07.04.2020

Ein Dorf aus Containern

Zwischen der ehemaligen EgoKiefer und dem Coop bewähren sich neue Arbeits- und Lebensformen.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Seit einem Jahr nutzt der Verein Zwischennutzung Gärtnerei das 4300 Quadratmeter grosse Areal der ehemaligen Gärtnerei Müller. Es handelt sich um ein auf fünf Jahre ausgelegtes Projekt. Ein Experiment.Manche der neun Container dienen dem Arbeiten, andere dem Wohnen. Die behördliche Bewilligung hierzu liegt vor.Einer der Container ist zweistöckigBesonders hoch ist der doppelstöckige Container, in dem seit November Lukas Alpiger und Fiona Tobler leben. Vorübergehend arbeitet Alpiger auch hier (Multi Media Production), während seine Partnerin im Altstätter Kinderheim Bild in einer Schülerwohngruppe tätig ist.Die Firma Ruag Space hat in dem Container früher Teile für Weltraumraketen transportiert. Die Höhe ist exakt so bemessen, dass keine Polizeibegleitung nötig ist, wenn der Container auf der Strasse unterwegs ist; eine Sondergenehmigung hat aber vorzuliegen.Zur Wohnfläche von zwölf Quadratmetern im Parterre kommen weitere sechs im oberen Stock, wobei Bett und Schrank den grössten Teil dieser Fläche beanspruchen. Mit dem Pelletofen habe man den Winter bestens überstanden, und das Zusammenleben auf so engem Raum funktioniere bestens, sagt das junge Paar und lacht. Man habe auch vor dem Umzug in den Container nicht mehr Platz gehabt.Letzten Donnerstag kam ein neues ZuhauseLetzten Donnerstag kam ein neuer Wohncontainer dazu. Viviane Wisler hat ihn in Thal mit Unterstützung ihres Lebenspartners Fredi Niederer gebaut, nun hat sie ihn nach Altstätten gezügelt.Auf überschüssige Materie zu verzichten und alte, nicht mehr gebrauchte Gegenstände wiederzuverwerten, könne der Lebensqualität sehr zuträglich sein, meint die 52-Jährige und liegt damit voll und ganz auf der Linie des Vereins Zwischennutzung. Seit seiner Gründung vor eineinhalb Jahren hat er erfolgreich eine «ökologische Sozialsphäre» geschaffen, in der alle Interessierten als Gäste willkommen sind.Schreiner Sutter richtet Werkstatt einVor einem Gartenhaus (das als Kafi dienen könnte, wäre nicht Coronazeit) sassen am Donnerstag Viviane Wisler und Fredi Niederer beisammen, während Fabian Sutter mit handwerklicher Arbeit beschäftigt war. «Das ist unser Dorfplatz», sagte Viviane Wisler, deren Absicht es ist, sicher ein Jahr auf dem Areal zu wohnen.Der junge, aus Altstätten stammende Schreiner Fabian Sutter richtet sich gerade in einem der Container seine Werkstatt ein und ist somit einer der fleissigen Nutzer des Areals. Ins grosse Magazingebäude, wo Sutter bisher eingemietet war, zieht auf Anfang Mai die Keramikwerkstatt der Altstätterin Daniela Steiger ein.Auch die in Rebstein wohnende Musikerin Manu Oesch betreibt einen Container – als Lederatelier; und Viviane Wislers Sohn Glenn ist in einem ehemaligen Bauwagen zu Hause, der besonders schön gestaltet ist.Graf zufrieden: «Wir sind ausgebucht»Auch der an der Altstätter Kulturwoche Staablueme verwendete Container steht jetzt auf dem Areal, und Architekt Roger Graf, der die Idee fürs letzte Staablueme-Kulturprogramm hatte, wird auf dem Gelände des Vereins Zwischennutzung Gärtnerei ebenfalls einen Container betreiben. Zum Beispiel könnte er als Quartierladen dienen, in dem die auf dem Areal entstehenden Produkte angeboten werden. Doch Graf, der wie Fiona Tobler dem Vereinsvorstand angehört, will sich noch nicht festlegen.Mit der Entwicklung auf dem Areal ist Graf sehr zufrieden. «Wir sind ausgebucht», erklärt er. Nur ein 100 Quadratmeter grosser Schotterplatz ist noch verfügbar, und auch für diese letzte freie Fläche gibt es schon Interessenten. Auch die Altstätter Schulen sind mit einem Gemeinschaftsgarten vor Ort, den sie vor der Coronakrise noch ausgebaut haben.Areal wird sehr vielfältig genutztInsgesamt sind es drei Gartenprojekte, und neben den zwei schon vorhanden gewesenen Bestandesbauten kamen elf neue Kleinbauten dazu. Die Nutzung des Areals ist sehr vielfältig, es gibt auch eine Velowerkstatt, eine Massagepraxis, eine Gemeinschaftswerkstatt, einen Ausstellungsraum, Aufenthaltsräume, ein Vereinslokal, eine Wildniszone und einen Naschzaun und manches mehr. Unter den Kleinbauten finden sich unter anderem ein Schiffscontainer, ein Spezialcontainer, ein Vollholzcontainer, ein Bauwagen und ein Zirkuswagen.Das Gartenhaus (Verein Zwischennutzung), der Vollholzcontainer (Verein NaturZiel, der für den Schulgarten verantwortlich ist) und Grafs Container sind für Veranstaltungen, Sitzungen und anderes einzeln oder kombiniert mietbar.Als «Raum für Kultivierung» bezeichnet der Verein das Areal, das auf einfachste Weise wiederzubeleben die Absicht war. Auf einem Fenster des Magazingebäudes steht: «Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt.» Wie eine solche Welt aussehen kann, ist in den eineinhalb Jahren seit der Vereinsgründung sehr konkret geworden.

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