13.11.2020

Ein Faden, der die Altstätter verbindet

Ein Netz aus Schnüren soll die digitale Gesellschaft wieder analogisieren und die Begegnung fördern.

Von Max Tinner
aktualisiert am 03.11.2022
Am Donnerstag informierten die Konzeptkünstler Frank und Patrik Riklin zusammen mit Stadtpräsident Ruedi Mattle und Roger Graf von der Kulturwoche Staablueme im «Sonnen»-Saal und via Instagram über das analoge Fadennetz, das in der Stadt Altstätten entstehen soll.Ein etliche Kilometer langer Fadenstrang – zusammengeknüpft aus Schnurresten, die zuvor während einer «Fadenjagd» von den Haushalten gesammelt werden – soll die Wohnungen verbinden und so eine künstlerische Gegenbewegung zur digitalen Vernetzung in Gang setzen. Die Digitalisierung bringe zwar die weite Welt in jede Stube, beraube dabei aber die Leute ihrer sozialen Kontakte, hiess es.Von Lüchingen bis auf den Hohen KastenDas Kunstprojekt soll Begegnungen ermöglichen – bereits bei der «Fadenjagd», aber auch danach beim Verlegen des Fadens und bei einem grossen Fest zum Abschluss. Das Fadennetz soll dabei nicht nur in der Stadt im engeren Sinn geknüpft werden, sondern übers ganze Gemeindegebiet, von Lüchingen bis zum Hohen Kasten hinauf. Eine Videosequenz zeigte, wie man sich das vorstellen muss: Ein Fadenende wird in einer Wohnung befestigt, von hier wird der Faden unter Teppichen hindurch, der Wand entlang und über die Schwelle der Balkontür verlegt, mit Klebeband fixiert, dann Stellriemen entlang und unter Gehwegplatten durch den Garten geführt und über die Strasse in die nächste Wohnung – und so fort. Natürlich dürfen dabei keine Stolperfallen entstehen. Probleme, die sich dabei stellen, gilt es laufend zu lösen. Wo nötig, wollen die Künstler sogar eine Fuge in die Strasse flexen, den Faden darin verlegen und die Fuge wieder vermörteln. «Das mag manche schockieren», meinte Frank Riklin, «aber uns ist wichtig, den Faden tatsächlich zu verlegen und die Verbindung real herzustellen.» Die Strasse aufschneiden werde man aber nur, wo es nicht anders gehe, betonte Patrik Riklin. Falls möglich, nutze man beispielsweise Kabelrohre, die vielerorts ohnehin schon in den Strassen verlegt sind. Auch mit der Verlegung der Schnur von Altstätten nach Lienz, Plona und auf den Hohen Kasten ist es den Künstlern ernst. Stadt, Dörfer, Weiler und der höchste Punkt der Gemeinde sollen verbunden sein. Dies bedingt, für den Anschluss der Exklave exterritoriales Gemeindegebiet zu queren: Oberriet, Rüthi, je nach Linienführung auch Eichberg. Mit den Gemeinden habe man bislang noch nicht gesprochen, sagte Stadtpräsident Ruedi Mattle. Man werde es zu gegebener Zeit tun.Die Bürger stimmen im September 2021 darüber abVorerst sollen in einer Pilotphase einige wenige Quartiere in Altstätten mit Schnüren vernetzt werden. Dies nicht zuletzt, um die Kosten fürs ganze Kunstprojekt kalkulieren zu können. Wer den Infoanlass besuchte oder ihn auf Instagram verfolgte, erkannte: Auch Kunst kostet – allein die Pilotphase voraussichtlich 95000 Franken. Davon übernimmt die Staablueme einen Drittel als Geschenk an die Bevölkerung anlässlich des 40-jährigen Bestehens der Kulturwoche nächstes Jahr. Im September 2021 wird der Stadtrat die Bürgerschaft über den Kredit für das gesamte Projekt abstimmen lassen – an der Urne, selbst wenn der dann beantragte Betrag keine Urnenabstimmung erfordern sollte. Dem Stadtpräsidenten ist klar: Längst nicht alle werden hinter dem Projekt stehen. Er denkt aber, dass das Projekt es dennoch wert ist, dafür Geld in die Hand zu nehmen. Weil es die Gesellschaft verändern wird, versprechen die Brüder Riklin.Jeder soll wissen, dass Altstätten nicht bei Zürich liegtDas analoge Fadennetz wird nicht nur eine Innenwirkung haben, ist Stadtpräsident Ruedi Mattle überzeugt. Ihm geht es auch um Imagepflege über die Region hinaus. Bereits jetzt werde schweizweit über das Projekt berichtet. Dabei zeigt sich auch, dass dies weiterhin nötig ist: Reporter einer international tätigen Nachrichten- und Bildagentur hätten sich angemeldet, erzählt Mattle nach der Informationsveranstaltung. Irgendwann hätten die Leute dann angerufen und gesagt, sie seien jetzt da. Was sie doch nicht waren, wie sich herausstellte: Sie standen nämlich in Altstetten ZH. Hinweis: Die Aufzeichnung des Informationsanlasses ist weiterhin auf Youtube zu sehen. Den Link und weitere Informationen findet man auf www.analogesfadennetz.ch.

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