Dem Publizisten selbst gelang es mühelos, die Aufmerksamkeit der Gäste zu gewinnen. Zuerst musste aber das Rednerpult weg. Danach fragte Matthias Zehnder das Publikum, ob er Basler Dialekt reden dürfe. Er durfte, sicherte sich mit seinem natürlichen Auftreten Sympathiepunkte und lieferte mit nachvollziehbaren Fakten Einblicke in die Medienbranche. «Noch nie waren so viele Medien im Umlauf, noch nie ging es ihnen wirtschaftlich so schlecht», sagte Matthias Zehnder. Ausgenommen im Rheintal, wie er die positiven Ausführungen Urs Schneiders, des Verwaltungsratspräsidenten der Galledia Group AG, kommentierte. Doch sogleich liess er einen zweiten Widerspruch folgen: «Noch nie waren so viele Informationen verfügbar wie heute, gleichzeitig waren noch nie so viele Fake-News im Umlauf.» Wie kommt es dazu, fragte Matthias Zehnder und war bereits beim Kern seiner These. Bei der «Aufmerksamkeitsfalle».Die Gefahr, die Welt zu verzerrenEine Durchschnittszeitung diene einerseits dem Benutzermarkt, andererseits dem Anzeigenmarkt. Verbindendes Element sei die Aufmerksamkeit. Um diese zu gewinnen, sprach Matthias Zehnder plakativ in den Dimensionen des Boulevard-Journalismus von «Blut, Brüsten, Büsi». Solche Schlagzeilen sollen die Leser scharf Luft holen lassen und neugierig machen. Dadurch erhält das Unwahrscheinliche viel Aufmerksamkeit, das Wahrscheinliche hingegen wenig. Die Gefahr besteht, dass die Medien die Welt nicht mehr abbilden, sondern verzerren.Das Internet dominiert den MedienkonsumHeute ist das Internet in allen Altersgruppen das meistgenutzte Medium. Längst surfen nicht nur die Jungen, auch die sogenannten «Silversurfer», wie Internetnutzer ab 50 Jahren genannt werden. Diese Internet-Dominanz spiegle sich im Anzeigenmarkt, sagte Zehnder. Der Umsatz im Print sinkt, der Online-Umsatz explodiert. Das führt zu Fusionen grosser Medienhäuser in der Schweiz. Diese Verbunde bilden im Zeitungsmantel Texte, ohne Rücksicht darauf, ob ein Geschäft, das in Bern behandelt wird, in Basel oder St. Gallen eine unterschiedliche Bedeutung hat. Um dem entgegenzuwirken, müssen die Medien die Leser ins Zentrum rücken, und nicht nur Aufmerksamkeit erhaschen wollen.
«Bei den Fakten bleiben», lautet sein Aufruf. Er zitierte den ehemaligen US-Senator Daniel Patrick Moynihan: «Sie können ihre eigene Meinung haben, aber nicht ihre eigenen Fakten.» Dann spiele es auch keine Rolle, ob diese online oder auf Papier gelesen werden. Matthias Zehnder schloss mit Lob und der Erwartung, dass man sich im Rheintal glücklich schätzen dürfe mit eigenen Zeitungen, die einen Faktenboden legen.