16.11.2020

Die kulturelle Vielfalt sichern

Rheintaler Kulturveranstalter und Kulturakteure sind gleichermassen von Verschiebungen betroffen.

Von Benjamin Schmid
aktualisiert am 03.11.2022
Seit Veranstaltungen mit mehr als 50 Besuchern nicht mehr erlaubt sind, werden viele Konzerte, Vorstellungen und Auftritte verschoben. Etwa in der «Bierhalle» in Balgach, im Kinotheater Madlen in Heerbrugg und im «British Corner» in Rüthi.Statt abgesagt auf 2021 verschoben«Bisher haben wir noch nichts abgesagt», sagt Sacha Sapra, Inhaber der «Bierhalle», «sondern alle Auftritte zu den gleichen Konditionen auf 2021 verschoben und die Musiker das Datum auswählen lassen.» Auch im «Madlen» kam es bisher zu keinen Absagen. «Was wir durchführen können, führen wir durch», sagt Geschäftsleiterin Denise Zellweger, «den Rest haben wir auf nächstes Jahr verschoben.» Die Verträge würden weiterlaufen und die Abmachungen blieben gültig. Im «British Corner» erstellt Inhaber Bruno Gächter das Programm meist kurzfristig. «Wir mussten noch keine Gigs, bei denen wir verbindliche Vereinbarungen getroffen haben, absagen», sagt Gächter. Sie einigten sich mit den Bands meist mündlich, nur selten werden Vereinbarungen schriftlich in einem Vertrag festgehalten. Und doch sagen alle Veranstalter unisono: Die Einnahmen aus diesem Jahr fehlen.«Kulturunternehmen können im Kanton St. Gallen bis Ende 2021 Finanzhilfen in Form von Ausfallentschädigungen beantragen und neu auch Beiträge für Transformationsprojekte», sagt Katrin Meier, Leiterin Amt und Kultur St. Gallen. Die Corona-Unterstützungsmassnahmen sollen einerseits die wirtschaftlichen Auswirkungen von Covid-19 auf die Kulturunternehmen mildern und anderseits die Kulturunternehmen bei der Anpassung an die veränderten Verhältnisse unterstützen. «Ziel ist, die nachhaltige Schädigung der Kulturlandschaft zu verhindern und die kulturelle Vielfalt zu erhalten», sagt die Amtsleiterin. In diesem Sinne streben Bund und Kanton an, dass Kulturunternehmen die Kulturschaffenden für vereinbarte Engagements angemessen entschädigen, auch wenn Auftritte letztlich nicht stattfinden können.Konzertbetrieb am Leben erhalten«Bisher wurden 50 Auftritte abgesagt», sagt Musiker Peter Lenzin, «bis auf einen bezahlten die Veranstalter keine Gage. Sie sagten ab und gaben mir, falls möglich, ein neues Datum.» Gewisse werden sich nicht mehr melden, andere bieten Termine für 2022 oder 2023 an. Bis September habe das Amt für Kul-tur Künstler unterstützt. Seit den Änderungen vom 28. Oktober kriegen sie nichts mehr.«Dank der Künstlerausfallentschädigung konnten viele Kulturschaffende Ersatzzahlungen von bis zu 80 Prozent der ausgefallenen Gagen beantragen», sagt Musiker Carlo Lorenzi. Jetzt müssen sich Künstler neu erfinden und Wege suchen, um Konzerte und Auftritte durchführen zu können. Für viele Menschen bedeute Kultur das Salz in der Suppe des Lebens. Das Allerwichtigste sei, den Konzertbetrieb so gut es geht am Leben zu erhalten. «Für uns Musiker ist das Livespielen auch seelisch maximal relevant.»«Ich vermisse es, vor Publikum aufzutreten», sagt Musiker Claudio Söldi (ClarkS). Es fühle sich speziell an, in dieser Zeit Musiker zu sein. Mit Auftritten finanziere er seinen Lebensunterhalt mit. Dieses Geld fehle jetzt. Veranstalter zahlten bei Absagen keine Gagen aus, meistens weil sie selbst keine Einnahmen generieren konnten. Ein Teufelskreis, so der Musiker. Kultur sei ein Geben und Nehmen. Natürlich sei man froh, auftreten zu können, trotzdem dürfen die Wertschätzung und der Respekt für Kulturschaffende nicht fehlen.Sich gegenseitig nicht verärgern«Es ist tatsächlich eine äusserst herausfordernde Zeit für Kulturschaffende und Veranstalter», sagt Sabina Saggioro, Geschäftsführerin der Rheintaler Kulturstiftung. Weil die Stiftung keine rechtliche Beratung anbietet, sondern vor allem Projekte fördert, könne sie nur schauen, dass die relevanten Informationen zu den Kulturschaffenden gelangen. Bei geförderten Projekten, die verschoben oder abgesagt werden mussten, bespreche sie mit den jeweiligen Partnern Lösungsvarianten, damit das Projekt zu einem späteren Zeitpunkt umgesetzt werden kann. «Einmal gewährte Projektbeiträge bleiben auch bei Verschiebungen bestehen», sagt Sabina Saggioro. Das gebe den Betroffenen eine gewisse Planungssicherheit. Eine Sicherheit, von der Denise Zellweger nur träumen kann. Unter den derzeitigen Bedingungen sei eine Planung kaum möglich. «Wir wollen nichts absagen, um dann festzustellen, wir hätten es doch durchführen können», sagt die Geschäftsleiterin.Es ist eine schwierige Situation für alle: Die Veranstalter brauchen die Künstler, aber auch die Künstler seien auf die Veranstalter angewiesen. «Wir sitzen alle im gleichen Boot», sagt Bruno Gächter, «deshalb ist es wichtig, sich gegenseitig nicht zu verärgern.»Bei den meisten Buchungen im Rheintal werden keine Verträge unterzeichnet, da sich Organisator und Musiker normalerweise persönlich kennen und der Umgang locker ist. «Wenn hier unverschuldet beziehungsweise wegen Corona abgesagt werden muss, stösst man gegenseitig auf Verständnis und Enttäuschung», sagt Sacha Sapra.

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