstehen, sind es immerhin 45 Prozent. Anders sieht die Situation bei den Gegnern aus. Lediglich 23 Prozent von ihnen haben den Wohnsitz in Appenzell Innerrhoden.Die Studie der Universität St. Gallen geht zudem der Frage nach, welche Pro- und Contra-Argumente im Einwendungsverfahren zum Oberegger Windenergieprojekt am häufigsten genannt wurden. Die Befürworter hoben insbesondere den Beitrag zur Energiestrategie 2050 hervor. Darüber hinaus wurden die positiven Landschaftsauswirkungen und die lokale Wertschöpfung genannt. Bei den Gegner dominiert wenig überraschend ein Punkt: In 91 Prozent der ablehnenden Stellungnahmen wurde der Einfluss des Vorhabens als überwiegend negativ für das Landschaftsbild bewertet. Auffallend ist in diesem Zusammenhang noch ein weiterer Aspekt. Gemäss Wüstenhagen haben einige Personen, die vom vorgesehenen Standort bei Oberegg weiter entfernt leben, gleich wie das Bundesland Vorarlberg in ihren Stellungnahmen das Thema Lärm angeführt. Dies, obschon sie Geräuschemissionen physikalisch gar nicht wahrnehmen. Änderung des Verfahrens vorgeschlagen Die Fachleute vom Institut für Wirtschaft und Ökologie der Universität St. Gallen sehen Handlungsbedarf. «Uns erscheint es sinnvoll, dass in erster Linie die Stimme der tatsächlich betroffenen Bevölkerung gehört wird», sagt Wüstenhagen.Man würde ja auch nicht norddeutsche Fluglärmgegner über den Ausbau des Flughafens Zürich entscheiden lassen, dafür aber den Thurgauer Anwohnern in der Einflugschneise mehr Gehör schenken. Die Kantone haben beim Einwendungsverfahren, das im Baugesetz geregelt ist, den Spielraum für eine solche Priorisierung. Diesen schöpfen beispielsweise der Thurgau und Glarus bereits aus. 

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