Region 02.11.2022

Drei Chauffeusen erzählen, warum sie sich als Trucker-Lady bezeichnen

Immer mehr Frauen legen die Prüfung zur Lastwagenfahrerin ab. Nicoletta Ceraolo aus Au, Ümi Jyüzec, wohnhaft in Gais, und Jasmin Schmitter aus Widnau erzählen, wie sie zu ihrem Beruf gekommen sind.

Von Susi Miara
aktualisiert am 02.11.2022

In der Schweiz fehlen etwa 30000 Chauffeure und Chauffeusen. Nicht nur die langen Arbeitszeiten, sondern auch die Kosten für die Ausbildung sind Gründe für das Fehlen der vielen Fachkräfte. Ausserdem ist seit Jahrzehnten der Beruf des Lastwagenfahrenden eine klare Männerdomäne. Seit kurzer Zeit jedoch sieht man immer öfter auch Frauen hinter dem Lastwagensteuerrad.

Coiffeuse tönt fast wie Chauffeuse

Nicoletta Ceraolo aus Au wollte bereits mit 20 Jahren die Lastwagenprüfung ablegen. Ihr Vorbild war der Vater, der als Chauffeur unterwegs war. Doch damals reichte das Geld für die Fahrschule nicht, sodass sie erst einmal den Beruf der Coiffeuse erlernte. «Coiffeuse tönt fast wie Chauffeuse», sagt Nicoletta Ceraolo und lacht.

Als ihr Bruder ebenfalls den Beruf des Chauffeurs erlernte, war sie 30 Jahre alt. Das nötige Geld für die Fahrschule reichte aber immer noch nicht. Sie musste sich weitere 20 Jahre lang gedulden, um sich ihren Traum zu erfüllen.

Mit 49 bekam sie die Möglichkeit, in der internen Fahrschule von Emil Egger in St. Gallen, wo inzwischen ihr Vater und auch ihr Bruder arbeiteten, Fahrstunden zu nehmen. Acht Monate später konnte sie schliesslich die Prüfung ablegen. Einen weiteren Monat später fuhr sie bereits in Begleitung von Chauffeuren mit dem Betonmischer der Firma SAW die ersten Touren. Zwei Monate später war sie erstmals allein mit dem grossen Brummi unterwegs. Nicoletta Ceraolo:

Früher habe ich Haare frisiert, heute fahre ich Beton auf die Baustellen.

Die Truckerin erledigt selbstverständlich die gleichen Arbeiten wie ihre männlichen Kollegen.

Auf den Baustellen wird sie oft mit einem Lächeln begrüsst. Schliesslich ist es kein alltägliches Bild, eine Frau am Steuer eines Betonmischers zu sehen. Frauenfeindliche Kommentare habe sie bis jetzt aber noch nie gehört. Nicoletta Ceraolo ist Familienfrau, hat eine zwölfjährige Tochter und einen Ehemann, der sie bei der Ausübung ihres Berufs voll unterstützt.

Im Moment arbeitet sie jedoch nur als Aushilfe auf Abruf. «Dafür geniesse ich jeden Einsatz», sagt sie. Zufrieden sei sie jedoch noch nicht. Sie will sobald als möglich auch noch die Sattelschlepper-Prüfung ablegen. «Ich liebe es, wenn das Fahrzeug gross ist und viele PS hat», sagt sie. Bei der Arbeit dreckig zu werden, störe sie nicht, bereite ihr vielmehr grossen Spass.

Kein Unterschied zu den männlichen Kollegen

Für ihren Chef Marcel Schmitter ist es nichts Spezielles, eine Frau zu beschäftigen. Bereits seine Mutter Ida Schmitter und seine Schwester Sabrina Schmitter fuhren mit den Betonmischern. Momentan ist Nicoletta Ceraolo aber die einzige Frau im Betrieb. Einen Unterschied zu den männlichen Kollegen mache er bei ihr aber nicht. «Wir sind gleichberechtigt und auch Nicoletta muss die gleiche Arbeit erledigen, wie ihre Kollegen», sagt der Chef. «Frauen können das genauso gut wie die Männer.»

Dass immer mehr Frauen in diesen Beruf einsteigen, findet er gut. Der Beruf des Lastwagenfahrers oder der -fahrerin habe sich gewandelt. Zusätzliche Prüfungen und Qualifikationen werden verlangt, was wiederum mit Kosten verbunden ist.

