10.02.2021

Dieses Jahr ganz «ohni Sprotz»

Nach einer heftigen Coronaerkrankung bringt Pius Gschwend wenigstens einen Hauch von Fasnacht ins Städtli.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Eine Woche vor dem Schmutzigen Donnerstag spazierte der Altstätter durch Markt-, Ober- und Engelgasse und stellte fest: Kein Schaufenster deutet darauf hin, dass Fasnacht wäre, hätte die Pandemie nicht zur Absage aller Umzüge und Anlässe geführt.Um kein völlig fasnachtsfreies Städtli zu haben, hat der 67-Jährige kurzerhand sein eigenes Schaufenster bei der Fahrschule mit Röllelibutzenhüten und anderem Zubehör dekoriert. Dieser «Mini-Ersatz» ermögliche es Interessierten, sich einmal in aller Ruhe zwei prächtige Butzenhüte anzusehen, von ganz nahe und auf Augenhöhe – und «ohni en Sprotz öberzcho». Schliesslich sind dieses Jahr alle Wasserspritzen der Röllelibutzen ausser Betrieb.Im Spital Grabs im künstlichen KomaPius Gschwend hat eine harte Zeit hinter sich. Als Coronapatient verbrachte er fast sieben Wochen auswärts und ist sozusagen «frisch entlassen». Einem Aufenthalt im Altstätter Spital folgte die notfallmässige Verlegung ins Grabser Spital, wo der frühere Röllelibutz auf der Intensivstation im künstlichen Koma lag. Später folgte ein Aufenthalt im Rehabilitationszentrum Walenstadtberg.Was er erlebt habe, sagt Pius Gschwend, sei viel schlimmer gewesen, als er es sich je vorgestellt hätte. Kein Wunder, empfängt er den Journalisten sogar vor dem Haus mit einer Schutzmaske, die höheren Ansprüchen genügt.Die Röllelibutzen, bekannt für ihren historisch belegten Widerstand gegen die Obrigkeit, dürften mehr als andere darunter leiden, derzeit einer nicht erforschten Macht ausgeliefert zu sein. Statt lustvoll andere mit dem Fasnachtsvirus zu infizieren, haben die Butzen sich nun selbst vor einem Virus in Acht zu nehmen.Ein grosses Erlebnis war der Aufenthalt in AmerikaPius Gschwend war schon mit fünf Jahren Röllelibutz und blieb es über ein halbes Jahrhundert, allerdings mit Unterbrüchen. Als die Butzen ihr 75-Jahre-Jubiläum feierten, gehörte er dem OK an. Fürs grosse Festspiel erledigte er alles Administrative. In Erinnerung behält er auch das 100-Jahre-Jubiläum, das er als Privatperson erlebte, und den grossen Auftritt in Amerika: 1990 verbrachten gut dreissig Vereinsmitglieder zehn Tage in Milwaukee, wo sie an der «City of Festivals Parade» teilnahmen und mehrere Auftritte hatten.Als leidenschaftlicher Fasnächtler, der sich noch heute gern ins Gewühl stürzt, ist Pius Gschwend gut ausgerüstet. Mit seinen Butzenhüten und Kostümen könnte er leicht eine Familie ausstatten. Den Röllelibutzen ist er auch deshalb besonders verbunden, weil das einst von den Eltern geführte Restaurant Klostermühle das Stammlokal der Butzen war, auch noch zu Nachfolger Fredi Büchels Zeiten.Das Dienstagstreiben vermisst er speziellBesonders wird Pius Gschwend das fasnächtliche Treiben am Fasnachtsdienstag vermissen. Dann haben jeweils die Röllelibutzen ihren besonderen Tag, mit dem Röllelibutzenumzug, der Polonaise am Nachmittag sowie der Abendpolonaise. Es ist jeweils der Fasnachtsabschluss, und am nächsten Tag wird aufgeräumt. Dass diese Arbeit diesmal ausbleibt, dürfte allgemein bedauert werden.

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