15.04.2020

Ein Betruf gegen Corona und andere Unbill

Pfarrer Martin Böhringer ruft jeden Abend einen Alpsegen, der die Menschen im Rheintal vor Krankheit bewahren und Hoffnung geben soll.

Von Max Tinner
aktualisiert am 03.11.2022
In schwierigen Zeiten ist vielen der Glaube eine Stütze. Deswegen ist Martin Böhringer, Pfarrer in der Evangelischen Kirchgemeinde Eichberg-Oberriet, jetzt jeden Abend unterwegs und ruft einen Segen übers Land, ähnlich wie es die Sennen mit ihrem Alpsegen tun.Nun ist der Alpsegen eine katholische Tradition. Darin werden auch die Muttergottes und diverse Heilige um Beistand angefleht, was nicht dem Glaubensverständnis der Reformierten entspricht. Böhringers Betruf erbittet den Schutz fürs Rheintal deshalb von der heiligen Dreifaltigkeit, von Gott Vater, Sohn Jesus Christus und heiligem Geist.Dasselbe, mit unterschiedlichem Wortlaut, macht auch der Pfarrer des Zürcher Grossmünsters, Christoph Sigrist. Die Bet­rufe für Stadt und Land sind eine gemeinsame Initiative. Böhringer und Sigrist kennen sich schon seit ihrer Studienzeit. Beide waren früher zudem Pfarrer im Obertoggenburg, Sigrist in Stein, Böhringer in Alt St. Johann. Dort kennen sie Bauern, die den Alpsegen noch pflegen.Martin Böhringer ruft seinen Segen allabendlich von einem anderen Ort in der Kirchgemeinde aus. Manchmal vom Kapf bei Eichberg, manchmal vom Semelenberg bei Kobelwald, manchmal vom Montlinger Bergli, manchmal vom Blattenberg bei Oberriet. «Aus der Höhe wirkt’s besser», meint er. Der Ruf trägt weiter und erreicht mehr Zuhörende. Wie die Älpler verwendet auch Böhringer einen Milchtrichter. Eine «Folle», wie die Älpler das Holzgeschirr nennen. Er hat sie sich von Elsbeth Maag ausgeliehen, von der Buchser Lyrikerin, die verschiedentlich mit dem Toggenburger Komponisten Peter Roth (oder auch mit dem Altstätter Künstler Josef Ebnöther) zusammengearbeitet hat.Wo und wann Martin Böhringer am jeweiligen Abend sein wird, gibt er nur auf Anfrage bekannt. Man soll ja jetzt nicht zusammenkommen, sondern sich auf Distanz besinnen – und gerne auch mitbeten. Die Dankbarkeit, die ihm schon zugetragen wurde, bestärkt ihn aber, den Betruf weiterhin zu singen, bis die Krise überstanden ist. Bhüeti Gott – der Rheintaler SegenBhüeti Gott, bhüeti Gott, bhüeti Gott … Es walte Gott, de Vater, de Sohn Jesus Christus und die heilige Geischtchraft.Bhüet Gott, üs alli im Rhintel, in all üsere Dörfer, in üsere Hüser und Wohnige, Müettere und Vätere, Grosseltere und Urgross­eltere, Chind und Jugendliche. Bhüet üs Gott mit dinere Geischtchraft.Bhüet Gott, üs alli im Rhintel, Chranki und Gsundi, Truurigi und Ufgschtellti, alli Mensche, die glaubet, alli Mensche, die nöd glaubet … Bhüet üs Gott mit dinere Geischtchraft.Bhüet Gott, üs alli im Rhintel. All üsere Tier und Pflanze, üsers Wasser und üseri Luft, üseri Felder, Wiese und Wälder. Bhüet üs Gott mit dinere Geischtchraft. Bhüet Gott, üs alli im Rhintel, vor Chrankheit und jeder Plag, bhüet üs vor Pandemie, vor Einsamkeit und Verzwiiflig. Bhüet üs Gott mit dinere Geischtchraft.Mir bittet di i dieser Stund: Lass üs in dere Ziit zämme stoh, lass üs helfe, überall wo mer könne, lass üs fürenand da sii! Das bitten mir im Name vo de Heilige Dreifaltigkeit: Gott Vater, Gott Sohn und Gott Heiliger Geist.Bhüeti Gott, bhüeti Gott, bhüeti Gott … Amen.Martin Böhringer

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