Cassandra WüstRüebli, Kartoffeln, Zwiebeln, Salat, Kohl oder Rhabarber: Die Auswahl an Gemüse bei lokalen Landwirtschaftsbetrieben ist gross. Die meisten Gemüseerzeuger im Rheintal verkaufen ihre Produkte in Hofläden oder bieten sie den Konsumentinnen und Konsumenten in grösseren Verkaufsstellen an. Einige Gemüsefans ziehen jedoch den «schnelleren» Weg vor und bedienen sich direkt auf dem Feld – ohne zu zahlen. Die Fälle, in denen Gemüse direkt aus der Erde gerissen oder ausgegraben wird, häufen sich im Rheintal. Erntediebstahl ist kein Kavaliersdelikt. Und dennoch: Kaum ein Dieb oder eine Diebin wird zur Rechenschaft gezogen.Den Kofferraum mitZwiebeln gefülltMario Baumgartner vom Hof Lindenmad in Kriessern staunte nicht schlecht – im negativen Sinn. Als er kürzlich auf einem seiner Felder stand, fehlten reihenweise Kartoffeln. Achtlos wurden sie über mehrere Meter ausgegraben und abtransportiert. Ähnliches konnte er auch auf anderen Feldern beobachten. Dass sich die Leute wie in einem Selbstbedienungsladen verhalten, ist für Baumgartner nichts Neues. In diesem Jahr erstaunt ihn jedoch ganz besonders, wie viel gestohlen wird. «Es gehört fast schon zum Alltag. Aber das sollte nicht so sein», sagt er.[caption_left: Meist am frühen Morgen oder abends machen sich Personen daran, die Kartoffeln auf dem Feld auszugraben. Übrig bleiben auf mehreren Metern nur Erdhaufen.]Er erzählt von Menschen, die ihre Kofferräume mit Zwiebeln füllen, oder von solchen, die ihre Fahrradkörbe mit Rüebli, Salat und Kartoffeln bela-den. Mehrfach hat er die Leute am helllichten Tag auf frischer Tat ertappt und zur Rede gestellt. Auffallend ist, dass es sich durchwegs um Männer oder Frauen über 50 handelt, aber die wenigsten von ihnen sind einsichtig. Die beliebtesten Ausreden: «Wir hätten es sofort bezahlt», «Es ist sowieso genug da» oder «Wir haben es mit unseren Steuern bezahlt». Mario Baumgartner kann über solche Dreistigkeiten nur den Kopf schütteln. «Das ist geklaute Arbeit», sagt der Landwirt.Angezeigt wirdkaum ein GemüsediebDas gleiche Schicksal wie Baumgartner erleiden viele Gemüseproduzenten im Rheintal. Bei der Feldhofgemüse AG in Oberriet zum Beispiel wurden schon ganze Fässer voller Zwiebeln gestohlen, wie Peter Frei, stellvertretender Geschäftsführer, berichtet. Und auch Carina Rohner von «Rohner’s Hoflädeli» in Balgach sagt: «Wir haben sicher jeden Monat irgendwelche Diebstähle.» In St. Margrethen, bei der Risch AG, treibt derzeit ein Kartoffeldieb sein Unwesen: «Wir haben ihn schon gesehen, aber noch nicht gefasst. Aber jemanden zur Bewachung der Felder beauftragen, das geht ja nicht», sagt Geschäftsführer Armin Risch. Alle sind sich einig, dass die Gemüsediebe lästig, unanständig und unverschämt sind. Aber es geht nicht darum, dass jemand im Vorbeigehen eine Karotte zum direkten Verzehr mitnimmt. Oder auch, wenn Leute die übrig gebliebene Ware auf den abgeernteten Feldern zusammenlesen – sofern sie vorher fragen. Wenn aber ganze Reihen einfach so abgeerntet werden, haben die Produzentinnen und Produzenten kein Verständnis. «Es ist verrückt. Ein Kilo Kartoffeln kostet bei uns im Hofladen nur einen Franken. Und man muss sich nicht einmal die Hände schmutzig machen», sagt Baumgartner.Vielen ist nicht bewusst, dass sie einen Diebstahl begehen, der mit einer Busse bestraft werden kann. Dazu muss der geschädigte Landwirt aber eine Anzeige bei der Polizei erstatten. Baumgartner und die anderen Gemüsebauern haben das nie in Erwägung gezogen, obwohl sich die Menge der Ware im Laufe der Jahre summiert hat. Der Polizei fällt auch auf, dass die Bäuerinnen und Bauern oft ihren Ärger herunterschlucken: «Es kommt praktisch nie vor, dass Landwirte einen solchen Fall bei der Kantonspolizei St. Gallen anzeigen», sagt Polizeisprecher Simon Anderhalden.Die Betroffenen sehen aber nicht gänzlich tatenlos zu. In der Regel konfrontieren sie die Diebe und nehmen ihnen das Gemüse wieder ab. «Wir appellieren an den gesunden Menschenverstand. Schliesslich bedienen wir uns nicht in ihren Gärten», sagt Mario Baumgartner, der sich sicher ist: «Sollte es in den nächsten Monaten in diesem Ausmass weitergehen, werden wir definitiv weitere Schritte einleiten.»