01.09.2022

«Dorfgemeinschaft muss organisch wachsen» - Menschen in St.Margrethen erzählen

Beim Redaktionswagen am Mittwochabend kam die Leserschaft aus St. Margrethen mit dem Zeitungsteam ins Gespräch. Bruno Bischofberger und Hans Haensler leben seit Jahrzehnten in der Gemeinde. Sie fragen sich, welche Veränderungen die rege Bautätigkeit in der Gemeinde mit sich bringen wird.

Von vdl, gb, ys
aktualisiert am 02.11.2022
«Der Anteil ausländischer Menschen im Dorf ist jetzt schon hoch», sagt Hans Haensler. Er befürchtet, dass dieser weiter wächst und es nicht mehr gelingen könnte, Zugezogene in die Dorfgemeinschaft einzubeziehen. Er hat aber auch eine Idee, wie die Integration gelingen könnte. «Es braucht mehr Anlässe im Dorf», sagt er. Der «Follmond» im Pärkli sei ein gutes Beispiel. Dort könne jede und jeder teilnehmen. Bruno Bischofberger hat als Lehrer jahrelang nie nennenswerte Probleme mit ausländischen Kindern gehabt. «Die Dorfgemeinschaft muss organisch wachsen», sagt er. «Und zwar mit den Jungen. Sie sind schon integriert.»Als Lehrer nicht willkommenGuido Schneider, pensionierter Lehrer und ehema­liger Präsident der Theater­gruppe Heldsberg, unterrichtete zeitlebens in St. Margrethen. Sein erstes Jahr verbrachte er jedoch in Altstätten. Hier unterrichtete er als katholischer Seklehrer an der damals beste­henden evangelischen Schule. Obschon der evangelische Pfarrer, der dem Schulrat angehörte, Guido Schneider gern auch nach dem ersten Jahr behalten hätte, sah sich der Lehrer zum Zügeln nach St. Margrethen veranlasst. Denn anders als der Pfarrer liessen viele Schulbürgerinnen und Schulbürger den Lehrer spüren, dass er als Katholik an ihrer evangelischen Schule nicht willkommen war. Schön, schön, SchönbergerSonja Schönberger war noch keine zwanzig, als sie im «Ochsen» im Service begann – mit einer Sonderbewilligung, wie sie erklärt. Nach ihrer dreieinhalbjährigen Tätigkeit im «Ochsen» widmete sie sich vornehmlich ihrer Familie. Die heute 93-Jährige hat jedoch im Laufe der Jahrzehnte in fast jeder St. Margrether Beiz im Service ausgeholfen. Im Alltag wird sie laufend daran erinnert, dass sie auf eine schöne Zeit zurückblickt. Denn die vom Schönenboden in Wildhaus stammende Sonja Schönberger wohnt in St. Margrethen «an der Schön­austrasse, in der Nähe des schönen Bodensees».Berliner in BerlinSeit 1967 lebt Klaus Schumann in St. Margrethen. Er stammt aber nicht von hier, sondern kommt aus Berlin. Das ist ihm zwar noch anzuhören, doch schon seit Jahrzehnten ist er Schweizer. Bei den Senioren der Männerriege turnt er fleissig mit. Als diese Turner sich vor 33 Jahren nach Berlin begaben, war eine Stadtbesichtigung mit dem Bus Teil des Programms. Ausgerechnet dem «einheimischen» Klaus Schumann blieb der Zutritt zunächst verwehrt. Die Fahrt sei einer Schweizer Gruppe vorbehalten, wurde ihm beschieden. Noch heute belustigt die Anekdote die Turner, die Klaus Schumann in Berlin natürlich nicht stehen liessen.«Märi» ist der FUN-PräsidentUnter den Gästen am Redaktionswagen weilte auch Markus Ritz. Im Dorf hört er auf den Namen «Märi» und er leitet den Verein, der wohl mit der grössten Kontinuität Ver­anstaltungen im Pärkli besucht oder sogar organisiert. Markus Ritz ist FUN-Präsident. Der Verein feierte erst vor wenigen Wochen den 15. Geburtstag von «Follmond im Park». «Bei uns treffen sich die Einheimischen und die Leute aus den Dörfern rundherum», sagt er. Und es schwingt ein gewisser Stolz mit. Man kann sich nämlich darauf verlassen, egal wie das Wetter ist, bei Vollmond trifft man im Pärkli immer jemanden an. Und es gibt immer etwas zu erleben, zu erzählen, zu essen und Fotos von vergangenen Vollmondnächten anzuschauen.Eselschwanz und EinkaufszentrumJemand warf die Frage auf, ob im Naturschutzgebiet Eselschwanz der Weg nicht mit feinerem Kies versehen werden könne. Bauverwalter Claudio Palecchi beantwortet die Frage so: Es sei auf verschiedene Nutzergruppen Rücksicht zu nehmen, aber in erster Linie solle der Eselschwanz ein Naturschutzgebiet sein. Gekiest werde jeweils im Frühjahr – und ja, dann werde feines Material verwendet. Im Gespräch mit Gemeindepräsident Reto Friedauer und Schulpräsident Roger Trösch kam die Erinnerung an die frühen Zeiten des Einkaufszentrums Rheinpark auf. Trösch konnte zwar nur beschränkt mitreden, denn im Eröffnungsjahr kam er zur Welt. Claudio Palecchis Vater Marcello führte damals die «Schmugglerstube», sozusagen eine Institution. Der Bauverwalter erklärte: «Fast jeder, der nun hier ist, war früher dort.»Körperlich sehr engagiertZehn Seniorenturner der Männerriege St. Margrethen waren pünktlich um 17 Uhr beim Redaktionswagen. In einer nahen Beiz hatten sie nach der (zweistündigen!) körperlichen Ertüchtigung eine Stunde auf die Eröffnung der Festwirtschaft beim Redaktionswagen gewartet. Unter den Gästen waren drei der vier Vorturner: Bruno Weber, Fredi Krüsi und Godi Tscharner, der seit 71 Jahren dem Turnverein angehört und sich seit 35 Jahren als Vorturner betätigt. Der administrative Leiter Hanspeter Son­deregger ist seit 1965 «Rheintaler»-Abonnent, und Guido Schumacher, der bei den Spie­-len als Schiedsrichter wirkt, erstaunte mit seiner ausgesprochenen Rüstigkeit: Der ehemalige Kunstturner wird nächstes Jahr neunzig. Zu seinem Wirken als interner Schiedsrichter und Schreiber meinte Kollege Bruno Weber: «Mer globet’s nöd immer, aber akzeptieret’s.»

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