17.08.2022

«Ein Bruder nennt mich Anna»

Janojan Thambirajah, Marbachs zweiter Vize-Gemeindepräsident und Leiter des Altstätter Betreibungsamts, wurde auch schon so begrüsst: «Guten Morgen, Herr Tambourin.»

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 02.11.2022
Den Namen des 32-Jährigen richtig auszusprechen, bereitet vielen Menschen keine Mühe. Andere tun sich eher schwer, sich den Namen zu merken. In der Schule wurde Janojan Thambirajah schon in der 6. Klasse Tschäno genannt; seine Kollegen erfanden den Spitznamen. Er hat seither (Schreibweise inklusive) Bestand. Am Ende eines Mails schreibt der Marbacher, der bei falscher Verwendung seines Vor- oder Nachnamens Nachsicht walten lässt, selbst kurz und bündig Tschäno. Bei der Arbeit nennen ihn neun von zehn Mitarbeitenden ebenfalls so. Jemand schrieb ihm einmal eine Karte nach Hause, aus Versehen nur mit Tschäno, Postleitzahl und Ort beschriftet, aber sie kam an. Neben Tschäno ist Jano der Vorname, der sich früh durchsetzte und den heute immer noch manche benützen.«Thambi» steht für  kleiner BruderWer sich nicht mit der Abkürzung des Vornamens begnügen will, spricht Janojan richtig so aus: Jenojen, wobei das J als I gesagt wird. Selbst die Eltern kürzen aber ab und sagen Jeno.Janojan Thambirajah kam in Altstätten zur Welt. Die Wurzeln der Familie sind in Sri Lanka, wo der Name Thambirajah zu den kürzeren gehört. In aller Regel sind die Namen länger – und entsprechend komplizierter. Häufig finden sich zwei Namen in einem, was auch auf den Namen Thambirajah zutrifft: «Thambi» steht für kleiner Bruder, «rajah» für König.Die Wahrscheinlichkeit, dass in Sri Lanka jemand genau gleich heisse wie ein anderer (wie zum Beispiel bei uns Thomas Müller), sei sehr klein, sagt Tschäno Thambirajah. Er beherrscht die Muttersprache und hat das Aufwachsen mit verschiedenen Kulturen als Privileg geschätzt. Sein jüngerer Bruder nennt ihn manchmal Anna. Das heisst grosser Bruder. Kleine Schwester heisst Thangachi (das ch wird als sch ausgesprochen), grosse Schwester Akka.Weiterbildung ist ihm wichtigJanojan Thambirajah, der früher im Turnverein war und im Musikverein Marbach Trompete spielt, hat eine kaufmännische Lehre gemacht und die Gemeindefachschule mit Fachrichtung Schuldbetreibung und Konkurs besucht. Das Altstätter Betreibungsamt führt er seit 2012. Er bildete sich an der Führungsschule öffentliche Verwaltung weiter und verfügt über ein CAS (Certificate of Advanced Studies) in Führung öffentliche Verwaltung und Nonprofit-Organisationen. Als Vorbereitung für die Prüfung als patentierter Rechtsagent hat der 32-Jährige die Fortbildung Rechtsfachmann HF genossen, die sich über drei Jahre erstreckt.In der Primarschule hatte er sich zusammen mit Kameraden den Streich erlaubt, bei einer Prüfung alle Vornamen auf tamilisch aufs Blatt zu schreiben. Der Lehrerin war selbstverständlich klar, wer dahinter steckte und liess Janojan die korrigierten Arbeiten verteilen.Auch schon mit Frau statt Herr angesprochenAm Telefon des Betreibungs­amtes meldet sich Janojan Thambirajah jeweils mit Vor- und Nachnamen. Oft muss er wiederholen. Doch am Ende des Gesprächs heisse es mehrheitlich korrekt: «Auf Wiederhören, Herr Thambirajah.» Der Verwaltungsangestellte findet es «nur schon gut, wenn jemand den Namen sagt, auch wenn er vielleicht nicht ganz stimmt». Im Schriftverkehr sei er schon mit Frau statt Herr angeredet worden, und nach einem Telefongespräch schrieb jemand im Mail: «Guten Morgen, Herr Tambourin.» Janojan Thambirajah ist mit einer Frau verheiratet, die den Namen einer Göttin trägt. Sie heisst Shamini, was das Synonym für eine Göttin sei. Zusammen freuen sich die beiden auf ein göttliches Geschenk: Sie werden Eltern gegen Ende Jahr.

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