15.11.2021

Ein Ausweichmanöver mit Folgen

Ein Mann verletzt sich auf dem Damm in Altenrhein. Warum die Polizei die Aufnahme einer Anzeige verweigerte.

Von Rudolf Hirtl
aktualisiert am 03.11.2022
Rudolf HirtlDer November präsentiert sich zwar wie gewohnt mit Hochnebel, doch zumindest nachmittags blitzte in den vergangenen Tagen immer wieder die Sonne durch. So auch am Mittwoch an der Mündung des Alten Rheins. Zahlreiche Spaziergänger und Velofahrende geniessen die wärmenden Strahlen und benutzen dabei auch den «neuen» Hochwasserschutzdamm entlang der Rheinhofstrasse.An diesem Tag verläuft alles friedlich am Alten Rhein. Zwar haben Anwohner eines der Absperrgitter bis in die Mitte der Dammkrone gezogen und einige Blumentröge stehen im Weg, doch Passanten kommen problemlos durch. Allerdings nicht so vor zwei Monaten. Ein Rorschacherberger musste bei seinem Spaziergang einem Holzhindernis ausweichen und ist dabei auf der abfallenden Böschung gestolpert. Weil der Knöchel des 58-Jährigen sofort stark anschwoll, rief er die Polizei auf den Platz, um den Unfall protokollieren zu lassen.Holzhindernis müsste eigentlich längst weg seinAls «Tagblatt»-Leser ist der Betroffene über den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen im Bilde, das per 25. März dieses Jahres verfügt hat, dass die ohne Baubewilligung erstellten Absperranlagen und andere Hindernisse zu entfernen seien. Vor diesem Hintergrund will der Rorschacherberger noch vor Ort eine Anzeige gegen den Hausbesitzer erstatten, der das Holzhindernis entgegen der Verfügung auf dem Dammweg platziert hat. Die damit konfrontierte Polizistin weigert sich aber, eine Anzeige entgegenzunehmen.Einige Wochen vor diesem Unfall, am 9. Juni, machten sich der damalige Thaler Gemeindepräsident Felix Wüst, Daniel Dietsche, Leiter Rhein und Hydrometrie beim kantonalen Baudepartement, und Martin Anderegg, Leiter Recht und UVP beim Amt für Umwelt, persönlich ein Bild vor Ort. Sie wollten sehen, ob der Entscheid des Verwaltungsgerichts umgesetzt wird. Die Absperrgitter waren zwar weg, nicht aber Palisaden aus Holz, in den Weg gestellte Blumentöpfe, Gartenabfälle und Gartenbeete, die bis über die Mitte der Dammkrone reichten. Nach dem Entscheid des Verwaltungsgerichts würden Gemeinde und Kanton nicht mehr länger zuschauen, betonten die drei damals. Illegal erstellte Absperrungen würden künftig mit Kostenfolge für die Verursacher entfernt. Anwohner vor Ort würden genauer darüber informiert.Jeder hat das Recht, eine Anzeige zu machenAllzu oft haben sich Vertreter von Gemeinde oder Kanton dann aber offensichtlich doch nicht an der Rheinmündung blicken lassen, denn in der dritten Septemberwoche, als sich der oben erwähnte Unfall ereignete, stand die Holzpalisade wieder auf dem Damm.Bleibt die Frage, weshalb sich die angerückte Patrouille weigerte, eine Anzeige aufzunehmen. Florian Schneider, Mediensprecher bei der Kantonspolizei St. Gallen, sagt dazu: «Ich kann das Vorgehen der Patrouille nachvollziehen. Eine Knöchelverletzung ist nicht per se ein Grund für eine Anzeige.»Allerdings sei die Situation am Hochwasserschutzdamm in Altenrhein nicht alltäglich. Daher habe die Kapo nochmals Kontakt mit dem verunfallten Mann aufgenommen. «Wir werden ihn befragen, eine Anzeige aufnehmen und diese der Staatsanwaltschaft weiterleiten, die über das weitere Vorgehen entscheidet.» Schneider betont zudem, dass grundsätzlich jede Frau und jeder Mann das Recht habe, eine Anzeige zu machen.Mittlerweile ist die Holzpalisade wieder weggeräumt, der Weg ist also frei. Dennoch verzichtet der 58-jährige Rorschacherberger auf einen Spaziergang an der Rheinmündung. «Wir wurden von Leuten, die dort wohnen, wiederholt angepöbelt. Wir hätten hier nichts verloren und sollten verschwinden, hiess es.» Insbesondere eine Frau habe sich sehr aggressiv verhalten. «Meine Lebenspartnerin ist derart verängstigt, wir trauen uns gar nicht mehr dorthin.»Gemeinde hat bereits Rechnungen verschicktWas sagt die Gemeinde zur aktuellen Situation? Thals Gemeinderatsschreiber Christoph Giger widerspricht der Annahme, die Gemeinde würde sich nicht um die Situation am Damm kümmern. «Mitarbeiter von Kanton und Gemeinde sind regelmässig dort und schaffen Ordnung. Wir haben Anwohnern auch bereits Rechnungen geschickt. Diese wurden übrigens nicht beanstandet.»Der betroffene Mann ist glücklich, dass die Kantonspolizei seinen Unfall nun doch ernst nimmt. Er habe nach wie vor starke Schmerzen und Mühe beim Laufen. Er sagt: «Ich überlege mir, Schmerzensgeld vom Hausbesitzer zu verlangen. Dieses würde ich jedoch vollumfänglich für einen guten Zweck spenden.»Fakt ist: Das Durchlaufen auf dem Damm ist nicht aktuell verboten. Anwohner hätten jedoch die Möglichkeit, beim Kreisgericht Rorschach eine Beschilderung «Betreten verboten» zu beantragen. Was bis heute nicht geschehen ist. Aber auch dann wäre das Durchlaufen in der Hangneigung statt auf der Krone erlaubt.

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