So ein Spiel durfte man erwarten: Die eine Mannschaft selbstsicher, kämpferisch, konzentriert, die andere verunsichert, mutlos, fehlerhaft. Nur: Die Rollenverteilung stimmt an diesem Nachmittag in Diepoldsau so gar nicht.
Selbstsicher und kämpferisch, das gilt für den Gast aus Rüthi, der als Zweitletzter angetreten war, mit acht Niederlagen nach zehn Spielen, der in der Tabelle 14 Punkte hinter Diepoldsau-Schmitter rangiert. Er war hier der Aussenseiter, eigentlich chancenlos. Und dann liefert Rüthi eine solide Leistung ab und siegt diskussionslos.
Unglücklicher Start führt zu frühem Rückstand
Der Blick auf das andere Team, den FC Diepoldsau-Schmitter, zeigt einen unglücklichen Start. Sandro Sonderegger wird im Strafraum gestossen, er fällt und berührt den Ball mit der Hand. Der Schiedsrichter gibt Elfmeter, Diepoldsau liegt nach vier Minuten 0:1 hinten. Kurz darauf korrigiert Sonderegger sein Missgeschick. Mit einem perfekten weiten Pass setzt er Ogün Hot ein, der allein vors Tor kommt. Aber der Goalgetter schiesst darüber. Der Leidensweg der Platzherren endet später mit einem unerwarteten und schmerzlichen Ergebnis.
Sonderegger und Hot kennen sich aus Widnauer Zeiten, sie sind Kollegen. Das sieht man vor dem Match beim Einmarsch. Alle Spieler in Einerkolonne, nur Sandro und Ogün gehen nebeneinander. Das sieht man im Spiel, wenn Verteidiger Sandro Stürmer Ogün immer wieder einzusetzen versucht. Diesmal ohne Erfolg. Sandro sagt:
Rüthi wollte den Sieg mehr als wir. Wir kamen immer einen Schritt zu spät.
Ogün ergänzt: «Wir waren nicht bereit. Schon oft haben wir einen Rückstand wettgemacht, diesmal nicht, weil wir keinen Druck entwickeln konnten.»
Das letzte Spiel vor der Winterpause passt nicht ins Bild, das Diepoldsau-Schmitter in der Vorrunde abgegeben hat: Sechs Siege und zwei Unentschieden, Platz vier mit 20 Punkten im vorderen Mittelfeld. Erfreulich. Und das Spiel passt auch nicht ins Bild von Ogün Hot, der mit seinen Toren mehr als einmal Punkte gesichert hat.
Hot war oft verletzt, er hat aber nie aufgegeben
Ogün Hot kommt 1992 in Rorschach zur Welt, ist Einzelkind türkischer Eltern, er wächst in Widnau auf, macht zuerst eine Lehre als Sanitär-Monteur, dann eine zweite im KV, arbeitet heute bei MEAS Win Technique AG in Salez und bezieht bald mit seiner Freundin Laura Palmone eine gemeinsame Wohnung.
Fussball spielt er bei Widnau, am liebsten als Stürmer. Dort kommt er als Junger bald einmal in der 2. Liga interregional zum Einsatz, aber «nur» als Verteidiger. Später versucht er es bei Vaduz, aber es reicht nicht für die erste Mannschaft. So kehrt er nach Widnau zurück und entwickelt sich zum Stammspieler – wieder nicht als Stürmer, sondern als Aussenverteidiger.
Wenn er nicht verletzt ist. Wegen einer Schulter- und zwei Bänderverletzungen fällt er oft aus, einmal für fast zwei Jahre. Aber er gibt nicht auf, ist Dauergast im Fitnesscenter und kämpft sich immer wieder zurück. Er will Fussball spielen. Er will stürmen.
Stammspieler ist er jetzt auch – im Sturm
So kommt Ogün Hot 2019 zum FC Diepoldsau-Schmitter. Da darf er stürmen. Nach dem Abgang von Sahin Irisme zu Altstätten ist der Platz ganz vorne frei. Hot sagt:
Ich bin Teil eines guten Teams. Die Chemie stimmt.
In dieser Saison hat er bereits wieder neun Tore erzielt, in der letzten waren es 17. Trainer Patrik Riklin freut sich, ihn im Team zu haben.
Er ist ein guter Typ, arbeitet akribisch und geht immer an seine Grenzen, im Spiel und im Training. Ich muss ihn manchmal bremsen.
Er sei mannschaftsdienlicher geworden, helfe auch defensiv mit. Und bei Diepoldsau dürfe er stürmen. «Das tut ihm gut.»
Das ist eine schöne Aussage. Aber das ganz grosse Kompliment macht ihm die Statistik. Ogün Hot hat sein Leben lang Fussball gespielt, immer mit Leidenschaft, immer mit Einsatz – und immer fair. Die rote Karte wurde ihm nie gezeigt. Dreimal wurde er verwarnt. Nur dreimal in seinem langen Fussballleben.