Gert BrudererGemeindepräsident Reto Friedauer bezeichnet die Einheitsgemeinde als Mehrheitsmodell. Tatsächlich sind im Kanton St Gallen 55 von 77 Gemeinden als Einheitsgemeinde organisiert. Vor zwei Jahrzehnten waren es drei. Oder mit Blick auf die Schulgemeinden: 2008 gab es im Kanton St. Gallen noch 110, inzwischen ist ihre Zahl auf rund ein Drittel gesunken.Wo eine Einheitsgemeinde besteht, sind die Erfahrungen positiv. In Diepoldsau zum Beispiel. Oder in Widnau. Selbst in Marbach, wo das Volk von einer Fusion mit Rebstein nichts wissen wollte, meinten führende Opponenten unmittelbar nach der Abstimmung, die Einheitsgemeinde hätte nun zügig zum Thema zu werden.Der Diepoldsauer Gemeindepräsident Roland Wälter sagt, nach der Verschmelzung zur Einheitsgemeinde per 1. Januar 2005 sei anfänglich darauf zu achten gewesen, dass jeder sich auf seine Aufgaben beschränkt habe. Auf das Modell hält er grosse Stücke; gerade in der Phase der Budgetierung, mit der Möglichkeit zur Optimierung, sei die Zusammenarbeit mit dem Schulpräsidenten sehr eng.2011 hatte Einheits- gemeinde keine ChanceDie Voraussetzungen sind freilich nicht überall gleich, das Gebiet von Schule und politischer Gemeinde nicht allerorts identisch. In St. Margrethen herrscht Kongruenz: Die Bürgerschaft der beiden Korporationen ist exakt dieselbe. Umso naheliegender ist die Idee einer ganzheitlichen, auf Schule und politische Gemeinde bestmöglich abgestimmten Gemeindestrategie.Schon vor sieben Jahren war das Gebiet von politisch St. Margre-then mit dem Gebiet der Schule identisch gewesen. Dennoch stiess die Idee der Einheitsgemeinde in St. Margrethen damals auf Ablehnung. Der frühere Schulrat hatte die Ablehnung empfohlen und brachte nach der Abstimmung seine Freude über das Nein an der Urne zum Ausdruck. Auch FDP, SVP und SP hatten am alten System festhalten wollen, in der CVP war das Thema umstritten; die Partei hatte Stimmfreigabe beschlossen. Letztes Jahr hat die CVP St. Margrethen sich aufgelöst.Zum Teil herrscht nun Verwunderung über das klare Bekenntnis des Schulpräsidenten zur Einheitsgemeinde. Dieser verneint eine Kehrtwende. Vielmehr habe er vor sieben Jahren die Mehrheitsmeinung des Schulrats vertreten, entgegen der eigenen Ansicht, sagt Roger Trösch.Sowohl vom Gemeinderat als auch vom Schulrat werde die Bildung einer Einheitsgemeinde inzwischen einstimmig bejaht, sagen Friedauer und Trösch. Sie begründen dies unter anderem damit, dass gesellschaftlichen Fragen, von denen Schule und politische Gemeinde betroffen seien, ein zunehmend höherer Stellenwert zukomme. «Es gibt viele Schnittmengen», meint Trösch.Ob Jugend- oder Schulsozialarbeit, Frühförderung oder Integrationsbestrebungen – Aufgaben dieser Art betreffen immer beide Korporationen.Aber auch in anderen Bereichen erweise sich eine Einheitsgemeinde als sinnvoll. Friedauer nennt es erstrebenswert, «in einer komplexer gewordenen Welt mit höheren Anforderungen über alle wichtigen Fragen an einem Tisch debattieren und gemeinsam Entscheide fällen zu können».In einer Einheitsgemeinde wären zudem wichtige Geschäfte weniger an einzelne Personen gebunden. So sind zum Beispiel das Gebäudemanagement sowie der Unterhalt der Schulimmobilien, deren Versicherungswert sich auf 44 Mio. Franken beläuft, heute sehr anforderungsreich.Effizienz und strategische Potenz steigernAls St. Margrethen vor sieben Jahren die Einheitsgemeinde (bei einer Stimmbeteiligung von 22,8 Prozent) verneinte, leistete ein neunköpfiger Schulrat die zu verrichtende Arbeit. Zwei Jahre später sank die Zahl auf sieben. Bejaht St. Margrethen die Einheitsgemeinde, sollen ab dem Jahr 2021 noch fünf vom Volk gewählte Schulräte wirken. Die Schule behielte die Autonomie in schulstrategischen und pädagogischen Fragen. Der Schulpräsident würde zugleich Mitglied des Gemeinderats und wäre in diesem Gremium sozusagen der Delegierte der Schule.Unabhängig davon, ob St. Margrethen zur Einheitsgemeinde wird, hat die politische Gemeinde bessere Strukturen im Sinn. Den heute zehn Abteilungen steht die Zusammenfassung in sechs Bereiche bevor, die Zahl der (vorberatenden) Kommissionen dürfte von 14 auf 10 sinken. So soll zum Beispiel neben der Baukommission neu eine Infrastrukturkommission entstehen, in der sich Sportplatz-, Friedhof- und Strandbadkommission zusammenfassen lassen. Je nachdem, ob St. Margrethen zur Einheitsgemeinde wird, fällt die Ausprägung der Neuorganisation etwas anders aus.Gemeinde- und Schulrat geht es generell um eine Steigerung der Effizienz und eine Stärkung der strategischen Potenz. Eine Kosteneinsparung wird als Grund ausdrücklich verneint. Anderseits ist im Dorf die Erwartung zu hören, dass es «nicht teurer» wird.Insofern sei zu hoffen, dass das beachtliche Schulbudget in einer Einheitsgemeinde eher kritischer betrachtet würde.SVP sagt auch jetzt «konsequent Nein»Die SP begrüsst den Entscheid von Schul- und Gemeinderat, die Bildung einer Einheitsgemeinde erneut anzugehen. Angesichts der steigenden Komplexität, die die Verwaltungsführung mit sich bringe, sowie angesichts der aktuellen gesellschaftspolitischen Herausforderungen sei dieser Schritt richtig und zeitgemäss. Speziell bei der familien- und schulergänzenden Kinderbetreuung habe das Dorf noch Nachholbedarf.Die SP erhofft sich diesbezüglich neue Impulse und Strukturen, die einen Ausbau des Angebots unterstützen. Auch bei der Immobilienbewirtschaftung bringe die Einheitsgemeinde gewisse Vorteile.Die FDP behandle das Thema an ihrer Vorstandssitzung vom 31. Januar, teilt Parteipräsident Ralph Brühwiler mit. Die Parole solle an der Hauptversammlung vom 28. Februar gefasst werden. Brühwiler, der 2011 noch dem Gemeinderat angehörte, vertritt selbst die Auffassung, die Rahmenbedingungen seit 2011 hätten sich stark verändert, und die Überschneidungen und gemeinsamen Aufgaben wie Finanzplanung, Raumplanung und Jugendarbeit sprächen wohl für eine Einheitsgemeinde.Die SVP werde nach ihrem Nein zur Einheitsgemeinde vor sieben Jahren «konsequenterweise auch 2019» Nein sagen, ist von Parteileitungsmitglied Fabian Herter zu erfahren. Schliesslich betreibe man «keine Windfahnenpolitik». Die SVP wolle weder einen Abbau der Demokratie noch eine Machtkonzentration in der Gemeinde.HinweisAm 13. Februar findet in der Aula Wiesenau ein Info-Anlass statt. Die Grundsatzabstimmung erfolgt an der Bürgerversammlung Ende März.