23.03.2022

Die meisten Ukraine-Flüchtlinge reisen über St. Margrethen und Buchs ein

Der Kanton St. Gallen ruft die Geflüchteten auf, sich zu registrieren. Bisher wurden 420 Personen aufgenommen. Inoffiziell dürften es einige Hundert mehr sein, weil sich noch längst nicht alle registrierten. Mit einer Registrierungsmöglichkeit in Buchs möchte der Kanton das Bundesasylzentrum in Altstätten entlasten.

Von Marcel Elsener
aktualisiert am 02.11.2022
In Privatautos, Reisebussen und Zügen treffen derzeit täglich rund 1000 Flüchtlinge aus der vom Krieg gezeichneten Ukraine in der Schweiz ein. Die meisten von ihnen kommen dabei über die Zollstationen Buchs und St. Margrethen im St. Galler Rheintal. Bis Dienstag sind 11000 Geflüchtete in unserem Land registriert worden. 420 davon sind im Kanton St. Gallen untergebracht. Inoffiziell dürften es allerdings einige Tausend landesweit und einige Hundert mehr im Kanton sein, weil sich noch längst nicht alle registrierten.Aufruf zur Registrierung für Schutzstatus statt TouristenvisumDer Bund verfolge das «teils chaotische» Geschehen an der Ostgrenze aufmerksam, sagte der St. Galler Sicherheitsdirektor Fredy Fässler an einer Medienkonferenz. Der Kanton habe dem Staatssekretariat für Migration angeboten, Registrierungen auch in Buchs vorzunehmen und die Weiterweisung in Unterkünfte von dort aus zu organisieren. Damit soll das Bundesasylzen­trum in Altstätten entlastet werden.Registrieren lassen können sich die Geflüchteten auch online. Das Verfahren sei wichtig, betont die St. Galler Regierung, weil der Schutzstatus S den geflüchteten Personen ein weitergehendes Aufenthaltsrecht als das Touristenvisum biete. Zudem ermögliche dies den Zugang zur Sozialhilfe, zur Gesundheitsversorgung sowie zu Arbeitsplätzen. Am Montag sind die ersten 60 Flüchtlinge im St. Galler Aufnahmezentrum in Kirchberg eingetroffen, vorwiegend Frauen mit Kindern. Dort stehen 120 Plätze zur Verfügung, ab Freitag werden es 200 sein. Für die Schulkinder prüft der Kanton einen doppelspurigen Unterricht mit hiesiegem und ukrainischem Lehrplan. Gemäss Verteilschlüssel proportional zur Bevölkerungszahl hat St. Gallen 6 Prozent zu übernehmen, was bei derzeit 11  000 Ukraine-Flüchtlingen in der Schweiz 660 wären. Laut dem St. Galler Sicherheits- und Justizdirektor Fredy Fässler wird diese «deutlich zunehmen», der Bund rechnet im März und allenfalls auch April mit zusätzlich 1000 Personen pro Tag, St. Gallen demnach mit 60 täglich.SP-Regierungsrat Fässler hat nicht nur den kantonalen Führungsstab aktiviert, sondern nimmt als Präsident der Polizeidirektorenkonferenz auch im Sonderstab Asyl auf Bundesebene Einsitz. Weil die «allermeisten» Flüchtlinge mit Zielland Schweiz in Autos, Bussen oder Zügen über die St. Galler Grenzorte Buchs und St. Margrethen einreisten, ist Fässler ständig am Draht mit der Staatssekretärin für Migration, Christine Schraner Burgener, und mit Bundesrätin Karin Keller-Sutter: «Sie wollen wissen, was in St. Gallen passiert.»Mittlerweile habe man die «teils chaotischen» Zustände an der Grenze im Griff, und zumindest eine kleine gute Nachricht hatte Fässler: Fälle von Missbrauch von Flüchtlingsfrauen, wie sie in manchen Ländern bereits vorkamen, «gab es in St. Gallen zum Glück noch nicht», jedoch sei die Warnung vor dubiosen privaten Wohnangeboten dringlich.Kanton prüft Fernunterricht und SonderklassenVon den bis Dienstagmorgen registrierten 350 Geflüchteten im Kanton sind rund 100 minderjährig und davon etwa 60 im schulpflichtigen Alter. Die tatsächliche Zahl der Schulkinder ist noch unbekannt, aufgrund der erwähnten Lücken in der Registrierung. Der Kanton wolle die schulische Integration auf die Bedürfnisse der Kinder ausrichten, sagt Bildungsdirektor Stefan Kölliker. «Wir dürfen nicht mit unseren Prinzipien einfahren, sondern müssen rücksichtsvoll und flexibel vorgehen.» Zuerst sollen die Kinder Ruhe und Luft finden, um sich von den belastenden Erlebnissen zu erholen.Das Bildungsdepartement unterstützt die für die Beschulung zuständigen Gemeinden auf koordinative und fachlicher Ebene; die Szenarien gehen laut Kölliker von individueller Förderung über die Integration in die Regelklassen bis hin zur Bildung von Sonderklassen (wie sie seit dem Jugoslawienkrieg möglich wären, aber noch nie gebildet werden mussten). Mit Blick auf die angestrebte Rückkehr nach nicht zu langer Zeit gemäss Schutzstatus S sollten die Kinder soweit möglich in ihrer Sprache und nach ihrem Lehrplan unterrichtet werden. Nachdem das ukrainische Bildungsministerium über seinen Fernunterricht informiert habe, prüfe der Kanton diese Möglichkeit, sagt Kölliker. Demnach wäre eine Kombination aus schweizerischem und ukrainischem Lehrplan möglich, zumal das Schulsystem in der Ukraine «auf gutem und fortschrittlichem Stand» sei.Den Thurgauer Vorschlag, geflüchtete ukrainische Lehrkräfte einzubinden, hält der St. Galler Bildungschef für prüfenswert. Empfehlungen und Informationen verspricht man sich speziell von der eidgenössischen Erziehungsdirektorenkonferenz, die wie auch jene der Sozialdirektionen noch diese Woche tagt. Ausserdem ist ein Weiterbildungsangebot für Lehrpersonen im Umgang mit Flüchtlingskindern angelaufen. «Aktuell haben wir noch mehr Fragen als Antworten», meint Kölliker. Die Regierung danke Lehrpersonen und Schulführungen, dass sie nach der Coronakrise bereits wieder für einen Sondereinsatz bereit seien.  

Abo Aktion schliessen
News aus der Region?

Alle Geschichten, alle Bilder

... für nur 12 Franken im Monat oder 132 Franken im Jahr.