20.05.2022

Ein Dorf trauert seinem Laden nach

Der Laden in Hinterforst wird geschlossen. Eine Weiterführung gilt als unwahrscheinlich, doch gesprochen ist das letzte Wort noch nicht.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 02.11.2022
Die Schliessung ist per Ende Monat angekündigt. Die Postfiliale wird allerdings schon am Mittwoch, 25. Mai, letztmals geöffnet sein, und der (sich leerende) Laden dürfte ab dann ebenfalls geschlossen bleiben.Ganz gleich, mit wem man spricht: Ein «Schade» ist auf jeden Fall zu hören.So wie dem 79-jährigen Werner Haltinner geht es auch anderen. Vom Auto möchte er sich trennen, von der einzigen Einkaufsmöglichkeit im Dorf hingegen nicht.Informationsfluss «war etwas träg»Werner Haltinner beklagt ein ungenügendes Bemühen um eine Fortführung des Prima Posti-Treffs und nennt als prominenten Namen Markus Ritter. Der Schweizer Bauernpräsident und Nationalrat ist eines von gut fünfzig Mitgliedern der Käsereigenossenschaft, der die Liegenschaft gehört. Die Genossenschaft betreibt den Laden seit 2011 und deckt das Defizit. In Haltinners Vorstellung hätte Markus Ritter sich für den Fortbestand des Ladens stark machen können.Auch Lars Graf als Präsident des Einwohnervereins lässt leise Kritik verlauten, indem er den Informationsfluss als «etwas träg» bezeichnet. Das Dorf verliere quasi seinen Lebensmittelpunkt, was zu bedauern sei.Präsident gibt sich selbstkritischPeter Alabor, der Präsident der Käsereigenossenschaft, gibt sich selbstkritisch. Er pflichtet Werner Haltinner insofern bei, als der Vorstand der Genossenschaft das Thema idealerweise nochmals zum Gegenstand einer Versammlung gemacht hätte. Auch für die Kritik, die Genossenschaft hätte den Laden öffentlich ausschreiben sollen, ist Peter Alabor empfänglich. Anderseits sei es nicht so, dass nicht viel versucht worden wäre, sagt der Präsident. Schon vor eineinhalb Jahren sei das Thema vorgebracht und erörtert worden, unter Einbezug des damaligen Einwohnervereinspräsidenten und der Turnvereinspräsidentin. Es sei auch explizit eine in die Dorfgemeinschaft stark eingebundene Frau für die Mitwirkung im Vorstand gesucht worden – mit dem Ziel, auf einen Fortbestand des Ladens hinzuwirken, «leider vergeblich». Peter Alabor räumt zudem ein, auf den neuen Vorsitzenden des Einwohnervereins, Lars Graf, nicht zugegangen zu sein. Alabor vertritt aber die Ansicht, das Problem um den Laden sei bekannt gewesen und hätte sich auch von anderer Seite als von der Käsereigenossenschaft thematisieren lassen. Am 17. März sei auch in der Zeitung über die bevorstehende Ladenschliessung berichtet worden.Die Genossenschaft habe gezielt nach einer Nachfolgelösung gesucht und eine ganze Reihe von Detaillisten zur Fortführung des Hinterforster Geschäfts eingeladen. Davon abgesehen, sei mit der Sache im Hinblick auf eine Nachfolgelösung (mit neuem Konzept ab Herbst 2022) noch immer jemand beschäftigt; die Hoffnung sei jedoch sehr klein.Falls sich in nächster Zeit noch eine Interessentin oder ein Interessent melde, werde die Sache nochmals geprüft, sagt Peter Alabor. Die Käsereigenossenschaft habe bewusst noch keine Entscheide getroffen, die eine Weiterführung des Ladens verhinderten. Je länger ein Geschäft aber geschlossen sei, desto schwerer werde der Neuanfang.Trio entschied über Zukunft des LadensSpeziell ist, dass innerhalb der Käsereigenossenschaft – statutenkonform – drei Personen über die Zukunft des Ladens befinden können. Diese ungewöhnlich weitreichende Kompetenz hätte nach Werner Haltinners Ansicht umso mehr nach der Bereitschaft der Kommission verlangt, den Entscheid zur Schliessung des Prima Posti-Treffs freiwillig breiter abzustützen und zu diskutieren.Markus Ritter: «Rede Nachfolgern nie drein»Der aus Hinterforst stammende, seit zehn Jahren als Schweizer Bauernpräsident wirkende Markus Ritter war vor seinem politischen Start auf der nationalen Bühne zunächst Kassier der Käsereigenossenschaft Hinterforst (1992 bis 2001) und dann ihr Präsident. Auf Anfrage schreibt Ritter, er bedaure den Schliessungsentscheid. Der Vorstand der Käsereigenossenschaft Hinterforst habe aber die Möglichkeiten zur Weiterführung des Ladens während längerer Zeit vertieft ausgelotet. «Es schien nicht möglich, mit dem Angebot wieder schwarze Zahlen» zu schreiben.Werner Haltinners Aufforderung, sich für den Fortbestand des Ladens einzusetzen, könne er aus zwei Gründen nicht nachkommen, meint Markus Ritter. Erstens verfahre er konsequent nach dem Prinzip, sich nach dem Abschied von einem bestimmten Amt nicht mehr einzumischen, zweitens setzte eine fundierte Beurteilung eine vertiefte Auseinandersetzung voraus, die er angesichts seiner heutigen Aufgaben aus Zeitgründen nicht leisten könne.In zumindest einem Punkt dürfte Werner Haltinner mit Markus Ritter einig gehen. Der Bauernpräsident hält fest: «Man wird erst feststellen, was unserem Dorf verloren gegangen ist, wenn das Angebot und der Treffpunkt nicht mehr da sind.»(Anm. der Red: Im letzten Satz hatte es zunächst versehenlich Werner Ritter geheissen statt Markus Ritter.) 

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