13.02.2020

Dieses Haus dürfte so nicht stehen

Herbert Huser ist Architekt und wollte 2016 St.Galler Baudirektor werden. Sein eigenes Haus in Eichberg baute er im gleichen Jahr nicht gesetzeskonform. Nun hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass er einen Bau in der Umgebung abbrechen muss.

Von Marcel Elsener
aktualisiert am 03.11.2022
Knapp zwei Millionen Franken kostet das Haus am Rand der Gemeinde Eichberg, Baujahr 2016, eine «moderne Oase mitten in der Natur mit absoluter Privatsphäre», wie die Immobilienfirma Engel & Völkers in der Anzeige schreibt. «An einer sensationellen Lage mit einer unverbaubaren Weitsicht auf das Rheintal.» Grosszügig nicht nur der Wohntrakt, sondern auch der Garten, und der Untergrund mit Weinkeller und Indoor-Golfanlage nicht zu verachten.Die Oase hat jedoch einen Haken: Der betonierte Platz bei der benachbarten Remise muss abgebrochen werden, möglicherweise muss ein Teil des Hausgartens wieder weg. Der Grund ist ein jahrelanger Rechtsstreit, der vom St.Galler Verwaltungsgericht nun entschieden worden ist. Demnach sei der bereits befestigte Auslauf für die Alpakas der Hauseigentümer zurückzubauen und müssten ein nicht bewilligter Zaun sowie die Umgebungsgestaltung baurechtlich geprüft werden.Das Bauvorhaben zweier SVP-KantonsratskollegenEs geht um das Einfamilienhaus des Rheintaler Architekten Herbert Huser, bis 2016 Kantonsrat und Präsident der St.Galler SVP. Huser hat das Haus zusammen mit seiner Frau in besagtem Jahr bezogen. Streitigkeiten in dem von ihm erstellten «Wohnpark Sonnenzeit» in Altstätten, wo er zuvor wohnte, dürften ihm den Umzug in die Nachbargemeinde leichter gemacht haben.Der schöne Fleck gehörte zum Landwirtschaftsboden von Parteikollege und Kantonsrat Walter Freund, der den Heiterhof betreibt. Im Dezember 2014 ersucht Freund um Bewilligung zum Abbruch und Wiederaufbau seines seit Jahrzehnten unbewohnten Wohn- und Ökonomiegebäudes – und um Entlassung des Grundstücks aus dem bäuerlichen Bodenrecht. Die zuständigen Behörden von Gemeinde und Kanton, das Amt für Raumentwicklung und Geoinformation (Areg) und das Landwirtschaftsamt, erteilen grünes Licht; zudem stimmt das Areg der Umnutzung der Remise als Abstellraum zu. Kaum hat Bauer Freund den Hürdenlauf durch die Amtsstuben absolviert, verkauft er das Grundstück an die Husers, die nun das von ihnen geplante Bauprojekt realisieren können.Nachträgliche Gesuche und hartnäckige BeschwerdenEin bewilligter Neubau, der in der Region Stirnrunzeln verursacht, zumal er auf einer früheren landwirtschaftlichen Parzelle steht. 2015 ist die Praxis in der Abteilung Bauen ausserhalb der Bauzone noch lockerer als heute, die Messlatte bei der Beurteilung der «Wesensgleichheit» noch nicht so hoch. Die Anforderungen an Ersatzbauten von Bauernhäusern sollten aufgrund von Rechtsmittelentscheiden erst in den folgenden Jahren geschärft werden – und sind nach wie vor oft umstritten.Der Streit betrifft ein späteres Baugesuch: Am 29. Februar 2016 ersuchen Husers um nachträgliche Bewilligung zur Umnutzung der Remise für die hobbymässige Haltung von Alpakas, mit einem Stall im Erd- und Materiallager im Obergeschoss, sowie für den betonierten Vorplatz. Das Datum ist pikant: Es ist der Montag nach den kantonalen Wahlen. Herbert Huser hat als