08.12.2021

Diepoldsauer Lässer AG übernimmt bei Saurer

Das Arboner Stickmaschinengeschäft von Saurer wechselt zum einzigen Weltmarktrivalen, der Franz Lässer AG in Diepoldsau.

Von Thomas Griesser Kym
aktualisiert am 02.11.2022
Saurer in Arbon, dieser einst stolze Schweizer Konzern, das hiess früher Lastwagen von Weltklasse, fabriziert am Bodensee. Allein hier beschäftigte Saurer in den 1960er-Jahren bis zu 4500 Mitarbeitende. Später stand Saurer für Textilmaschinen von Weltklasse. Darunter die Stickmaschinen, entwickelt und hergestellt am gleichen Standort im Oberthurgau.Saurer ist immer noch ein bedeutendes Unternehmen, es zählt 4200 Mitarbeitende weltweit. Doch seit 2013 gehört die Firma mehrheitlich der chinesischen Jinsheng-Gruppe, und per Ende 2019 wurde die Montage der Stickmaschinen an den Saurer-Standort im chinesischen Suzhou verlagert. Das kostete in Arbon drei Dutzend Arbeitsplätze, und verblieben sind hier deren 80. Diese verteilen sich auf die Saurer-Geschäftsleitung und auf weitere Gruppenfunktionen sowie auf das Saurer Technology Center inklusive Forschung & Entwicklung betreffend Automatisierung, IT, Sensoren und Stickmaschinen.Lässer kommt bei Saurer zum ZugDoch nun ist das traditionsreiche Kapitel der Stickmaschinen bei Saurer in Arbon bald ganz passé. Wie mehrere voneinander unabhängige Quellen aus dem Saurer-Umfeld bestätigen, wird der ganze Bereich der Saurer-Stickmaschinen an die weltweit einzige Konkurrentin bei Grossstickmaschinen verkauft, an die Franz Lässer AG in Diepoldsau. Betroffen sind demnach in Arbon 45 Mitarbeitende. Diese seien am vergangenen Donnerstag über das Vorhaben in Kenntnis gesetzt worden. Den Informationen zufolge soll die Transaktion gemäss Artikel 333 des Obligationenrechts (OR) über die Bühne gehen. Gemäss diesem Artikel können die Angestellten dem Übergang ih­res Arbeitsverhältnisses mit allen Rechten und Pflichten auf den neuen Arbeitgeber zustimmen. Oder dies ablehnen. Dann aber wird «das Arbeitsverhältnis auf den Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist aufgelöst». Zu respektieren ist auch der geltende Gesamtarbeitsvertrag (GAV). Das heisst aber auch:  Löhne beispielsweise sind nur insoweit geschützt, als dass etwa die Mindestlöhne gemäss GAV erfüllt werden müssen. Oder dass Lohndumping oder Lohndiskriminierung (unterschied­liche Löhne bei gleichwertiger Arbeit) verboten sind. Doch: Im Rahmen der Leitplanken des GAV wird der Lohn «zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmenden individuell vereinbart». Das bedeutet auch: Der Arbeitgeber könnte bei einem Angestellten mit einer Änderungskündigung eine Lohnreduktion erwirken. Ist eine solche Befürchtung im vorliegenden Fall begründet?Aus dem Saurer-Umfeld jedenfalls sind Stimmen zu hören, wonach Lässer möglicherweise weniger gute Löhne bezahle als Saurer. Dies, weil Lässer «sehr viele Grenzgänger» beschäftige. Zu Spitzenzeiten zählte das Unternehmen 220 Mitarbeitende, laut letzten verfügbaren Angaben von 2019 waren es dannzumal noch 170.Ein gutes Unternehmen, aber der DauerkonkurrentWie viele der 45 Saurer-Beschäftigten zu Lässer wechseln werden, ist momentan unklar. Klar ist aber: Saurer hat die Belegschaft in Arbon in der Vergangenheit schon reduziert. Bei einem beachtlichen Teil der übrig gebliebenen Mitarbeitenden handelt es sich um sehr langjährige und folglich ältere Angestellte. Diese dürften es sich zweimal überlegen, ob es in ihrem Alter klug ist, die