Region 06.12.2019

Die vorläufig gute Rhesi-Botschaft

Die Umweltverbände verzichten derzeit auf Einsprachen gegen das Hochwasserschutzprojekt. Sie erwarten allerdings Verbesserungen.

Von Marcel Elsener
aktualisiert am 09.11.2022

Der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner hat sich, deutlicher noch als sein St. Galler Regierungskollege Marc Mächler, zum offensivsten Fürsprecher für das Hochwasserschutzprojekt Rhesi aufgeschwungen. Das mag auch damit zusammenhängen, dass der Widerstand gegen das Riesenprojekt auf Vorarlberger Seite zuletzt stärker war und die Versuchshalle für die laufenden wasserbaulichen Modelle der Internationalen Rheinregulierung (IRR) in Dornbirn steht.

Nun hat Wallner den «Vorarlberger Nachrichten» die «gute Botschaft» überbracht, dass die «Schweizer Naturschützer» auf ihr «Veto», sprich auf weitere Rechtsmittel gegen das Gene­relle Projekt verzichten. «Wir hätten wahrscheinlich mit Verzögerungen rechnen müssen, hätten die Naturschützer zu einem Zug durch die Instanzen angesetzt», freut sich Wallner über den Entscheid.

Noch im Sommer hatte sich der Bregenzer Regierungschef über die scharfe Kritik seitens der Schweizer Umweltverbände aufgeregt. «Man muss schon verärgert darüber sein, wenn der WWF jetzt in St. Gallen auftaucht und ein Zurück-an-den-Start verlangt», sagte Wallner zum ORF Vorarlberg. «Das geht zu Lasten der Bevölkerung, das kann ich nicht zulassen.»

Juristisches Hickhack auf später verschoben

Die Erleichterung bei Wallner sowie beim Rhesi-Projektleiter Markus Mähr mag spürbar sein. Doch der von den Vorarlberger Medien verbreitete «Konsenskurs» und Entscheid der Umweltverbände, dem Projekt «ab sofort keine Steine mehr in den Weg zu legen», stimmt nur bedingt und lediglich für den Moment. Tatsächlich verzichteten die beiden Umweltverbände WWF und Pro Natura, den abschlägigen Bescheid des St. Galler Amts für Wasser und Energie und in der Folge auch des Baudepartements anzufechten. Sie hatten in ihrer ausführlichen Kritik im Sommer dreierlei verlangt: Transparenz und Akteneinsicht in die «geheime meterdicke Planschachtel»; inhaltliche Verbesserungen zugunsten der Ökologie; ein Bewilligungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung bereits fürs Generelle Projekt. 

Ersteres wurde den Verbänden gewährt, doch die beiden weiteren Forderungen fanden bei den St. Galler Baubehörden kein Gehör. Ob weitere Rechtsmittel möglich gewesen wären, ist ohnehin fraglich. Gemäss der Gemeinsamen Rheinkommission, die der IRR vorsteht, gilt bei diesem Wasserbauprojekt wie beim Nationalstrassenbau das einstufige Verfahren, wie Urs Kost, Kommissionsvertreter des Kantons St. Gallen, erklärt. Demnach betrifft das Bewilligungsverfahren nur das Genehmigungsprojekt, das jetzt erarbeitet und voraussichtlich Ende 2021 aufgelegt wird. Der Einsichtnahme gemäss dem ­beanspruchten Öffentlichkeitsprinzip habe man «ohne Verpflichtung» stattgegeben, sagt Kost. «Wir spielen mit offenen Karten und haben nichts zu verstecken.» Die Umweltverbände seien wie andere Beteiligte, darunter die Gemeinden und etwa das Bundesamt für Umwelt, zu einer weiteren Vernehmlassungsrunde eingeladen worden.

Die bis Mitte Dezember erwarteten Stellungnahmen werde die Projektleitung prüfen und rechtlich notwendige, aber auch «sinnvolle» Änderungen berücksichtigen. Auch wenn das Projekt im Grossen und Ganzen stehe, besteht laut dem früheren St. Galler Kantonsingenieur noch Spielraum für Anpassungen. «Es wäre schade, wenn es jetzt schon zum juristischen Hickhack gekommen wäre.»

Grösster Knackpunkt bleibt weiterhin Koblach 

Nun kann das Projekt ohne zusätzliche Blockaden im Detail geplant werden, sagt Rhesi-Leiter Markus Mähr. Dazu gehören beispielsweise Ufersicherungen und Grundwasserabklärungen , aber auch der Umbau der Dornbirner Modellanlage gemäss der Rhesi-Planung bis zum Frühjahr 2020. Die Pièce de Résistance, der grösste Brocken für das Projekt, liegt weiterhin in Koblach, wo eine Bürgerinitiative die Dammabrückung verhindern will. Der neue, dem Vernehmen nach Rhesi-freundlichere Bürgermeister plant nun eine Volksabstimmung in der Gemeinde. Abgesehen von Koblach sei der Widerstand grösstenteils überwunden, heisst es seitens der Projektleitung. So habe man mit den Gemeinden und den Wasserversorgern einen «Modus vivendi» gefunden und die bestehende Konzession verlängert.

Dem Bauernverband hat man unter anderem zugesichert, «Härtefälle abzufedern», sagt Urs Kost.  Die Umweltverbände attestieren den Planern, «viel zu tun für ein gutes Projekt», meint  WWF-Geschäftsführer Lukas Indermaur. Doch seien die politischen Realitäten in Gemeinden wie Fussach oder Koblach «sehr schwierig». Von «Konsenskurs» kann laut Indermaur nicht die Rede sein. Auch wenn man derzeit auf weitere und längere Aufweitungen und ökologische Aufwertungen hoffe, bereite man sich auf Einsprachen im Auflageverfahren vor – schon um Abschwächungen seitens anderer Parteien vorzubeugen. Auch Kost macht sich keine Illusionen:  «Wir sehen uns bei Philippi wieder.» Will heissen: Vermutlich werden die letzten Schlachten um das Jahrhundertprojekt vor den höchsten Gerichten geschlagen. 


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