15.05.2022

Effizienz versus Chancenwucher

Von einem verdienten Heimsieg (3:2) zu sprechen, wäre vermessen. Der FC Heiden profitierte von einem Chancenwucher par excellence, den die Städtli-Elf an den Tag legte – und von einem überragendem Goalie Sturzenegger.

Von Lukas Alder
aktualisiert am 02.11.2022
Bei sommerlichen Temperaturen liessen die ersten zehn Minuten nicht erahnen, welch unterhaltsame Partie die Akteure an diesem Nachmittag noch auf der Gerbe bieten werden. Vielmehr mussten sich beide Mannschaften an die Bedingungen gewöhnen, was die Hausherren nicht davon abhielt, einen Start nach Mass zu fabrizieren. Zunächst brachte der aus der zweiten Mannschaft eingesprungene Ulmann die Vorderländer mittels Kopfball früh in Führung (11.), ehe Boller in Minute 20 einen an Kisters verursachten Elfmeter zur Zwei-Tore-Führung verwertete. Doch auch die Gäste aus dem Rheintal tauchten immer wieder gefährlich vor Sturzenegger auf, der an diesem Nachmittag noch eine entscheidende Rolle spielen sollte.Wo ist der VAR, wenn man ihn braucht?Zunächst unterbrach Schiedsrichter Jebali die Partie aber nach 24 Minuten für eine vereinbarte Trinkpause, in der sich die Städtli-Elf neu sammeln konnte. Sie wurde nun aktiver und hatte durch Jacquier (26., 29.) und Bektesi (41.) gute Chancen zum Anschlusstor. Dieses kam noch vor dem Pausenpfiff, als der Unparteiische eine Intervention Bollers gegen Shaqiri in der Nachspielzeit der ersten Hälfte ahndete. Die Proteste der Hausherren quittierte er mit der bekannten «VAR-Geste», womit er auf humorvolle Art zu verstehen gab, dass er wohl auch nicht alles bis ins kleinste Detail prüfen kann und nach bestem Wissen und Gewissen entschied. Das Ende vom Lied kam somit praktisch mit dem Pausenpfiff: Savanovic hatte in dem für Heiden dümmsten Moment auf 1:2 verkürzt. Altstätten hatte Chancen für zwei SpieleOptimale Bedingungen also, um das Spiel noch zu drehen – zumal die Hausherren die Partie vom Mittwoch in Eschen noch zu spüren schienen. Da kam es Heiden gelegen, dass der frühere Rheinecker und heutige Zwei-Stürmer Laurin Kisters nach 59 Minuten seinen Körper ge­gen Kälin im Rahmen des Erlaubten einsetzte und zum dritten FCH-Treffer einköpfte. Dieser gab der Heimelf Sicherheit, währenddem sich ihre Aktionen folglich vornehmlich im Mittelfeld abspielten. Die Gäste lancierten derweil Angriff und Angriff und wurden mit Fortdauer der Partie gefährlicher. Einzig die Ineffizienz im Abschluss sowie ein überragender Heiden-Schlussmann Sturzenegger verhinderten Mal für Mal den Einschlag, was die Zuschauer zu der Annahme führte, dass die Hausherren den Vorsprung wohl über die Zeit retten werden.Spannend bis zum SchlussDoch die Spannung hielt bis zum Schluss – auch, weil Schiedsrichter Jebali eine Intervention Thürlemanns in der Nachspielzeit als Handspiel ahndete und damit dem FCA den zweiten Treffer vom Punkt ermöglichte. Der Chancenwucher war gebrochen, doch das Tor kam zu spät – kurz darauf erlöste der Unparteiische die auf den Felgen laufenden Vorderländer.«In der Gegenwart leben»Viele kannten ihn zu Beginn der Saison noch nicht, doch der 23-jährige Ramon Braunwalder aus Grub AR hat in der Vorrunde mächtig Eindruck auf der Gerbe hinterlassen.[caption_left: Ramon Braunwalder kehrt nach einer Zeit ohne Fussball zum FC Heiden zurück, wo er bis zu den D-Junioren spielte.]Der Verteidiger etablierte sich auf Anhieb in Heidens Startelf und war an diesem Nachmittag wie so mancher Gerbe-Kicker zum Zuschauen verdammt – «die Bänder hat’s erwischt», so der robuste, stets positiv wirkende Abwehrspieler.Prägende Zeit ohne FussballSeine ersten Gehversuche mit dem Ball absolvierte er noch in der Juniorenabteilung des FC Heiden, doch bereits im C-Junioren-Alter wagte er den Sprung zum SC Brühl, bei dem er fortan in den höchsten regionalen Juniorenstufen ran durfte. «Ich wollte damals so hoch spielen wie möglich», so Braunwalder, der nach eigener Aussage seinen ganzen Ehrgeiz in den Fussball steckte. Doch nach den A-Junioren ging es für ihn nicht mehr weiter – und eine für ihn prägende Zeit begann. Der Fussball rückte in den Hintergrund, es folgten die Rekrutenschule, ein Sprachaufenthalt in Australien sowie die Berufsmittelschule, die der gelernte Kaufmann mit Bravour bestand. Während dieser Zeit transferierte er seinen Ehrgeiz vom Fussball in die berufliche Laufbahn. Nach einem Praktikum im Bad Sonder in Teufen, wo er in einer Wohngruppe mit Kindern und Jugendlichen arbeitete, führte ihn in den Studiengang Soziale Arbeit, in dem er nun das zweite Semester belegt.Fussball spielte er während dieser Zeit nicht mehr – «höchstens noch daheim auf dem Vorplatz», so Braunwalder mit einem Schmunzeln. Dort sprach ihn sein früherer Nachbar und heutiges FCH-Vorstandsmitglied Silvan Solenthaler an, ob er es nicht nochmals versuchen möchte. Der alte Nachbar als VermittlerBraunwalder sagte zu und gehört seither zum Team von Yusuf Koru. Er schwärmt von einer «coolen Truppe» und einem guten Mix zwischen Spass und Ambitionen. Während des Gesprächs merkt man, dass ihm die Mitmenschen und das persönliche Wohlbefinden wichtig sind. Als Verteidiger Jaron Thürlemann in der zweiten Hälfte nach einer Trinkflasche fragte, begibt er sich selbstlos zur Bank, um sie Heidens Jüngstem zu bringen. «Beruflich möchte ich einen Job, der mich glücklich macht», so der angehende Sozialarbeiter, und fügt an: «Ich möchte in der Gegenwart leben.» Diese ist auf der Gerbe, wo die Kollegen den Vorsprung über die Zeit retten – und am Sonntag in Bern am Cupfinal. Die nahe Zukunft heisst Thailand, wohin er diesen Sommer für mehrere Wochen reisen wird. Die Freude ist spürbar, trotz Verletzung.  

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