Gert BrudererDie Nachricht aus dem Gemeindehaus lautet sinngemäss jedes Jahr gleich: Dank unerwartet hoher Steuereingänge habe man erfreulich positiv abgeschlossen. Das aktuell gemeldete Plus von 6,45 Mio. Franken gegenüber dem Budget fürs letzte Jahr entspricht einer Besserstellung um 36,4 Prozent. Im Jahr davor waren es rekordhohe 8,5 Mio. Franken Überschuss, und noch ein Jahr davor ebenfalls stolze 5,54 Mio. Franken. Mal hatten sich «ausserordentlich hohe Steuernachzahlungen aus früheren Jahren» besonders positiv ausgewirkt, ein andermal war von «signifikanten Nachzahlungen» die Rede.Einerseits hat Balgachs Bürgerschaft natürlich Grund zur Freude, weil die eigene Wohngemeinde den Anschein erweckt, eine ewig sprudelnde Geldquelle zu sein. Andererseits können sich Balgacherinnen und Balgacher fragen, ob ihr Gemeinderat sich beim Budgetieren so verhält, als wandelte er über rohe Eier.Budget nach eigenem Gusto erstellenDass Balgach mit seinem Steuerfuss von 72 Prozent im Kanton den ersten Platz belegt, hat speziell auf Gutverdienende anziehende Wirkung. Zuzüge sind beim Budgetieren teils zwar absehbar, doch die Potenz der neuen Steuerzahler ist zu diesem Zeitpunkt unbekannt. Dadurch wird zielgenaues Budgetieren zweifelsfrei erschwert. Doch die Erfahrungswerte zeigen mit den Jahren ein gewisses Muster. Zumal die Steuereingänge Jahr für Jahr die budgetierten Werte deutlich übertreffen, neigen auch Finanzfachleute ausserhalb des Dorfes zur Einschätzung, in Balgach würden die Gemeinde-Voranschläge gar allzu vorsichtig erstellt.Natürlich darf eine Gemeinde nicht mehr ausgeben, als sie verkraften kann. Doch davon abgesehen, ist es ihre Sache, wie sie budgetiert. Einschränkende Bestimmungen bestehen keine, der Gemeinderat ist nur der Bürgerschaft verpflichtet. Begnügt diese sich damit, enorme Ertragsüberschüsse erfreut zur Kenntnis zu nehmen, ist auch an übertriebener Vorsicht beim Budgetieren nichts auszusetzen.Gemeinden ticken nicht wie UnternehmenGenerell verfahren die Gemeinden anders als ein Unternehmen. Statt sich zunächst intensiv mit den Einnahmen zu befassen und dann zu sehen, was ausgabenseitig möglich ist, spielt in den Gemeinden der umgekehrte Mechanismus. Primär geht es darum, alle Ausgaben zu decken, von denen ja viele gebunden (also unumgänglich) sind. Entsprechend gross ist dabei die Versuchung, die zu erwartenden Einnahmen tief anzusetzen, um nicht neue Begehrlichkeiten zu wecken. Balgachs Gemeindepräsidentin Silvia Troxler verneint jedoch die Frage, ob erstens bewusst «tiefgestapelt» und zweitens bewusst vermieden werde, den Steuerwettbewerb bereits beim Budgetieren anzuheizen.Das Budget werde vom Gemeinderat aufgrund einer Lagebeurteilung und einer Einschätzung der zukünftigen Entwicklung festgelegt. Dies geschehe aufgrund der Fakten und Informationen, die zum Zeitpunkt des Budgetierens verfügbar seien, erklärt Silvia Troxler. Selbstverständlich werde auch die Entwicklung der letzten Jahre in die Überlegungen einbezogen. Faktoren wie Steuernachzahlungen aus früheren Jah-ren oder Grundstückgewinnsteuern würden sich allerdings nicht oder nur sehr schwer beurteilen lassen. «Der Vergleich über die letzten fünf Jahre zeigt, dass die massgebenden Steuereinnahmen jährlich erheblich und in einem nicht zu erwartenden Mass gestiegen sind», führt Troxler aus.«Kurzfristig keine grösseren Investitionen»Nicht nur aus Balgach, sondern auch aus anderen Gemeinden werden immer wieder hohe Überschüsse gemeldet. Balgach schwingt indessen obenaus. Hier ist im letzten Jahr, verbunden mit Kritik, ein Gegensatz behauptet worden: Das seit 2008 schuldenfreie Dorf sei einerseits zwar reich, habe jedoch recht viel Nachholbedarf bei der Infrastruktur, monierten Kritiker. Es kam sogar zu einer Kampfwahl ums Gemeindepräsidium, und das Gewerbe brachte seinen Wunsch nach mehr Gestaltungskraft und Mut zum Ausdruck.Derweil die FDP-Ortspartei gern vermehrt mit Kommissionen arbeiten und den Investitionszyklus erhöhen würde, meint die Präsidentin, dieser Zyklus hänge von der Umsetzungsreife der verschiedenen Projekte und Vorhaben ab, wie dies letzten Sommer schon ausführlich dargelegt worden sei. Balgachs Infrastruktur sei sehr gut unterhalten, weshalb mit Ausnahme der bekannten grossen Projekte und Vorhaben wie etwa dem Hochwasserschutz oder dem Wohnen im Alter kurzfristig keine grösseren Investitionen anstehen würden. Im Übrigen hätten Investitionen keinen direkten kurzfristigen Einfluss auf die Erfolgsrechnung.Die Frage, die wahrscheinlich mehr beschäftigt als das Budgetieren, lautet: Was macht Balgach mit dem vielen Geld? An Steuern auf Vorrat ist kaum jemand interessiert. Schon im Jahr 2015 wurde an der Bürgerversammlung Unmut über das schon damals dicke finanzielle Polster geäussert. Silvia Trox-ler entgegnete dem damaligen FDP-Vizepräsidenten Egzon Zhuta nebenher, das Ziel des Gemeinderats sei es, eine möglichst hohe Budgetgenauigkeit zu erreichen; eine Punktlandung sei aber nicht möglich.Künftig keine separate Budgetgemeinde mehrAn der gleichen Versammlung wurde der Wunsch vorgebracht, «zum alten, bewährten System zurückzukehren» und künftig wieder im Frühjahr (an der ordentlichen Bürgerversammlung) übers Budget abzustimmen.Die Gemeindepräsidentin bat darum, zunächst drei Jahre Erfahrungen mit dem neuen System sammeln zu können. Gegen ihren Willen vollzog die Bürgerschaft im letzten Jahr den Schritt.Ob dies ein genaueres Budget zur Folge hat? Silvia Troxler meint, in den letzten Jahren hätten auch Gemeinden ohne Aufteilung der Bürgerversammlung in Rechnungs- und Budgetgemeinde jeweils hohe Ertragsüberschüsse ausgewiesen.Wie fast in jedem Jahr wird der Steuerfuss in Balgach wohl wieder zu reden geben. Wie weit kann oder soll er noch sinken? Soll es eine Untergrenze geben? Zu diesen Fragen mag die Gemeindepräsidentin sich auf Anfrage nicht äussern.