16.04.2021

Die Last der Kurzarbeit verteilt sich

Im Rheintal ist der Anteil der Beschäftigten in Kurzarbeit kantonal am höchsten. Das muss nicht erschrecken.

Von Andrea C. Plüss
aktualisiert am 03.11.2022
Andrea C. Plüss«Das Instrument der Kurzar-beit entfaltet in der Coronakrise seine volle Wirkung, doch der Druck auf die Unternehmen ist gross», sagt Alessandro Sgro, Chefökonom der IHK St. Gallen-Appenzell. Kurz nach Beginn der Coronapandemie im letzten Frühjahr sind die Anmeldungen für Kurzarbeit deutlich vereinfacht worden. Betriebe erhielten durch den Abbau bürokratischer Hürden rascher Zugang zu Kurzarbeitsentschädigungen für ihre Mitarbeiter.Durch Kurzarbeit können sich in Krisenzeiten vorderhand Entlassungen vermeiden lassen. Eine coronabedingte grosse Kündigungswelle blieb auch dank dieses Instrumentariums bislang aus.10 % der Beschäftigtenin KurzarbeitSeit Ausbruch der Pandemie sind Im Wahlkreis Rheintal 3,492 Millionen Ausfallstunden durch Kurzarbeit abgerechnet worden. Das entspricht 20 % des Totals im Kanton St. Gallen. Insgesamt flossen 96,733 Mio. Franken an Rheintaler Unternehmen. Das sind 23 % aller ausbezahlten Beträge, die im Kan-ton St. Gallen über die Kurzarbeitsentschädigung abgerechnet wurden. Aufgrund der vom Bundesrat im Januar verfügten neuerlichen Einschränkungen im Zusammenhang mit der Coronapandemie hat auch im Wahl-kreis Rheintal die Kurzarbeit stark zugenommen. Dies zeigt eine Auswertung der IHK St. Gallen-Appenzell: Mit 10 % der Beschäftigten, die sich per Ende Januar in Kurzarbeit befinden, belegt der Wahlkreis Rheintal den Spitzenplatz im Kanton St. Gallen. Der kantonale Durchschnitt liegt bei 7,4 %. Den hier angegebenen Zahlen liegen die effektiv abgerechneten Werte zur Kurzarbeit per Ende Januar zugrunde. Im Vergleich zu Ende Dezember bedeutet das für den Wahlkreis Rheintal eine Zunahme der Arbeitnehmerinnen in Kurzarbeit von 36,8 %. Die Zahl der abgerechneten Ausfallstunden stieg um knapp 52 %.Auf den ersten Blick mögen diese Zahlen erschrecken. Setzt man den prozentualen Anstieg jedoch ins Verhältnis zu den abgerechneten Ausfallstunden pro Arbeitnehmer in Kurzarbeit, ergibt sich für den Wahlkreis Rheintal ein differenzierteres Bild. Ausfallstunden unter kantonalem DurchschnittZwar verfüge der Wahlkreis Rheintal über den kantonal höchsten Anteil an Arbeitnehmern in Kurzarbeit, so Alessandro Sgro von der IHK St. Gallen-Appenzell. «Betrachtet man jedoch die Ausfallstunden pro Arbeitnehmer, sieht das Bild anders aus», sagt der Ökonom. Die Zahl der abgerechneten Ausfallstunden pro Arbeitnehmer liegt im Rheintal per Ende Januar bei 51 Stunden. «Mit diesem Wert liegt der Wahlkreis Rheintal unter dem kantonalen Durchschnitt», stellt Sgro fest. Im Sarganserland beispielsweise liegen die Ausfallstunden pro Arbeitnehmer in Kurzarbeit bei 78. (Siehe dazu die Grafik). Im Rheintal ist die Zahl der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Kurzarbeit zwar anteilsmässig hoch – viele Beschäftigte sind anscheinend aber nicht zu 100 % in Kurzarbeit. Die Kurzarbeit verteilt sich demnach auf mehrere Schultern. Bei näherer Betrachtung mag die Erkenntnis nicht verwundern. Die vom Bundesrat im Rahmen der ausserordentlichen Lage verkündeten Massnahmen waren für Industrie, Gewerbe, Handel und Dienstleistungsbetriebe schweizweit zweifelsohne einschneidend. Rheintaler Unternehmen wie die SFS Group oder die Plaston AG beispielsweise führten bereits im April 2020 Kurzarbeit ein und kommunizierten dies offen. Gearbeitet und produziert wurde in beiden Unternehmen jedoch weiter. Die Kurzarbeit lag bei 20 %. Viele Unternehmen bewiesen enorme Flexibilität, wenn es darum ging, Lieferketten aufrechtzuerhalten, Ausfälle zu kompensieren und sich auf wechselnde Nachfragesituationen einzustellen. Und sie arbeiteten weiter. Aus Datenschutzgründen sind Branchenaussagen auf Wahlkreisebene nicht möglich. Vermutet werden darf jedoch, dass die im Rheintal stark vertretenen Betriebe der MEM-Branche (Metall-, Elektro-und Maschinenindustrie) allenfalls für Teile der Belegschaft und/oder mit einem geringen Prozentsatz Kurzarbeit angemeldet haben. SFS-Mediensprecher Claude Stadler hielt in diesem Zusammenhang zu Beginn der Pandemie fest: «Im Sinne der Solidarität wird SFS den Lohnausfall aller Mitarbeitenden auf vier Prozent beschränken.» Dies entspricht einer Kurzarbeit von 20 Prozent. Die Höhe der Voranmeldungen für Kurzarbeit ist im Rheintal seit Oktober stabil. Mit Blick auf den laufenden Monat April erwartet Alessandro Sgro keine weitere starke Zunahme.Leichte Erholung wohl im zweiten QuartalOb sich der coronabedingte Druck auf dem Arbeitsmarkt, der sich mit der hohen Beanspruchung von Kurzarbeit zeigt, einmal auf die Arbeitslosigkeit durchschlägt, hängt von der weiteren globalen wirtschaftlichen Erholung ab. Und davon, ob die vereinfachten Regelungen bei der Kurzarbeit im Sommer nochmals verlängert werden.Eine leichte gesamtwirtschaftliche Erholung dürfte gemäss Alessandro Sgro bereits im zweiten Quartal einsetzen. Wachstumsimpulse kommen insbesondere aus der Industrie, die von positiven Impulsen aus Asien sowie aus den USA profitiert. Die angespannte Lage am Arbeitsmarkt dürfte sich damit teilweise entschärfen.

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