Radsport 18.06.2023

Ein festlich umrahmter Tour-de-Suisse-Gedenkzug

Zwei Tage nach dem tödlichen Rennunfall von Gino Mäder rollte die Tour de Suisse am Samstag durchs Rheintal. Sie tat dies vor vielen Zuschauerinnen und Zuschauern in einem angemessenen Rahmen.

Von Yves Solenthaler
aktualisiert am 18.06.2023

Am Donnerstag war der 26-jährige Schweizer Gino Mäder in der Abfahrt vom Albulapass schwer gestürzt und am Freitag den Verletzungen erlegen. Am Nachmittag nach der bestürzenden Todesnachricht fuhren die Radprofis eine 30-km-Gedenkfahrt mit Gino Mäders Mutter im Begleitfahrzeug.

Am Samstag, auf dem Weg durchs Rheintal, rollte die Tour de Suisse auf der geplanten Strecke weiter. Die Leitung der Tour de Suisse teilte mit, sie habe diesen Entscheid im Austausch mit Gino Mäders Eltern gefällt. Für die letzten 25 Kilometer wurden die Regeln angepasst, die Zeitnehmung erfolgte schon beim Bergpreis am Ottenberg, auf dem letzten Stück nach Weinfelden ging es noch um den Etappensieg.

Drei Teams und vier weitere Schweizer stiegen aus

Mäders Team Bahrain Victorious sowie die Schweizer Equipe Tudor Pro Cycling von Teammanager Fabian Cancellara und Intermarché-Circus-Wanty traten genauso nicht mehr an wie die Schweizer Profis Stefan Küng, Marc Hirschi, Mauro Schmid und Michael Schär. Nur drei Schweizer Radprofis sind im Feld verblieben, Gino Mäders früherer Madison-Partner Silvan Dillier, Stefan Bissegger und Reto Hollenstein. Jeder geht mit der Trauer anders um.

Tour-de-Suisse-Renndirektor Oliver Senn sagte gegenüber der sda:

Es gibt keinen richtigen Entscheid in dieser Situation, nur einen falschen oder einen noch falscheren.

Statt von einem Startschuss wurden die Fahrer am Samstagmittag von einer abfliegenden weissen Taube auf die Reise geschickt. 113 Radprofis nahmen die Etappe mit einem Trauerflor in Angriff. Sie fuhren zügig, leicht über dem tiefsten errechneten Durchschnittstempo in der Marschtabelle. Aber kein Fahrer griff an, der Tour-Tross wurde zum Gedenkzug. Um 13.49 Uhr erreichte das Feld geschlossen die Rutlenstrasse in Oberegg, wo ein Bergpreis der 1. Kategorie abgenommen wurde. Der Franzose Julien Bernard fuhr als Erster über die schlichte Linie, die etwas unterhalb des höchsten Punktes gezogen wurde. An der Eichbergstrasse in Eggerstanden, am von vielen Rheintaler Radfahrern gefürchteten Hölzlisberg, war Silvan Dillier als Erster an der Linie. An beiden Orten sprintete niemand um die Bergpreispunkte.

Klatschen war eher respektvoll als enthusiastisch

In einem angemessenen Rahmen soll die Tour de Suisse fortgesetzt werden, sagten die Organisatoren in der Freitagnacht. Die Fahrer gaben diesen Rahmen, und auch die Zuschauerinnen und Zuschauer spielten an diesem wunderbaren Sommertag mit. Sie standen zahlreich am Streckenrand. Die «Hopp»-Rufe klangen weniger aggressiv als üblich, das Klatschen war eher respektvoll als enthusiastisch.

Bewegender hätte der Tag nicht enden können als mit einem Sieg des Weltmeisters: Als die Fahrer auf den letzten 25 Kilometern doch ein Rennen fuhren, setzte sich der Belgier Remco Evenepoel vom Rest des Feldes ab und siegte solo, bei der Zieldurchfahrt zeigte er in den Himmel. Im SRF-Interview demonstrierte der 23-Jährige sein Format, als er über gemeinsame Erlebnisse mit Gino Mäder redete.

Renndirektor Senn sagte auch, er hoffe, man habe den «weniger falschen Entscheid» getroffen. Die vielen Fans auch im Vorderland und im Rheintal, die am Samstag die Strassen säumten, bekräftigen ihn darin, dass die Weiterfahrt der weniger falsche Entscheid gewesen ist.


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