Seraina HessWerner Kuster kommt am Freitagabend nicht ums Händeschütteln herum. Alle sind sie zur Buchpräsentation im Museum Prestegg erschienen, Juristen, Politiker, Behördenvertreter, Freunde und Familie – sogar Kantonsgerichtspräsident Patrick Guidon erwies Kuster die Ehre. Es ist ein Abend, der zehn Jahre intensive Arbeit eines Historikers abschliesst. Der Verfasser ist zurecht stolz, als er die schweren, roten Einbände in den Händen hält. Unzählige Archive hat er nach Material durchsucht, nachdem er 2008 ein Konzept erstellt und sich in die Literatur eingelesen hatte: regionale, kantonale, schweizerische. Nach einer ersten Auswahl folgten Transkriptionen der Quellen, die er als wichtig einstufte, bis er 2012 ein Stückverzeichnis erstellen konnte. Die Kür, Einleitung, Kommentare und Einordnung, folgte zum Schluss.Gut lesbares wissenschaftliches WerkDie Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen ist eine Sammlung kritischer Editionen historischer Rechtsdokumente aus dem ganzen Land, zeitlich begrenzt vom Frühmittelalter bis 1798. Herausgeber ist die Rechtsquellenstiftung des Schweizerischen Juristenvereins. Wie Stiftungspräsident Lukas Gschwend an der Buchvorstellung erläuterte, sind in der Schweiz seit 1894 insgesamt 130 Bände erschienen, seit dem Millennium 38. «Werner Kusters Werk wird als Basis der weiteren Erforschung der Ostschweizer Rechtsgeschichte, aber auch jener der Geschichte des Rheintals dienen», unterstrich der Jurist die Bedeutung der Bücher.Rheintaler Rechtsquellen aus vier Jahrhunderten, das klingt nicht nur nach Fachliteratur für Wissenschaftler und Sammler – sie ist es auch. Allerdings seien die drei Bände dank der gelungenen Einleitung und Einordnungen auch für Interessierte, die nicht vom Fach sind, gut lesbar, versicherte Lukas Gschwend. Beispiele dafür lieferte der Altstätter Historiker und Verfasser der Bücher gleich selbst. So berichtete er beispielsweise über eine Gemeindepräsidenten-Konferenz in Berneck um 1703: vermutlich im heutigen Rathaus, wo einst eine Wirtschaft beheimatet war. Verhandelt wurde unter anderem, wie mit unehelichen Kindern zu verfahren sei, die im Erwachsenenalter verlangten, vollwertiges Mitglied des Hofes (Gemeinde) zu sein, nicht nur mit Pflichten, sondern auch mit allen dazugehörigen Rechten. Ein Auszug aus Kusters Transkription: «Weiters bring vor herr ammen Marx Rohner von Marpach, wie dz ihn ihrem hoff zwey uneheliche kinder erzüget worden. Jez, da sie manbahr seyen, begeheren sie also auch ein gemeinden theil sowoll alss andere eheliche gemeindegenossen.» Das Beispiel verdeutlicht die Funktion der Rechtsquellen-Geschichte: Sie ist nicht nur Fachliteratur, sondern ein Spiegel der Rheintaler Gesellschaft, des Zusammenlebens und der Werte im jeweiligen Zeitabschnitt.Der Dank gilt den Archiven der GemeindenEine tragende Rolle bei der Entstehung des Werkes kommt den Politischen Gemeinden und Ortsgemeinden zu. Nicht nur, weil sie das zehnjährige 700000-Franken-Projekt (ohne Buchdruck) mit 100000 Franken unterstützt haben. «Es ist ein Ehrentag für alle Rheintaler Korporationen, die ihre Urkunden behalten und die Entsorgung des Altpapiers missachtet haben», wie Kantonsrat Werner Ritter, Jurist und Vizepräsident der Museumsgesellschaft, treffend festhielt. Den zwölf Rheintaler Gemeinden kommt das Werk allerdings bald zugute. Es soll die Grundlage für eine neue «Geschichte des Rheintals» bilden – jene aus dem Jahr 1860 vernachlässige nämlich eine Bevölkerungsgruppe ganz besonders: die Frauen. In diesem nächsten Projekt, auf das man gespannt sein darf, wird Hauptverfasser Werner Kuster auch die Rheintalerinnen berücksichtigen.Hinweis«Die allgemeinen Rechtsquellen des Rheintals» sind beim Basler Schwabe Verlag erhältlich.