Regierungskandidat das schlechteste Ergebnis aller Kandidierenden erzielt. Und er ist in seinem Wahlkreis Rheintal auch noch als Kantonsrat abgewählt worden. Der SVP-Präsident, der Regierungsrat respektive Baudirektor werden wollte, steht am Ende seiner politischen Karriere. Der Denkzettel der Stimmbürgerschaft entspricht den Vorwürfen, die vor der Wahl in geballter Sammlung publik geworden sind: Sie gelten Husers fragwürdigem Geschäftsgebaren und grenzwertigem Umgang mit Vorschriften, wenn er eigene Projekte durchboxen will.Wie zum Beweis reizt er die baurechtlichen Verfahren auch in eigener Wohnsache bis zum Äussersten aus. Zwar wird ihm ein zweites nachträgliches Baugesuch für die Umgebungsgestaltung bewilligt, doch bei Remise und Vorplatz verweigert das Areg die Zustimmung und fordert bei der Gemeinde die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes. «Keine Ausnahme», heisst es beim Kanton. Es bleibt dabei, als Huser gegen die Verfügung Eichbergs beim St.Galler Baudepartement Rekurs erhebt: Baudirektor Marc Mächler (FDP) weist das Begehren Ende Februar 2019 zurück.Verwaltungsgericht kritisiert kantonale BaubehördenDas Verwaltungsgericht unter Abteilungspräsident Stefan Zürn (SVP) stützt nun diesen Entscheid und geht noch einen Schritt weiter: Es mahnt in seiner Begründung die erteilten Bewilligungen der kantonalen Baubehörden an. Wenn die Beschwerdeführer 2014 die schlechte Bausubstanz des Bauernhauses und das kaputte Dach anführten, hätte die Baubewilligung «schon aus diesem Grund verweigert werden müssen», hält das Gericht fest. «Entscheidend ist aber, dass das entgegen den Ausführungen des Areg nicht nur erreicht, sondern längst überschritten ist.»Kommt dazu, dass das bewilligte Wohnhaus «mit Ausnahme der Gebäudeform keinerlei Ähnlichkeiten» mit dem abgebrochenen Haus habe. Die radikalen Änderungen am Erscheinungsbild seien mit keinem Grund zu rechtfertigen. Ausserdem seien «entgegen der Visualisierung und den Beteuerungen aus dem Bewilligungsverfahren» Stein- oder Kiesbeete, ein massiver Autounterstand aus Sichtbeton mitsamt Stützmauer, Mistplatte und grossem Vorplatz erstellt worden, wo mehrheitlich «Naturwiese bis ans Haus reichend» deklariert wurde.Ohne Bewilligung gebaut wurden der streitige Tierauslauf sowie – «rund um das Grundstück und sogar noch darüber hinaus» – ein Koppelsystem aus hohen Maschendrahtzäunen, führt das Gericht aus. Gesamthaft betrachtet könne «von Wahrung der Identität keine Rede sein»; Wohnhaus und Umgebung hätten mit dem ursprünglichen Bauernhaus «nichts mehr gemein», und die vorher «klar ersichtliche Unterscheidung zwischen dem Nichtbaugebiet und der angrenzenden Bauzone ist durch die zahlreichen Änderungen und Erweiterungen zur Unkenntlichkeit verwischt worden».Verwaltungsgericht beharrt auf Rechtsgleichheit19 Seiten umfasst der im November publizierte Entscheid – und alles wegen eines Vorplatzes, der abgebrochen werden muss? Freilich geht das Verwaltungsgericht auf die Verhältnismässigkeit ein. Ein Abbruch könne unterbleiben, stellt es fest, wenn dieser nicht im öffentlichen Interesse liege, wenn die Abweichung von den Bauvorschriften nur geringfügig sei, oder wenn die berührten öffentlichen Interessen den Schaden, der einem Eigentümer erwächst, in keiner Weise zu rechtfertigen