01.09.2022

Die Kleider für das Biedermeierfest in Heiden

Viele der Kostüme kommen aus dem Biedermeierkleiderverleih von Corina Schlumpf.

Von Malena Widmer
aktualisiert am 02.11.2022
Dieses Wochenende feiert das Dorf die Biedermeierzeit. Das Fest ist auf ein Unglück im Jahr 1838 zurückzuführen. Heiden brannte damals innert weniger Stunden fast komplett nieder, worauf die Bewohnenden das Dorf in der klassizis­tischen Architektur der Biedermeierzeit wieder aufbauten. Das Vorderländer Dorf bietet heute die perfekte Kulisse fürs Fest. Seit 1996 findet es alle vier Jahre statt. Damen, Herren und Kinder flanieren in Kostümen durch das Dorf und empfangen Gäste. Corina Schlumpf hat schon seit Wochen viel zu tun: Sie verleiht die Kostüme.Ins Biedermeierbusiness reingerutschtFür Corina Schlumpf ist das Schneidern der Biedermeierkostüme ein Hobby, das sie mit Leidenschaft pflegt. Dies seit mehr als 20 Jahren. «Ich bin da reingerutscht», sagt sie. Ihr verstorbener Mann war Gründungsmitglied des Vereins Biedermeier Heiden, so kam auch sie in Kontakt mit der vergangenen Zeit.Als sie zum ersten Mal an einem Biedermeieranlass teilnahm, sei die Begeisterung für die Zeit im 19. Jahrhundert auf sie übergesprungen, sagt Schlumpf. Sie erinnert sich: «Auf  die Schnelle wurde damals ein Kleid für mich angepasst. Der Umzug, an dem ich teilnahm, gefiel mir sehr. Für mich stand fest, dass ich mich weiter mit dieser Zeit beschäftigen möchte.» Kurz darauf machte sie sich an die Arbeit für ein eigenes Kleid: «Ich liess mich in der Bibliothek im Textilmuseum St.Gallen inspirieren. Dort studierte ich Modezeitschriften, betrachtete Gemälde und las über die Bieder­meierzeit.» Die Biedermeierschneiderlust packte die gelernte Coiffeuse. Genäht habe sie immer schon gerne, sagt sie. Von Rosmarie Graf habe sie den Biedermeierkleiderverleih in Heiden übernommen und ausgebaut, mittlerweile umfasst das Angebot 63 Damenkleider, diverse Herren- und Kinderkostüme sowie eine Auswahl an Biedermeiermarktkleidern.Mindestens 30 Stunden Arbeit für ein KleidDie Damenkleider näht Corina Schlumpf selbst. «Um ein Kleid zu schneidern, brauche ich rund 30 Stunden», sagt sie. Die Arbeit sei damit noch nicht getan, zu jedem Kleid gehören nämlich Kopfbedeckung und Accessoi­res. «Bis ich alles zusammenhabe, sitze ich oft bis tief in die Nacht an einem Kostüm.» Bei den Damenkleidern arbeitet sie mit einem Grundschnittmuster, das sie immer wieder weiterentwickelt: Hier ein bisschen Spitze, da eine neue Kragenform. Auch bei der Stoffauswahl lässt sie ihrer Kreativität freien Lauf. «Ich verwende oft Vorhangstoffe, die haben die unterschiedlichsten Farben und Muster und lassen sich gut verarbeiten.» Grundsätzlich arbeite sie mit allen möglichen Stoffen «von Baumwolle bis Satin». Auch die Farben kombiniert Schlumpf nach Lust und Laune. Früher, in der Biedermeierzeit, sei man weniger engstirnig gewesen, erzählt sie: «Da hat man auch mal ein rosa Kleid mit einem schwarzen Hut getragen.» Von den heutzutage selteneren Kombinationen lasse sie sich bei ihren Entwürfen inspirieren. So wirke die Gesamterscheinung viel frischer, erklärt Schlumpf. Zu jedem Damenkleid gehören Handschuhe, Knickschirm, Beutelchen und Schute. Schlumpf stimmt sie allesamt auf die Farbe und den Stoff des Kleides ab.Auch die Herren werden im Kleiderverleih fündig. In der Biedermeierzeit trugen sie üblicherweise Gehröcke und bunte Westen. «Mit den bunten Westen freunden sich viele Herren heutzutage nicht mehr an, es braucht meist Überredungskunst, sie an die männliche Kundschaft zu bringen», erzählt Schlumpf lachend. Auch Halsbinde, Spazierstock und Zylinder dürfen bei den Männerkostümen nicht fehlen.Die Schneiderin hat eine umfangreiche Sammlung an Zylindern, und doch: «Die Männer haben heute einfach zu grosse Köpfe», sagt Schlumpf. Die älteren ihrer Zylinder sind für die meisten Kunden zu klein. Doch Schlumpf weiss sich zu helfen: Notfalls finde sich ein neueres Modell aus Filz anstatt Biberfell.Corina Schlumpf  ist am Biedermeierfest am Wochenende auch anzutreffen, sie betreibt dort einen eigenen Marktstand. Es wird viel los sein, aber trotzdem freut sie sich: Viele ihrer Kleider wird Schlumpf dann zum ersten Mal «in action» sehen. «Es ist eine Freude, wenn ich Leute in meinen Kleidern vorbei­laufen sehe», findet die Hobbyschneiderin.Das 8. Biedermeierfest in Heiden1996 wurde der Verein Biedermeier Heiden gegründet, kurz darauf fand das erste Biedermeierfest statt. Für die achte Ausgabe dieses Wochenende ist viel geplant. Am Handwerker-, Gewerbe- und Nostalgiemarkt in der Seeallee kann man An­denken ersteigern, traditionelle Handwerke bestaunen oder sich die Haare im Biedermeierstil frisieren lassen. Zudem gibt es Kutschenfahrten und diverse Verpflegungsmöglichkeiten. Ein Höhepunkt ist der Umzug durch das Dorf am Sonntag von 14 bis 15 Uhr. Imposante Kostüme kann man sich ansehen. Mehr Informationen zum Fest und das Programm sind auf der Website des Vereins unter www.bieder meier.ch zu finden.

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