20.10.2018

Diebe rauben Köppel Energie

Dreiste Diebe bringen ein Grossprojekt des Künstlers Silvan Köppel ins Wanken. Weil viel Material von seinem Lagerplatz gestohlen wurde, könnte seine «Gierige Giraffe» Modell bleiben müssen.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Gert BrudererDie Giraffe steht als stattliches Modell vor des Künstlers Haus in Mohren und überragt Köppel um mindestens einen halben Meter. In der Nähe ist eine gelbe Leiter an eine Buche gelehnt. So hoch wie diese Leiter, 16 Meter, soll die Gierige Giraffe werden, sofern Köppel wegen der unseligen Lücken im Lagerbestand nun nicht «zurückzubuchstabieren» hat.Letztes Grossprojekt war der EisenbaumFast zwei Jahrzehnte ist es her, dass Köppel seinen Civilization Tree, den Zivilisationsbaum, erschuf, der einst im Zentrum von Heerbrugg Aufsehen erregte und heute in Altstätten steht.Auch das neue Werk macht bereits in der Vorstellung Eindruck. Verstärkt wird die vorweggenommene Bewunderung durch die Absicht Köppels, seine Gierige Giraffe mit Holz zu füllen und es anzuzünden. Denn was wäre für die Gier ein besseres Symbol als Feuer?An den Geldbetrag, der für die Herstellung des eisernen Baumes aufzuwenden war, erinnert sich der Künstler noch genau. 89700 Franken habe er bezahlen müssen, Künstlerlohn nicht inbegriffen. Finanziell habe das Grosskunstwerk sich nur gelohnt, weil es den Blick auf Köppels Arbeit lenkte und schöne Aufträge zur Folge hatte.Mit der Giraffe müsse er angesichts des zu erwartenden finanziellen Aufwandes gar nicht erst anfangen, solange Sponsoren nicht einen Betrag von insgesamt 100000 Franken zugesichert hätten, sagt der Künstler.Doch die Notwendigkeit, Sponsorengeld zu sammeln, ist von einer viel anspruchsvolleren Aufgabe in den Hintergrund gedrängt worden – von einem Problem sogar: Das über lange Zeit gesammelte Rohmaterial, der geeignete Schrott, ist wegen dreister Diebe nur noch beschränkt verfügbar.Den ganzen Schrott zügeln müssenBis vor Kurzem genoss Silvan Köppel eineinhalb Jahrzehnte lang Gastrecht beim Betonwerk Sieber, doch das Unternehmen braucht den Platz in Zukunft selbst, weshalb ein Umzug nötig wurde. Der Kunstliebhaber Johnny Hutter, Verwaltungsratsprä­sident der Sonnenbau Gruppe, überlässt dem Künstler das einstige Betonröhrenwerk-Areal in Widnau auf unbestimmte Zeit, sodass Köppel seinen «Riesenhaufen» dorthin bringen liess und zum Teil mit Kollegen selbst hinbrachte.Schon bald verschwanden Kupferkabel im Wert von fünf- bis zehntausend Franken, was Köppel selbstkritisch sagen lässt, mit diesem Diebstahl hätte er ja rechnen können. – Aber dann! Nach und nach verschwand weiteres Material.Mit einer Baumaschinen-Raupe, immerhin zwei Tonnen schwer, begann die unheilvolle Klau-Serie. In dichter Folge liessen Unbekannte sodann eine Palette mit Spezialstahlwellen verschwinden, einen Amboss, in Fässern gelagerte Stanzabfälle sowie einen Pflug.«Jedes Mal fehlte wieder etwas»«Jedes Mal, wenn ich zum Lager kam, fehlte wieder etwas», sagt der Künstler, der nicht sicher ist, ob er sich mehr zu ärgern oder mehr zu wundern hat, denn ihm ist unklar, was die Diebe von den Sachen haben. Schliesslich sind die Sachen Schrott, für eine Tonne gibt es etwa 120 Franken – warum also machen Diebe sich die Mühe, schweren Schrott zu stehlen, mit Lastwagen und Kran?Als wäre all das nicht genug, wurden auch noch jene fünf Paletten abgeführt, die Köppel mit Kollegen einen Tag lang sorgsam hergezügelt hatte. Heute steht der Künstler da, als hätte er ein Loch im Tank, wie jemand ohne Treibstoff, ohne Energie.Zum Diebesgut gehören Teile, die dem Künstler lieb und teuer sind, weil er in ihnen etwas sieht, zum Beispiel einen Flügel, einen Kopf.Für manche Stücke habe er deshalb auch mehr bezahlt als nur den Schrottpreis, aber irgendwelche Diebe nützten diese Stücke nichts. Falls die Giraffe ihren Hals nicht wie geplant dem Himmel entgegenstrecken kann, greift Köppel möglichst zu Plan B. Plan C hingegen wäre depri­mierend. Er bedeutete: Den schönsten Schrott nach Hause holen – quasi retten, was zu retten ist – und auf ein Grossprojekt ver­zichten.Doch der dieses Jahr verstorbene Unternehmer Hans Huber habe einst gesagt, als Köppel seinen Eisenbaum in Angriff nahm: «Es isch gliich, wa d‘ machsch, ‘s isch alls besser als nünt.»Nach Hubers Motto käme also mindestens Plan B in Frage, der Bau einer eisernen Gottesanbeterin, die ebenfalls schon als Modell vorhanden ist.Am liebsten aber würde Silvan Köppel nach wie vor die Gierige Giraffe bauen. Diese würde auch zum Sinnbild ungeahnter Gier – derjenigen von dreisten Dieben.

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