Die Kosten haben sich mehr als verdoppelt

Das kann auch Andreas Dockl von der Fahrschule D’ Fahrermacher bestätigen. Seit 20 Jahren ist er Lastwagenfahrlehrer. Sein Ausweis habe ihn etwa 4000 Franken gekostet. «Man war stolz, die Lastwagenprüfung zu haben, auch wenn man sie nicht zwingend brauchte», sagt er. Heute macht man die Prüfung nur dann, wenn man auch in diesem Beruf arbeiten will. Die Kosten betragen schnell 10000 Franken.

«In der Schweiz fehlen 30000 Chauffeure», sagt An­dreas Dockl. Somit könnte der Beruf auch für Frauen zukunftsweisend sein, obwohl es für sie mit einer Familie schwieriger sein könne. Aber auch hier findet man immer wieder einen Job in Teilzeit. Frauen hat Dockl bereits viele ausgebildet. 20 bis 30 sind es jedes Jahr. Die Hälfte von ihnen wird man aber nie in einer Lastwagenkabine sehen. Vielmehr brauchen sie die Fahrerlaubnis, um ein schweres Wohnmobil fahren zu dürfen. Einen Unterschied bei der Fahrweise zwischen Mann und Frau konnte er bis jetzt nicht feststellen. «Die Frauen fahren jedoch eher vorsichtiger», sagt er.

«Speedy» auf Fünf-Achs-Kipper

Einen Teilzeitjob als Lastwagenfahrerin fand auch Ümi Jyüzec bei der Buschor AG in Altstätten. Seit fünfeinhalb Jahren ist sie unter ihrem Trucker-Namen «Speedy» auf einem Fünf-Achs-Kipper unterwegs. Seit einem Jahr fährt sie auch Schwertransporte. 2019 absolvierte sie die Prüfung, 2017 fing sie bei der Buschor AG an, zuerst mit 50-, heute mit 80-Prozent-Stellenumfang.

«Ich habe dort meinen Traumjob gefunden», sagt sie. Früher arbeitete sie als Dentalassistentin. Da war alles steril. Heute kommt sie oft schmutzig, voller Dreck und Karrenschmiere, ja oft sogar mit blauen Flecken nach Hause. Ümi Jyüzec sagt:

Ich bin gerne mit dem Trucker auf der Strasse unterwegs.

Den Beruf könne sie gut mit ihrer Familie verbinden. Sie ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in Gais. Von ihren Kollegen wird sie sehr gut akzeptiert. Sie habe aber auch schon Kommentare wie: «Was machst Du Türkin hinter dem Lastwagensteuer?», gehört.

Es waren aber nicht Schweizer, die das fragten. Von solchen Äusserungen lässt sich Ümi Jyüzec nicht entmutigen, denn mit ihrem Trucker zu fahren, empfindet sie als das Schönste überhaupt.

Sich mit 25 Jahren einen Traum erfüllt

Jasmin Schmitter sass bereits mit 25 Jahren hinter dem Lastwagensteuer. Vorher arbeitete sie in der Gastronomie, besuchte die Abendhandelsschule und schliesslich die dreijährige Lehre als Strassentransportfachfrau. Das ist der heutige Begriff für Chauffeuse. «Inspiriert hat mich mein Vater, der als Chauffeur arbeitet», sagt sie. Achteinhalb Jahre lang fuhr sie nach der Lehre schweizweit für die Emil Egger AG Stückgut und Schwertransporte mit Überbreite. Jasmin Schmitter sagt:

Den Respekt als Frau am Steuer muss man sich verdienen.

Als Frau werde sie viel mehr als ein Mann beobachtet, ob sie Du einen Fehler mache. Sie habe auch schon Kommentare wie: «Du hast keine Ahnung, was Du da tust», zu hören bekommen. Damit muss man als Frau lernen umzugehen. Bevorzugt behandelt wurde sie nie, und sie wollte es auch nicht. Wenn es nötig war, habe sie sich aber Hilfe geholt.

Seit Mai dieses Jahres arbeitet die in Widnau wohnende Jasmin Schmitter als Disponentin bei Sieber Transport in Berneck. «Mein Lebenspartner ist auch Lastwagenchauffeur und wir arbeiten beide in der gleichen Firma», sagt sie. Oft hätten sie sich die ganze Woche nicht gesehen, beide fuhren jeweils in eine andere Richtung. Heute haben sich ihre Prioritäten geändert. Sie arbeitet im Büro, er fährt Lastwagen und ist abends zu Hause.

Sollte Jasmin Schmitter das Fernweh packen, kann sie sich auch vorstellen, wieder auf der Strasse unterwegs zu sein.


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