Elmar Lindenmann, können Sie die Unterschiede zwischen einem Dorfpolizisten und einem Kantonspolizisten erklären?
Ein Dorfpolizist ist von der Gemeinde geleast. Ich bekomme meinen Lohn weiterhin vom Kanton. Da ändert sich gar nichts. Die Gemeinde St. Margrethen bezahlt den Lohn dem Kanton. Somit hat die Gemeinde die Gewähr, dass sie einen Polizisten mit Erfahrung für all ihre Belange bekommt. Zudem bin ich in der Pflicht, den Kontakt zur Bevölkerung aufrecht zu halten. Vielleicht auch ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. Es ist so, dass Polizisten aufgrund der Arbeitsbelastung keine Zeit mehr finden, sich in den Dörfern zu zeigen. Um dem entgegenzuwirken, werden deshalb Polizisten geleast, um das Gleichgewicht wieder einigermassen herzustellen.
Was hat Sie an der Stelle gereizt?
Es war einfach an der Zeit, nach 34 Jahren Frontarbeit bei der Kantonspolizei, eine Veränderung herbeizuführen. Die Stelle wurde nicht explizit ausgeschrieben. Ich war schon etwas früher in Kontakt mit dem damaligen Gemeindepolizisten und wusste, wann er in Pension gehen würde. Mein Interesse hatte ich also schon frühzeitig bekannt geben können. Die Stelle ist perfekt für mich. Da ich in spätestens fünf Jahren in Pension gehen werde, habe ich immer noch genügend Zeit, im Dorf etwas zu bewirken.
Wie lange sind Sie bereits als Polizist tätig?
Die Weichen für den Polizeiberuf wurden gestellt, als ich im Jahr 1987 die Zollschule besuchte. Ich merkte schnell, dass mir das zu wenig war und habe nach zwei Jahren bei der Grenzwache die Polizeischule der Stadtpolizei St. Gallen absolviert. Bis zum Übertritt zur Kantonspolizei St. Gallen im Jahr 1995 war ich als Motorradfahrer und Unfallfotograf tätig. Im Nebenamt war ich noch Polizeigrenadier. Bevor ich bei der Polizeistation Widnau anfing, machte ich noch kurze Abstecher zum Bereitschaftsdienst St. Gallen und zur Polizeistation St. Margrethen. Bei der Polizeistation Widnau war ich von 1997 bis 2023 tätig. Die Zeit dort war mein Ding. Ich hatte in all den Jahren genügend Herausforderungen und Arbeit, die es zu bewältigen galt. Ich war stets nah am Geschehen. In dieser Zeit war ich nebenbei Praxisbegleiter für junge Polizistinnen und Polizisten und zudem als Drohnenpilot tätig.
Was macht für Sie den Polizeiberuf aus?
Der Beruf ist spannend und herausfordernd. Kein Tag ist wie der andere. Wenn du mal einen Bürotag eingeteilt hast, heisst das noch lange nicht, dass man sich auf einen Schreibtag verlassen kannst. Innerhalb weniger Sekunden kann sich das komplett ändern, und du findest dich irgendwo im Dorf wieder, um erneut einen Tatbestand aufzunehmen.
In den Köpfen mancher Leute haftet der Bezeichnung «Dorfpolizist» etwas Angestaubtes an. Ist da etwas dran oder können Sie dieses Klischee entkräften?
Siehe Foto. Mein Fahrzeug ist doch alles andere als angestaubt. Es passt zu mir, denn ich bin gern sportlich unterwegs und habe alles dabei, was es braucht; auch einen Laptop. Wenn nötig, kann ich vor Ort Journal führen oder rapportieren. Das wäre vor ein paar Jahren noch nicht möglich gewesen. Früher gab es den Dorfpolizisten fast überall. Ein einzelner Polizist schaute in seinem Revier zum Rechten. Heute ist es so, dass die Menge an Aufträgen und Einsätzen von einem einzelnen Polizisten im Dorf nicht mehr bewältigt werden könnte. Der Kontakt mit der Bevölkerung in der Gemeinde geht dadurch verloren. Deshalb ist die Stelle als Gemeindepolizist wieder recht modern und attraktiv.
Was für Tätigkeiten haben Sie als Dorfpolizist zu erledigen?
Ich bearbeite die meisten Aufträge, die St. Margrethen betreffen. Ich bekomme sie von internen Fachstellen zugeteilt. Zudem stehe ich in engem Kontakt zur Gemeindeverwaltung. Wöchentliche Sitzungen sind die Norm. Somit kann ich schnell auf die Belange der Gemeinde eingehen. Oder umgekehrt die Gemeinde auf meine Anliegen und Feststellungen.
Gibt es Aufgaben, mit denen sich ein Dorfpolizist nicht befasst?
Normalerweise führe ich keine Erstangriffe mehr durch. Da ich allein unterwegs bin, wäre das heikel und mit einem gewissen Risiko verbunden. Es gibt aber keine Regel ohne Ausnahme. Bin ich gerade in der Nähe oder ist keine Patrouille frei und verhält sich die Klientel unauffällig, werde ich auch mal einen Zollamtsfall oder einen Ladendiebstahl selbst bearbeiten. Gibt es eine erfreuliche Situation oder Begegnung, die Sie während der ersten Monate in St. Margrethen erlebt haben?
Die Bevölkerung staunt, dass sie im Dorf einen Polizisten auf einem E-Bike antrifft. Meistens ergeben sich dadurch gute Gespräche. Und vielfach kommt dann noch der Satz nach: «Wo ist das Blaulicht?» Da muss ich die Leute dann jeweils enttäuschen. Wir sind nicht städtisch.
Sie sind oft mit dem Velo unterwegs. Welche Vor- und Nachteile ergeben sich daraus?
Es spricht absolut nichts gegen das E-Bike. Ich bin damit sehr mobil und komme überall schnell hin. Sehr zum Leidwesen anderer Zweiradfahrer, die gern mal eine Abkürzung nehmen, wo kein Auto mehr hindurchpasst. Ein Nachteil ist bei schlechtem Wetter gegeben. Wenn es regnet, lasse ich das Bike in der Garage und nehme stattdessen für meine Arbeit auch mal das Auto oder gehe zu Fuss.
Steckbrief
Elmar Lindenmann ist 60-jährig und wohnt mit seiner Lebenspartnerin etwas erhöht mit Blick auf einen Teil des Rheintals. Die Kinder sind erwachsen und ausgezogen. Zu den Hobbys gehört zum einen sein Haus im Tessin, das es zu pflegen gilt. Dazu betreibt er Ausdauersport wie Joggen und Langlauf. Projektweise ist er in verschiedenen Orchestern als Aushilfe mit seinem Kontrabass und E-Bass unterwegs. Seit gut drei Jahren begleitet er die SSC-Bigband Rheintal als Bassist.