Verkehr, Wasser- und Stromversorgung, Kehrichtentsorgung, Feuerwehr, Zivilschutz, Grundbuch, soziale Dienste, Hallenbad … Viele Gemeindeaufgaben werden im Verbund mit einer oder mehreren anderen Gemeinden erfüllt. Die Liste ist nicht abschliessend und wird auch zusehends länger und länger. Letzte Woche kamen die Präsidentin und die Präsidenten der sechs Gemeinden des oberen Rheintals zusammen, um angesichts neuer Herausforderungen, die auf die Gemeinden zukommen, auszuloten, was die nächsten Jahre möglich und was nötig sein wird.
Als grösste Herausforderungen sehen sie in einer gestern veröffentlichten Medienmitteilung die gesellschaftliche und demografische Entwicklung, die Mobilität, die Ökologie und die Energiewende, den Fachkräftemangel, die Digitalisierung sowie die zunehmende Komplexität verwaltungsrechtlicher Verfahren zwischen Bund, Kanton und Gemeinden. Als eine Gemeinde wäre vieles massiv einfacherMan sei recht bald zu dieser Folgerung gekommen, sagt Alt–stättens Stadtpräsident Ruedi Mattle stellvertretend auch für seine Amtskollegin und Amtskollegen: Wäre das Rheintal flächendeckend eine einzige Gemeinde wäre alles bedeutend weniger komplex, bräuchte es die meisten der heute nötigen Kooperationslösungen gar nicht, und Verkehrsprobleme und Raumplanung könnten einfacher über die heutigen Gemeindegrenzen hinweg angegangen werden.Und genau dies schlagen sie nun in ihrer Medienmitteilung auch vor: Sämtliche Gemeinden des heutigen Wahlkreises zur Stadt Rheintal zusammenzuschliessen. Das ginge freilich nicht von heute auf morgen. 2040 erachten die Sechs als realistischen Zeithorizont.
Nun haben es Gemeindevereinigungen im Rheintal nicht gerade leicht. Der Zusammenschluss von Au, Berneck, Balgach, Widnau und Diepoldsau zur Stadt Mittelrheintal scheiterte 2007 ebenso wie 2018 nur schon die Vereinigung von Marbach und Rebstein. Auch eine Vereinigung der Gemeinden im Oberrheintal wurde vor ein paar Jahren angeregt (unter anderem von Ruedi Mattles Vater). Die Initiative erregte kurz Aufsehen, versandete aber bald wieder. Ginge es um eine Stadt Rheintal sähen manche wohl genauso wie 2007 im Mittelrheintal oder 2018 in Marbach Eigenständigkeit und Selbstbestimmung bedroht, oder es würde ihnen nicht passen, dass ein Parlament an die Stelle der Bürgerversammlung träte oder dass der Steuerfuss übers ganze Rheintal nivelliert würde.Was letzteren betrifft, denkt Ruedi Mattle allerdings, dass es ohnehin zu einer Steuerreform kommen muss: Das immer weiter Auseinanderklaffen der niedrigsten und der höchsten Steuerfüsse im Kanton werde nicht mehr lange zu rechtfertigen sein. In ihrer Medienmitteilung schreiben die Oberrheintaler Gemeindepräsis von einem «einheitlichen attraktiven Steuerfuss» und von «ausgezeichneten Voraussetzungen für Industrie und Gewerbe». Das Wegfallen des Grossteils der heutigen Zweckverbände sehen sie als Stärkung der Demokratie. Und nicht zuletzt wäre diese neue Gemeinde bzw. Stadt Rheintal «die grösste im Kanton mit entsprechendem Gewicht und Ausstrahlungskraft».Zu definieren: Der optimale funktionale RaumMit dem mittleren und unteren Rheintal haben die Gemeindepräsidentin und die Gemeindepräsidenten aus dem Oberrheintal ihren Vorschlag bislang nicht diskutiert. Bruno Seelos als Vorsitzender der Vereinigung der Rheintaler Gemeindepräsidentinnen und Gemeindepräsidenten will das Thema aber gerne im grösseren Rahmen diskutieren. «Es ist eine Vision, eine mutige zudem… aber Visionen darf man haben.»Es stünden grosse Herausforderungen an, pflichtet er der Kollegin und den Kollegen im Oberrheintal bei. Und die Gemeindegrenzen aus der Zeit der Kantonsgründung stünden idealen Lösungen tatsächlich oft im Weg. Idealerweise löse man die Probleme innerhalb funktionaler Räume, stimmt er ihnen ebenfalls zu. Ob allerdings eine Gemeinde, die von Lienz bis Rheineck reicht, diesen funktionalen Raum optimal abbildete, wäre im Detail anzuschauen«Manchmal brauchts aber verrückte Ideen, um etwas zu bewegen», meint Seelos. Den Vorschlag der Kollegin und der Kollegen aus dem Oberrheintal sieht er daher vorerst als Denkanstoss.Die Gemeindepräsidentin und die Gemeindepräsidenten aus dem Oberrheintal hoffen auf eine breit geführte Grundsatzdiskussion. Sie sehen mit ihrem Vorschlag fürs erste einen nicht gerade kleinen Stein ins Wasser geworfen, wie sich Ruedi Mattle ausdrückt. «Mal schauen, welche Wellen er wirft.»