vermögen. Auf die Verhältnismässigkeit könne sich auch der «bösgläubige Bauherr» berufen. Er müsse aber in Kauf nehmen, dass die Behörden «aus grundsätzlichen Erwägungen, namentlich zum Schutz der Rechtsgleichheit und der baurechtlichen Ordnung, dem Interesse an der Wiederherstellung des gesetzmässigen Zustandes erhöhtes Gewicht beimessen».Der angefochtene Entscheid entspreche diesen Grundsätzen, befindet das Dreiergremium des Verwaltungsgerichts mit Abteilungsleiter Zürn. «Werden illegal errichtete Bauten und Anlagen auf unabsehbare Zeit geduldet, wird rechtswidriges Verhalten belohnt», stellt es fest. Der Rückbau liege im öffentlichen Interesse und sei zumutbar, zumal von «bösem Glauben» auszugehen sei. Wörtlich heisst es: «Die Beschwerdeführer sind mit den restriktiven Anforderungen an das Bauen ausserhalb der Bauzone bestens vertraut.» Mit anderen Worten: Herbert Huser ist einer, der es wissen muss – fachlich, baurechtlich und politisch. Er ist Architekt und Bauberater und war damals auch Präsident der vorberatenden Kommission für das neue St.Galler Planungs- und Baugesetz.Gemeinde muss sich über das Vorgehen zuerst kundig machenDer Ball liegt nun bei der Gemeinde, die für die sogenannte Ersatzvornahme zuständig ist. Man habe Huser im Spätherbst angeschrieben und bis Januar Zeit gegeben, sagt Gemeindepräsident Alex Arnold, bislang aber keine Reaktion erhalten. «Wir gehen davon aus, dass der Entscheid rechtskräftig ist und er zurückbauen muss.» Nun werde man ein zweites Schreiben schicken. Wenn Huser, der im Winter meist länger in Spanien weilt, weiterhin nicht reagiere, müsse sich die Gemeinde kundig machen. «Wir haben im Haus das Wissen nicht, wie man da juristisch korrekt vorgeht», sagt Arnold. Zwar habe er in seiner siebenjährigen Zeit als Gemeindepräsident vielleicht drei, vier Fälle von beanstandeten Bauten erlebt, aber das Grundstück Huser sei ein «Spezialfall».Arnold, einst erster Exekutivpolitiker der Piraten, 2014 zur CVP gewechselt, weist eine Rücksichtnahme aufgrund bekanntschaftlicher Verbindungen im Dorf zurück. Vielmehr werde man nebst dem Rückbau wie gefordert auch die Umgebungsgestaltung vertieft prüfen. «Rund ums Haus müsste ja fast alles grün sein.» Der bemerkenswerte Entscheid des Verwaltungsgericht bestätige die in der Gemeinde selber als fragwürdig empfundenen Vorgänge, meint Arnold: «Auch wir staunten, dass das Baugesuch damals vom Kanton bewilligt wurde. Eigentlich ist bei einem morschen, leer stehenden Bauernhaus irgendwann kein Ersatzbau mehr möglich.» Der Kanton könne «nicht stolz sein» über diese Baugeschichte.Und was meint Huser selber zur leidigen Sache? Dem Vernehmen nach wohnt er nicht mehr in Eichberg, sondern in einer Wohnung in einer Unterrheintaler Gemeinde. Bricht er die Betonplatte und allenfalls weitere Umgebungselemente bald ab? Oder überlässt er sie dem Käufer seiner Liegenschaft? Die Nachfrage bleibt ohne Antwort.An Interessenten für die 1,98 Millionen-Villa dürfte es nicht mangeln. Ihr Trumpf ist die modern-urbane Architektur in landwirtschaftlicher Umgebung. Wer hier wohnt, steht mit einem Fuss in der bäuerlichen Schweiz: Der Heiterhof bietet nebst eigener Mosterei und Brennerei eine besondere Attraktion – Schlafen im Stroh. 

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