Stelle zu verlieren. Wie ist im Saurer-Umfeld die Meinung über Lässer? Zum einen ist zu vernehmen, Lässer sei sicher ein gutes Unternehmen mit guten Produkten. Und der Wechsel des Arbeitsorts sei rein vom Pendeln her gesehen erträglich. Mit dem Auto ist der gut 33 Kilometer lange Weg zwischen Arbon und Diepoldsau im besten Fall in 25 Minuten zu schaffen. Zum anderen ist aber auch zu hören, die Saurer-Belegschaft habe mit ihren Stickmaschinen teils ein ganzes Arbeitsleben lang Lässer auf dem Weltmarkt bekämpft, und nun solle man ausgerechnet zu diesem Unternehmen wechseln, das man als Konkurrenten kenne und mit dem man sich in der Vergangenheit auch schon Patentstreitigkeiten vor Gericht geliefert hat.Lässer beruft sich auf «Geheimhaltung»Was sagen Saurer und Lässer über die geplante Transaktion? Saurer-Sprecher Peter Trinkl sagt lediglich, «ich kann Gerüchte so nicht kommentieren». Bei Lässer fragt die Angestellte, die das Telefon abnimmt, bei Philipp Lässer nach, im Familienunternehmen einer der fünf Vertreter der dritten Generation der Inhaberfamilie. Anschliessend richtet sie aus, die Firma Lässer habe in dieser Sache ei­ne «Geheimhaltungserklärung» unterzeichnet und könne sich vorläufig nicht darüber äussern.Dem Vernehmen nach ist die Ausarbeitung des Zeitplans der Transaktion auf der Zielgeraden. Sobald dieser fix ist und erforderliche Zustimmungen aller Gremien seitens Saurers und Jinshengs in China vorliegen, soll die Belegschaft erneut orientiert werden. Das könnte Anfang Januar der Fall sein. Anschliessend soll den Saurer-Beschäftigten in Arbon eine Frist von voraussichtlich drei Wochen eingeräumt werden. In dieser Zeit müssen sie sich entscheiden, ob sie ihren Arbeitsplatz zu Lässer nach Diepoldsau zügeln wollen oder nicht.Indirekt dürfte Saurers Ausstieg bei den Stickmaschinen auch mit den Problemen der beiden deutschen Saurer-Firmen zusammenhängen: Saurer Spinning Solutions war nach einem Umsatzeinbruch während der Pandemie in finanzielle Schieflage geraten, was wegen einer gemeinsamen Haftung für Schulden auch Saurer Technologies in Nöte brachte. Als Folge steckten die beiden Firmen ab Ende Juni in Insolvenzverfahren. Zur Problemlösung kündigte Saurer Mitte August die Verkäufe der Schlafhorst-Spulmaschinen von Saurer Spinning Solutions sowie der Komponentengeschäfte Accotex und Temco von Saurer Technologies an Rieter an. Die Transaktionen sind noch nicht abgeschlossen, laut Saurer-Sprecher Trinkl aber «auf gutem Weg».Forster Rohner stickt mit Saurer und mit LässerEine bedeutende Kundin Saurers und Lässers ist Forster Rohner. Der grösste Schweizer Stickereibetrieb mit Sitz St. Gallen pflegt laut Co-Geschäftsführer Emmanuel Forster mit beiden Anbietern «ein gutes und enges Verhältnis». Was, sollte es in Zukunft mit Lässer nur noch einen einzigen Hersteller von Grossstickmaschinen geben? Forster sieht einem solchen Szenario «gelassen» entgegen. Wichtig sei, dass man weiterhin zusammenarbeiten, Ideen einbringen und Feldtests durchführen könne. Er sagt auch: «Lässer ist eine Topfirma und sehr gut in der Entwicklung der Maschinen.» Dann sagt Forster aber auch: «Die Maschinen von Saurer und Lässer sind sich ähnlich, haben sich jedoch immer gut ergänzt. Insofern wäre es gut, wenn es weiterhin zwei Anbieter gäbe.» Entscheidend aber sei, dass Lässer die Maschinen weiterentwickle, und das werde, davon gehe er aus, auch so bleiben. 

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