19.09.2018

Die Schätze des Sattlers retten

Ein Sammler sei er nicht, sagt Fritz Girardet-Mock. Doch er brachte es nicht über das Herz, die Geräte seines Vaters zu entsorgen. Zum Glück. Nun schmücken sie eine Werkstatt im Ortsmuseum Marbach.

Von Hildegard Bickel
aktualisiert am 03.11.2022
Hildegard BickelDie Decke ist niedrig. Gross gewachsene Leute ziehen automatisch den Kopf ein, wenn sie die Räume im unteren Stock des Ortsmuseums betreten. Fritz Girardet-Mock hat sich daran gewöhnt.Seit letztem Jahr ist die ehemalige Schuhmacherei-Werkstatt wie eine zweite Stube für ihn geworden. Obwohl er weder Sattler noch Marper ist, hat er im ehemaligen «Oberen Bad» eine Ecke eingerichtet, wo es nach Leder riecht und das Gefühl entsteht, ein Handwerker könne sogleich Platz nehmen und mit der Arbeit beginnen.Ein Angebot, das zum Glücksfall wirdAusgelöst wurde das Engagement des Rentners durch eine leise Enttäuschung. Als Fritz Girardet-Mock am Tag der offenen Tür 2017 das Ortsmuseum besuchte, fiel ihm auf, dass kein Bereich für die Sattlerei zu finden war. Dabei hätte er doch noch so viel Material zu Hause in Widnau, ging ihm durch den Kopf.Kurzerhand machte er der Museumskommission ein Angebot, das die Präsidentin Katja Bellino einen Glücksfall nennt. Er würde das Sattlerwerkzeug von seinem Vater, der vor 36 Jahren starb, im Museum ausstellen. «Wenn ich einmal nicht mehr bin, wirft man sowieso alles in die Mulde», sagt der 71-Jährige. Katja Bellino gab ihm einen Schlüssel und liess ihm freie Hand.Das alte Handwerk blüht wieder aufOft arbeitete Fritz Girardet-Mock bis spät am Abend in der Werkstatt und beschriftete «Tapeziererhammer», «Halbmondmesser» und «Geissfuss». Er besuchte viele Sattlerfamilien in der Region und hoffte, noch mehr traditionelle Geräte aufzustöbern. Doch vieles wurde entsorgt, das Sattler-Handwerk musste sich weiterentwickeln. Heute ist der Beruf spezialisiert – beispielsweise auf Autosattler, die Sitz- und Liegepolster fertigen und reparieren oder Reitsportsattler, die Pferde-Utensilien wie Halfter und Zügel herstellen.In der Museumswerkstatt ist es Fritz Girardet-Mock nun gelungen, das alte Handwerk wieder aufleben zu lassen. Er übte den Umgang mit dem alten Werkzeug und nähte ein Backsäckli aus weichem Geissenleder. Der Spruch: «Dä Fritz flickts» kommt nicht von ungefähr. Beruflich führte er viele Jahre ein Unternehmen für Betonbohren und -fräsen und dank seiner geschickten Hände hilft er im Repair-Café Altstätten seit der ersten Stunde. Er braucht solche Ablenkungen, vor allem seit seine Frau vor zwei Jahren gestorben ist, die eine gebürtige «Marperin» war und durch die er sich mit dem Dorf verbunden fühlt.Offenes Ortsmuseum feiert JubiläumPünktlich zum 30-Jahr-Jubiläum des Ortsmuseums Marbach können Besucher die Sattlerecke am Tag der offenen Tür besichtigen. Fritz Girardet-Mock führt am Samstag, 22. September, der obendrauf noch sein Geburtstag ist, das alte Handwerk vor.Auch in den anderen Werkstätten und Stuben zeigen Profis, wie früher gesponnen, gestrickt, gemostet oder «büschelet» wurde. Katja Bellino freut sich über die Vielfalt und bemerkt, dass immer mehr Leute in ihrer Freizeit einem handwerklichen Hobby frönen.Als Grund vermutet sie eine Gegenbewegung zur Berufswelt. «Durch die fortschreitende Digitalisierung sehnen sich viele zurück zum ursprünglichen Handwerk.» Im «Oberen Bad» bietet sich beste Gelegenheit, um selber Hand anzulegen und sich zwischendurch zu stärken.Als Spezialität gibt es ab 16 Uhr Rohrlandjäger vom Grill. Auch der Spass kommt nicht zu kurz bei einer Partie auf der alten Kegelbahn.HinweisTag der offenen Tür und 30 Jahre Ortsmuseum «Oberes Bad»Marbach, Samstag, 22. September, 13.30 bis 20 Uhr.Autogrammstunde im Sportlerkeller mit Marc Bischofberger, Olympia-Silbermedaillengewinner im Skicross.

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