Wer von der Stadt Altstätten Post bekommt, dem fällt möglicherweise auf, dass darin neuerdings der Genderstern (zum Beispiel so: Bürger*innen) verwendet wird. Die Stadtverwaltung gendert aber nicht nur in Briefen mit Sternli, sondern in allen Dokumenten, auch in solchen mit rechtsetzendem Charakter. So ist etwa in den Statuten für den neuen Feuerwehrverbund Altstätten- Eichberg von Vertreter*innen der Stadt Altstätten und der Gemeinde Eichberg (in der Delegiertenversammlung) die Rede. Die Bereichsleiterkonferenz der Stadtverwaltung habe entschieden, künftig für die geschlechtergerechte Schreibweise den Genderstern zu verwenden, erklärt Stadtpräsident Ruedi Mattle. Davor war es offenbar zu einem Wildwuchs unterschiedlichster gendergerechter Schreibweisen gekommen, nebst dem Genderstern und der gebräuchlichen Paarform (Bürgerinnen und Bürger) wurde nach Belieben auch der Schrägstrich (Bürger/innen) und das Binnen-I (BürgerInnen) verwendet.Stadtpräsident Mattle: «Eine pragmatische Lösung»Man sei sich bewusst, dass sich möglicherweise längerfristig eine andere Schreibweise durchsetzen werde, räumt Mattle ein. Der Stadt gehe es aber weder darum, Genderstern-Pionierin zu sein, noch ein politisches Statement zu setzen, betont er. «Es geht alleine um eine pragmatische Lösung zur einheitlichen geschlechtergerechten Schreibweise.»Mit der Festlegung auf den Genderstern schreibt die Stadt ihren Mitarbeitenden allerdings gerade vor, was der Bund den seinen verbietet: Die Bundeskanzlei hat im Frühling einen Leitfaden zum geschlechtergerechten Formulieren erlassen und der Bundesverwaltung darin faktisch untersagt, in amtlichen Dokumenten den Genderstern zu verwenden. Typografische Mittel wie der Genderstern leisteten nicht, was sie leisten sollten, und verursachten eine ganze Reihe sprachliche Probleme, begründete die Bundeskanzlei. In der Kantonsverwaltung gilt Ähnliches (siehe unten). Bemerkenswert an den eingangs erwähnten Statuten des Feuerwehrverbundes ist, dass es sich dabei nicht um ein alleiniges Dokument der Stadt Altstätten handelt. Der Gemeinde Eichberg untergejubeltErarbeitet von der gemeinsamen Feuerschutzkommission, wird der Genderstern mit diesem Papier auch der Gemeinde Eichberg untergejubelt. Eine Regelung wie in Altstätten gibt es dort (noch) nicht. «Gut möglich, dass wir uns demnächst damit auseinandersetzen müssen», meint Eichbergs Gemeindepräsident Alex Arnold. Bei der Genehmigung der Feuerwehrstatuten habe sich der Gemeinderat aufs Materielle konzentriert und die Gendersterne gar nicht gross beachtet. «Wieso auch?», fragt Alex Arnold rhetorisch, «rechtlich dürften sie kein Problem sein, und ich meine, unterdessen gewöhnen wir uns langsam an gendergerechte Schreibweisen.» Abgesehen davon würden wohl höchstens irgendwelche AGB noch seltener gelesen als solche Statuten.[caption_left: Voller Gendersterne: Ausriss aus den Statuten für den neuen Feuerwehrverbund Altstätten-Eichberg. (Bild: sk/mt/depositphotos)]Zweittext:Im Extremfall wird das Amtsdeutsch nahezu unlesbarWie die Bundeskanzlei für die Bundesverwaltung hat auf kantonaler Ebene auch die Staatskanzlei Weisungen für den Sprachgebrauch erlassen. Die Gleichbehandlung von Frauen und Männern ist auch hier ein Grundsatz. Ausdrücklich nicht erlaubt sind den Mitarbeitenden des Kantons verkürzte Paarformen wie der Einbezug des weiblichen Suffixes «innen» mittels Schrägstrich, Klammern oder einer Binnenkapitale (Mitarbeiter/innen, Mitarbeiter(innen), MitarbeiterInnen). Nicht erwähnt ist in den letztmals 2016 überarbeiteten kantonalen Weisungen der Genderstern. Die Kantonsmitarbeitenden sind aber gehalten, sich in nicht klar geregelten Fällen an die Schreibweisungen des Bundes zu halten.Verbieten kann es der Kanton der Stadt nichtIn der Staatskanzlei, die für die einheitliche Schreibweise in Dokumenten der Regierung und des Kantonsrates zuständig ist, hält man den Entscheid der Bundeskanzlei zum Genderstern für richtig. Bei der Stadt Altstätten wird Vizestaatssekretär Jan Scheffler allerdings nicht intervenieren: «Wir können den Gemeinden schwerlich vorschreiben, das Sternli nicht zu verwenden.» Im Minimum bedürfe es aber wohl eines Beschlusses des Stadtrates, denkt er. Wobei darin auch zu klären wäre, wie man bisherige Erlasse behandelt, im Besonderen, wenn beispielsweise bestehende Reglemente um Nachträge ergänzt werden. Eine sprachliche Inkongruenz zwischen den bisherigen und neuen Dokumenten werde sich aber nicht vermeiden lassen.Ein Text könnte anders als gewollt ausgelegt werdenMit dem Genderstern alle Geschlechtsidentitäten einbeziehen zu wollen, sei zwar löblich, führe aber zu sprachlichen Problemen, meint Jan Scheffler. Unter Umständen sei nämlich gar nicht klar, wer mit dem Stern alles mitgemeint sei – z. B. wenn von Frauen* die Rede sei. Oder es fühlten sich möglicherweise gar nicht alle angesprochen, die man mit dem Stern mitmeine. Nicht zuletzt deswegen hält Jan Scheffler die Verwendung des Gendersterns in amtlichen Dokumenten für keine gute Idee: «Es besteht ein gewisses Risiko, dass ein Text anders als gewollt ausgelegt werden könnte.»Jan Scheffler weist ausserdem darauf hin, dass die Lesbarkeit der Texte durch die Verwendung des Gendersterns leiden kann, besonders Formulierungen im Singular führten zum vielfachen Einsatz des Gendersterns. Das könne im Extremfall etwa so herauskommen: «Der*die Leiter*in bezeichnet eine*n geeignete*n Mitarbeiter*in, der*die ihn*sie bei Abwesenheit vertritt.» Das ist keineswegs weit hergeholt: In den Statuten des Feuerwehrverbunds Altstätten-Eichberg findet sich Ähnliches (siehe obigen Ausriss).Abgesehen davon entspreche die Schreibweise mit Genderstern nicht der deutschen Rechtschreibnorm, hält Jan Scheffler fest. Der Rat für deutsche Rechtschreibung, in dem auch die Schweiz vertreten sei, habe sich erst kürzlich gegen die Verwendung des Gendersterns und ähnlicher Formen ausgesprochen.