28.01.2022

Eigentümer stehen auf der Bremse

Bodenreserven in Bauzonen sind vorhanden, aber oft nicht verfügbar. Einige Gemeinden sind besonders betroffen.

Von Andrea C. Plüss
aktualisiert am 02.11.2022
Vor wenigen Tagen meldete die Gemeinde Oberriet den Kauf einer Parzelle mit einer Bodenfläche von 2861 Quadratmetern. Den Boden erwarb sie von ei­nem privaten Eigentümer. Ein  «Lucky Punch», ein Glücksfall für die politische Gemeinde, denn in ihrem Besitz befinden sich bereits zwei Nachbargrundstücke. Man habe jetzt «eine ideale Möglichkeit» zur Erschliessung der Parzelle, schrieb die Gemeinde.Mit 23 Quadratmetern pro Raumnutzer (zu ihnen gehören die Einwohnerschaft und die am Ort Beschäftigten) liegt die Siedlungsreserve in der Bauzone über dem kantonalen Durchschnitt von 16 Quadratmetern, gleichzeitig sind jedoch überdurchschnittlich viele Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer nicht bereit, ihre Parzellen einer Erschliessung zuzuführen.In Oberriet sowie in Marbach und Au sei der Anteil der Eigentümerschaft mit ablehnender Haltung höher als in den anderen Rheintaler Gemeinden und deutlich höher als im kantonalen Durchschnitt, sagt Beat Louis, Raumbeobachter beim Amt für Raumentwicklung und Geoinformation (AREG) auf Anfrage. Das AREG hat zusammen mit dem Amt für Wirtschaft die kantonale Flächenpotenzialanalyse 2021 erarbeitet.Ziel der Studie ist, vorhandene Siedlungsreserven in den Bauzonen flächendeckend auf der Grundlage des jeweils rechtsgültigen Zonenplans zu erheben und deren Verfügbarkeit zu überprüfen. Dazu befragten Mitarbeitende der Fachstelle raum+ der ETH Zürich Anfang 2021 alle Gemeinden im Kanton St. Gallen.Knapp die Hälfte will Boden nicht verkaufen Der Kanton will wissen, ob die Reserven der Bauzonen in den nächsten fünf  bis 13 Jahren ausreichen, um das erwartete Be­völkerungswachstum aufzunehmen. Er schaut Parzelle für Parzelle an und stuft sie anhand der Angaben der Gemeinden ein.Neues Bauland einzuzonen ist nach dem geltenden Planungs- und Baugesetzt fast ausnahmslos erst möglich, wenn die Reserven einer Nutzung zugeführt worden sind. Und genau das ist das Problem, denn die Nachfrage ist hoch. Im Vergleich mit anderen Regionen im Kanton sind im Rheintal überdurchschnittlich viele Flächen der Gesamtreserve von 250 Hektaren durch die Eigentümerschaft blockiert.Gut 45 % von ihr lehnte zum Zeitpunkt der Erhebung eine Entwicklung oder den Verkauf des Bodens rundweg ab (siehe Tabelle unten). Dabei handelt es sich mehrheitlich um Privatpersonen, die sogenannte Baulücken-Parzellen besitzen, die nicht grösser als 2000 Quadratmeter sind. Ähnlich sieht es in den Regionen Sarganserland-Werdenberg und Toggenburg aus. Auch bei der zeitlichen Verfügbarkeit des Bodens – nur ein Viertel ist sofort verfügbar – schneidet das Rheintal (mit St. Gallen) unterdurchschnittlich ab. Bei 62 % der vorhandenen Siedlungsreserve lautete die Antwort: «Verfügbarkeit: ungewiss». Dabei befinden sich 88 % der Flächen in erschlossenen Bauzonen.Die innere Verdichtung, die Bund und Kanton von den Gemeinden erwarten, lässt sich nur mühsam umsetzen, wenn das Gros der Bodeneigentümerschaft nicht an einer Verwertung der Grundstücke inte­ressiert ist – oder eben nur in kleinen Schritten, wie im anfangs erwähnten Beispiel aus Oberriet. Gemeinden können das Gespräch mit den Eigentümerinnen und Eigentümern suchen. Eine Handhabe, die bauliche Entwicklung zu forcieren, haben sie höchstens im Rahmen von Vertragsgestaltungen.Auch die «Rheintaler Mentalität» spielt eine RolleBei den aktuellen Preisen für Bauland verwundere es nicht, dass viele nicht verkaufen wollen, sagt Bernecks Gemeindepräsident Bruno Seelos. «Boden ist eine gute Wertanlage. Ge­rade in Zeiten, in denen das Geld auf der Bank kaum Zinsen abwirft.» Wer nicht muss, verkauft nicht, sondern behält das Grundstück – oft für die eigenen Kinder. Ein Stück weit sei das wohl auch der «Rheintaler Mentalität» geschuldet, vermutet Bruno Seelos.Blieben weiterhin viele Flächen in den jetzigen Bauzonen blockiert und neue Einzonun­gen kämen seitens des Kantons (ihm obliegt das Zonenmanagement) nicht in Frage, müssten den Gemeinden irgendwann «griffigere Instrumente» an die Hand gegeben werden, so die Auffassung des Bernecker Gemeindepräsidenten.

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