01.02.2022

Diese Frauen wissen, wie man am besten auf kleinstem Raum wohnt

Melanie Stüdli und Livia Niederer aus Altstätten beschäftigten sich mit Tiny Houses und stehen nun im «Jugend forscht»-Final.

Von Benjamin Schmid
aktualisiert am 02.11.2022
Die Idee für die Abschlussarbeit an der Berufsschule BZB Buchs entwickelten die Altstätterinnen Livia Niederer und Melanie Stüdli während der Lehre zur Zeichnerin Fachrichtung Architektur. «Da das Bauland immer knapper wird und die Preise stetig steigen, haben wir uns nach alternativen Wohnformen umgeschaut», sagt Livia Niederer. Melanie Stüdli ergänzt: «Dabei sind wir auf das Tiny House gestossen – die umweltfreundliche und zukunftsorientierte Wohnung.»Möglichst komplexe und genaue DokumentationEnde August letzten Jahres haben die beiden Frauen mit ihrem Projekt begonnen. Seither hätten sie sehr viele Stunden investiert. «Uns war es wichtig, dass sich das Ergebnis sehen lässt und sich der Aufwand lohnt», sagt die 20-jährige Melanie Stüdli. Ihre 19-jährige Freundin Livia Niederer fügt an: «Unser Ziel war es, von Anfang an eine möglichst komplexe und genaue Dokumentation zu verfassen, und das ist uns gelungen.» Für die Arbeit, die mit Bestnoten bewertet wurde, haben sie ein Tiny House geplant. Eine Umsetzung sei vorderhand nicht angedacht.Um sich einen Überblick zu verschaffen und in Erfahrung zu bringen, wie die Tiny-House-Bewegung entstanden war, informierten sich die Alstätterinnen im Internet, in Büchern und Zeitschriften. Das erworbene Wissen über Konstruktion, Baumaterialien, erneuerbare Energien und autarke Anlagen hätten sie im Bereich Entwurf und Gestaltung in die Tat umgesetzt. Auch wenn es eine rein theoretische Arbeit war, könne ihr Selbstversuch im Fiechtehüsli in Huttwil als Praxisbezug gewertet werden, der ihnen sehr viel Spass bereitet hat.Geringe Wohnflächeals HauptmerkmalEine einheitliche Definition für ein Tiny House gebe es nicht, da diverse Grundformen und Standorte möglich seien. «Es gibt Tiny Houses auf Rädern, mit festem Standort, Baumhäuser, umgebaute Vans und vieles mehr», sagt Melanie Stüdli. Sie können auf bereits bebauten Grundstücken stehen, um den Platz besser auszunützen. Es gibt aber auch Tiny-House-Siedlungen wie in Altstätten auf dem ehemaligen Areal der Gärtnerei Müller. «Das Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft», sagt Livia Niederer. Je nach Land, Geografie und Kultur existieren verschiedene Arten von Kleinsthäusern. Die geringe Wohnfläche sei das Hauptmerkmal, das alle Mikrohäuser gemeinsam haben. Sie zeichnen sich durch ihre Einfachheit und Klarheit aus. Der Grundriss ist auf das Wesentliche beschränkt. Trotzdem entstehen mit durchdachten Lösungen genügend Stauraum und Wohnfläche, um die Bedürfnisse der Menschen zu erfüllen. Noch gebe es wenige gesetzliche Grundlagen für die kleinste Form von Wohngebäuden, weshalb deren Umsetzung mit viel Aufwand verbunden sei und nur selten zum gewünschten Erfolg führe. Dennoch glauben die beiden Frauen, dass der Trend, in einem Tiny House zu leben, nicht so schnell verschwinden wird. «Wir sehen das Potenzial von Tiny Houses vor allem darin, brachliegende Flächen zwischen Einfamilienhäusern zu nutzen», sagt Melanie Stüdli. «Es gibt verschiedene Gründe, warum sich Menschen entscheiden, in einem Tiny House zu leben», ergänzt Livia Niederer. «Während die einen mobil sein wollen und deshalb in einem Haus auf Rädern woh-nen, wollen andere nachhalti-ger leben.» Während eines dreitägigen Selbstversuchs lernten die jungen Frauen, mit weniger Platz auszukommen und ordentlicher zu sein. «Es war eine spannende Herausforderung», sagt Melanie Stüdli, «ein minimalistisches Leben kann sehr erfüllend sein.»Nebst finanziellen Gründen und wegen Platzmangel wählen Menschen das Tiny House aus persönlicher Überzeugung. Da sie weniger Wohnfläche zur Verfügung haben, verkleinere sich der ökologische Fussabdruck der Bewohnerinnen und Bewohner. Meist werde beim Bau von Kleinsthäusern auch auf wiederverwendbare und natürliche Baustoffe gesetzt. Darüber hinaus werde Regenwasser für die Toilettenspülung und Sonnenenergie als Heizung und Stromlieferant genutzt. Ein Tiny House lasse sich in jeder Konstruktion verwirklichen, aus ökologischer Sicht ergebe es Sinn, auf Holz zu setzen.Fürs Finale von «Schweizer Jugend forscht» qualifiziert«Unser Lehrer meinte, dass wir mit unserem Projekt gute Chancen hätten, bei ‹Schweizer Jugend forscht› weiterzukommen», sagt Livia Niederer. Vor dem Workshop von vorletzter Woche durften die Frauen an einem exklusiven Präsentationscoaching für Kandidatinnen und Kandidaten teilnehmen. Dieses half ihnen dabei, selbstsicherer vorzutragen. Mit Erfolg, schliesslich qualifizierten sie sich beim Workshop fürs Finale im April in Lugano. «Das gibt uns die Chance, das Thema bekannter zu machen und neue Erfahrungen zu sammeln», sagt Melanie Stüdli, und Livia Niederer ergänzt: «Wir sind stolz, dass wir uns qualifiziert haben und dass unser Projekt auf so viel Zustimmung stösst.»In erster Linie gehe es den Rheintalerinnen darum, dass ihr Projekt gut ankommt. Wenn sie es dann in die vordere Hälfte schafften, sei ihr Ziel erreicht. «Wir befinden uns in einer prägenden Zwischenphase in unserem Leben», sagt Melanie Stüdli. Die erste Ausbildung sei abgeschlossen, nun stünden viele Möglichkeiten offen. Während Melanie am liebsten einen Van ausbauen und mit diesem umherreisen möchte, hat Livia aktuell keine weiteren Projekte geplant: «Ausser vielleicht die Umgestaltung und Restaurierung meines ‹Tiny Balkons› in meiner ersten eigenen Wohnung.»

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