15.02.2019

Die Menschen hinter der Maske zeigen

Am Donnerstagabend feierte der Film «Männerreigen» von Kuno Bont Weltpremiere. Die Dokumentation über den Röllelibutzen Verein Altstätten fand bei den rund 300 Gästen grossen Anklang.

Von Benjamin Schmid
aktualisiert am 03.11.2022
Benjamin SchmidEs ist Mittwoch. Das Narrentreiben ist beendet. Ein Gardemitglied des Röllelibutzen Vereins Altstätten schlendert nach Hause. Verkleidete Personen kreuzen seinen Weg. Die Putzequipe ist unterwegs, um die Spuren der grössten Ostschweizer Fasnacht zu beseitigen. Der Dokumentarfilm «Männerreigen» zeigt, wie Fasnachtsbrauchtum lebt und gepflegt wird. Der Zuschauer wird auf eine Entdeckungsreise ins Butzentum von Altstätten mitgenommen. Filmemacher und Autor Kuno Bont drehte keinen Film über Fasnachtsereignisse, sondern über die Menschen hinter den Larven. Mitten im Geschehen stehen elf Röllelibutzen, die Protagonisten des Films. «Männerreigen» konzentriert sich auf die Gegenwart des Butzenbrauchtums und geht der Frage nach, wie es im Innern der Fasnächtler aussieht. Was opfern die Männer für ein paar Tage Ausgelassenheit, wie meistern sie den Balanceakt zwischen strenger Tradition und modernem Lebensstil und wie stehen sie dazu, Frauen nicht nur als Ehrendamen, sondern als Mitglied in den Verein aufzunehmen? Kuno Bont geht einerseits dem Geheimnis ihrer langen und erfolgreichen Vereinsgeschichte nach, andererseits konfrontiert er die Protagonisten mit der eigenen Tradition. «Ich wollte die Gefühle der Fasnächtler spür- und erlebbar machen», sagte der Oberrieter. Einen Männerreigen am ValentinstagClaudia Marty-Eggenberger, Moderatorin bei TVO, leitete durch den Abend. Vor der Vorführung nutzte sie die Chance, Kuno Bont Fragen zu stellen. Zwei der elf Protagonisten wurden ebenfalls auf die Bühne gebeten, um von ihren Erfahrungen vor der Kamera zu berichten. «Es war ein komisches Gefühl, auf Schritt und Tritt von einer Kamera verfolgt zu werden», sagte Thomas Städler, und Stefan Oeler ergänzte: «Ich habe ein wenig Herzklopfen vor der Premiere.» Doch bevor die Doku gezeigt wurde, kam das Publikum in den Genuss einer filmischen Rarität. Der Vater von Rolf Zellweger aus Altstätten war ein Filmpionier und filmte 1920 die erste Fahnenweihe der Röllelibutzen. Dieses Schwarz-Weiss-Dokument eröffnete dem Zuschauer unbekannte Einblicke in die Anfänge des Vereins. Die Weltpremiere startete dann mit Kuno Bonts Worten: «Ich habe ein Valentinstagsgeschenk für die Frauen und bringe euch einen Männerreigen.» Zwischen Tradition und Moderne«Ich habe den Film nicht auf Auftrag erstellt», sagte Kuno Bont, «als freie Produktion widerspiegelt er die Realität, ohne diese schönzufärben.» Zwischen 2016 und 2019 begleitete der Filmemacher den Verein vor, während und nach der Fasnacht und erlebte mit ihnen die Butzenfasnacht hautnah. Es geht mit der Kamera nahe ran, Bont möchte mehr zeigen, als das, was an der Oberfläche liegt. Wie funktioniert das Brauchtum in der heutigen Zeit? Wie wird die Tradition gewahrt – wird sie doch durch moderne Formen des Zusammenseins und Feierns bedrängt? Ist eine reine Männergesellschaft im 21. Jahrhundert noch zeitgemäss? Bont gelingt es, die auftauchenden Reibungsflächen dem ausgelassenen Feiern und der Fröhlichkeit der Vereinsmitglieder gegenüberzustellen. Die Doku schmeichelt den Röllelibutzen, weil sie die Gefühle und Ansichten der Mitglieder authentisch wiedergibt und sich nicht mit dem blossen Erzählen und Zeigen zufriedengibt. Sie blickt hinter die Kulissen. So nahm das Team um Bont auch an den Sitzungen teil und filmte in heiklen Situationen. «Männerreigen» wurde von der kantonalen Filmförderung, der Rheintaler Kulturstiftung und der Stadt Altstätten, die dafür das Patronat übernommen hat, unterstützt. Der Film ist in Szenen gegliedert und funktioniert ohne Kommentar. Er lebt von der Nähe zu den Protagonisten. Widersprüche werden sichtbar gemacht. «Im Film erlebt man die Röllelibutzen so, wie sie sind. Manchmal ein Haufen wilder Kerle und gleich darauf wieder handzahm wie Sonntagsschüler», sagte der Regisseur.

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