11.03.2021

«Do hät’s de Knull tue»

Velohändler Beda Frei spürte den Velo-Boom im Coronasommer – aber auch Probleme.

Von Yves Solenthaler
aktualisiert am 03.11.2022
Sein Vater hat vor über 35 Jahren das Geschäft «Radsport Frei» an der Hauptstrasse gegründet, 1993 ist Beda Frei eingestiegen. Vorher hatte er bei Stadler eine Mechaniker-Lehre absolviert und sich danach zum Velomechaniker weitergebildet. Seit 2007 ist er alleiniger Inhaber von «Radsport Frei». Beda Frei feiert in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag, er ist verheiratet und Vater von drei inzwischen erwachsenen Kindern; vor acht Monaten ist er Opa geworden.Erste WelleMit dem Lockdown Mitte März musste Beda Frei den Laden schliessen: «Da hatte ich ein paar schlaflose Nächte, wir hatten an die 300 Velos im Haus, die wir nicht verkaufen konnten – aber schon bezahlt hatten.» Zu Zeiten der Drei- und Fünfgänger kostete ein Drahtesel wenige hundert Franken, jetzt sind es für ein E-Bike 3000 Fr. und mehr. Im April signalisierte der Verband der Schweizer Velohändler, dass der Verkauf im Aussenbereich möglich sei: «Immerhin verkauften wir so hie und da ein Velo – es war aber nicht dasselbe wie der Verkauf im Laden, weil die Beratung nur eingeschränkt möglich war», sagt Beda Frei.Es sei eine depperte Situation gewesen: «Die Leute wollten Velos kaufen, weil der Winter 2019/20 sehr mild gewesen ist, gleichzeitig schickte ich eine Verkäuferin in Kurzarbeit bzw. ins Homeoffice. Dennoch kamen extrem viele Anfragen über E-Mail und Telefon.» Das sei sehr mühsam gewesen: «Ich habe dem Mechaniker Denis Sediji in der gut laufenden Werkstatt helfen müssen und gleichzeitig den Laden geschmissen.» Über allem stand die dauernde Ungewissheit.ZwischenzeitIm Mai wurden die Massnahmen gelockert, Frei konnte den Laden wieder öffnen: «Do hät’s de Knull tue», so der Auer, «die Leute strömten in den Laden.» Er spürte das Verlangen der Menschen, sich wieder zu bewegen, die Schliessung der Grenzen brachte ihm, dessen Laden einen Steinwurf von Österreich entfernt liegt, neue Kunden ein. Die Fahrräder gingen weg wie warme Semmel, freilich nur so lange, wie er Velos anzubieten hatte. Denn die Lager der Lieferanten waren leer, fast alle Ersatzteile kommen aus Asien und wurden nicht mehr angeliefert. Viele Kunden hätten nicht verstanden, dass keine Velos mehr vorrätig waren: «Viele sagten: ‹Du konntest ja lange nicht verkaufen.› Es war kaum bekannt, dass wir draussen geöffnet hatten.» Der Lockdown habe die Menschen ruhiger, nachdenklicher gemacht. Nachher sei aber sofort wieder die Hektik der Vor-Corona-Zeit ausgebrochen.Beda Frei hielt Ausschau nach Velos, wählte teilweise auch neue Lieferanten. Viel konnte er aber nicht zusammenkratzen: «Ich musste Kundinnen und Kunden auf nächstes Jahr vertrösten.» Die Kunden mussten die langen Lieferfristen akzeptieren, denn den anderen Velohändlern ging es gleich: «Ich bekam Anfragen aus der Westschweiz, weil jemand auf meiner Homepage ein Velo entdeckte.»Die Werkstatt war ausgelastet. «Die Velo-Mobilität in der Schweiz stieg letztes Jahr um 175 %, da ging auch einiges am Gerät kaputt», sagt Beda Frei. Allerdings sei der Reparaturbedarf nicht viel grösser als 2018 und 2019 gewesen, damals hatte die E-Bike-Aktion für SFS-Mitarbeiter, an der «Radsport Frei» beteiligt ist, die Auslastung der Werkstatt begünstigt: «Wir hatten innerhalb dieser Aktion über 600 E-Bikes zusammengeschraubt.»Zweite Welle«Im Sommer hatte ich die Vor-Order geschrieben, also die Velos für 2021 bestellt – das schien zu klappen wie üblich», sagt Beda Frei. Normalerweise kämen die Velos im Oktober/November: «Aber dann kamen die Velos nicht – bis jetzt warte ich auf meine Bestellung vom letzten Sommer», sagt der Velohändler, «vermutlich erhalte ich die meisten Modelle erst im nächsten Herbst.» Während der Coronazeit konnten in Asien nicht die Massen produziert werden, nach denen der europäische Markt dürstet. Umso mehr, weil die Velohändler mehr bestellt hatten als im letzten Jahr, denn ihre Lager sind leer und gleichzeitig warten viele Kunden noch auf ihre Zweiräder, die sie letzten Sommer bestellt hatten. «Die Lieferkette hat sich um ein Dreivierteljahr verschoben, es wird wohl Jahre dauern, bis sich das wieder einrenkt», befürchtet Beda Frei.Die zweite erzwungene Ladenschliessung Ende Oktober war weniger einschneidend: «Das ist saisonal bedingt, zumal wir einen strengen Winter hatten», erklärt Beda Frei. Das Geschäft mit den Velos läuft nur in der warmen Jahreszeit, das war schon vor Corona so.AusblickLetzte Woche konnte Beda Frei den Laden wieder öffnen – rechtzeitig zum Beginn der Velosaison. Aber in seinem Laden stehen vor allem Reparaturvelos. Die Nachfrage nach Velos dürfte hoch bleiben, es gibt ja auch ökologische und gesundheitliche Gründe fürs Fahrrad. Beda Frei hofft zudem, dass die Vorliebe fürs lokale Geschäft anhält, vermutet es aber nicht: «Kaum waren die Grenzen wieder geöffnet, war der Einkaufstourismus fast grösser als vor der Pandemie.»«Ich habe zu Beginn, als ich noch mit dem Vater geschäftete, den Mountainbike-Boom erlebt, das war eine gute Zeit», erinnert sich Beda Frei. Später sei die Konkurrenz durch den Online-Verkauf grösser geworden und der Euro-Tourismus habe Kunden abspenstig gemacht. «Wer Freude am Velo hat, wird sich auch durch Corona nicht in die Knie zwingen lassen», sagt Beda Frei.Unsere Serie zeichnet chronologisch nach, was sich für die Menschen aus der Region in den einzelnen Phasen der Pandemie verändert hat.

Abo Aktion schliessen
News aus der Region?

Alle Geschichten, alle Bilder

... für nur 12 Franken im Monat oder 132 Franken im Jahr.