Die Hochschule Luzern hat in Zusammenarbeit mit dem Umfrageinstitut gfs.Bern eine repräsentative Langzeitstudie über Konflikte in der Familie bis hin zu Gewalterfahrungen lanciert. Dazu wurden 1037 Personen nach ihrem Befinden während des Lockdowns sowie in einem Zeitraum von vier Wochen danach befragt.Die Mehrheit der Befrag-ten beschrieb das Familienklima als eher harmonisch. Rund ein Viertel berichtete von Spannungen. Die Wohnqualität (Garten, Terrasse oder grosser Balkon) hätte ebenso einen Einfluss auf das Konfliktpotenzial wie die Einkommenssituation.Die zwei Forscherinnen der Hochschule Luzern haben auch danach gefragt, ob es zu innerfamiliärer Gewalt gekommen sei. In den acht Wochen des Lockdowns berichteten 5,5 Prozent darüber. Im Sommer ging dieser Anteil zwar auf 5,2 % zurück, allerdings in einem nur halb so grossen Zeitraum. Eine deutliche Zunahme zeigt sich bei Gewalt gegenüber Kindern: Von 4,5 während des Lockdowns auf 5,6 Prozent in den vier Wochen danach. Am häufigsten wurde über psychische Gewalt berichtet. Vergleichsweise wenige Befragte gaben an, Opfer von körperlicher oder sexueller Gewalt geworden zu sein. Ein Vergleich mit Zahlen zu innerfamiliären Gewalterfahrungen in der Zeit vor dem Lockdown sei allerdings schwierig. «Üblicherweise decken Befragungen zu Gewalterfahrungen in Familien einen viel grösseren Zeitraum ab», sagt Gewaltforscherin Paula Krüger.Seit August muss die Polizei häufiger ausrückenDie Tendenz, dass sich die Pandemie mit zunehmender Dauer aufs Nervenkostüm der Bevölkerung auswirkt, zeigen auch aktuelle Zahlen der Kantonspolizei St. Gallen: Die polizeilichen Interventionen im häuslichen Bereich sind in den ersten sieben Monaten dieses Jahres praktisch unverändert gegenüber 2019 geblieben, seither nehmen sie aber deutlich zu: Im August, September und Oktober musste die Polizei pro Monat 100-mal wegen häuslichen Konflikten ausrücken. Im gleichen Zeitraum im Vorjahr waren es zwischen 70 und 80 Einsätzen im Monat.Die Zahlen sind nicht hundertprozentig vergleichbar, weil die Erhebung der Statistik leicht angepasst worden ist. «Aber dieser starke Anstieg ist nicht allein dadurch zu erklären», sagt Florian Schneider, Stv. Leiter Kommunikation der Kantonspolizei St. Gallen. In der täglichen Polizeiarbeit sei das zunehmende Konfliktpotenzial klar spürbar. Nicht alle genannten Interventionen erscheinen in der Kriminalstatistik unter häuslicher Gewalt. Es kann dabei auch nur darum gehen, dass man sich über die Farbe der Tapete nicht einig ist. Und die Zahlen werden nur pro Kanton erhoben. Gemäss Schneider ist die Region Bodensee-Rheintal einsatzintensiver als etwa das ländlichere Werdenberg-Sarganserland. «Das liegt aber nicht daran, dass die Rheintaler häufiger streiten, sondern an der höheren Bevölkerungsdichte.»