12.06.2019

Die Kesb kann den Weg an die Urne ebnen

Kantonsrat. Auch wer eine psychische oder geistige Behinderung hat, darf wählen und abstimmen, sofern er urteilsfähig ist. Dies hält die Regierung zu einer Interpellation Meinrad Gschwends fest.

Von Max Tinner
aktualisiert am 03.11.2022
«Menschen mit einer Behinderung sind Menschen wie du und ich», hielt Meinrad Gschwend, Kantonsrat der Grünen Partei, gestern in der Session fest, «sie wollen ernst genommen werden, mitreden und mitbestimmen.» Doch speziell letzteres kann nicht, wer psychisch oder geistig beeinträchtigt ist und deswegen unter eine umfassende Beistandschaft gestellt wurde. Die systematische Verweigerung politischer Rechte sei aber diskriminierend und verstosse gegen Völkerrecht, beschwerte sich Gschwend.Er hatte deshalb im Februar einen Vorstoss eingereicht, in dem er für psychisch oder geistig Behinderte mehr Partizipation forderte und für die Schweizer Bürgerinnen und Bürger unter ihnen im Besonderen das Wahl- und Stimmrecht.Dies können nicht alle nachvollziehen. Nach der Berichterstattung in unserer Zeitung (in der Ausgabe vom 20. Februar), bekam Gschwend mehrere Anrufe und E-Mails. Man traut geistig Behinderten gemeinhin nicht zu, dass sie sich eine eigene Meinung bilden können.Dem hielt Gschwend gestern im Rat das Beispiel eines ihm bekannten 40-jährigen Mannes mit einer geistigen Behinderung entgegen, den er als Vorstandsmitglied der Behinderteninstitution Rhyboot kennengelernt hat. Der Mann lebe trotz geistiger Behinderung bei leichter Betreuung selbstständig, arbeite im Rhyboot, fahre mit dem Velo dorthin, integriere sich in die Gesellschaft und sei politisch sehr interessiert. Er schaue sich im Fernsehen die «Tagesschau» und die «Rundschau» an, habe eine Meinung und verstehe die politischen Abläufe womöglich besser als mancher Stimmberechtigte. Und obwohl er dies gerne würde und darunter leide, dürfe er dennoch nicht wählen und abstimmen – eben weil er unter einer umfassenden Beistandschaft stehe.Beistandschaften werden heute massgeschneidertIn ihrer Antwort auf Gschwends Interpellation hält die Regierung fest, dass es gar kein neues Gesetz braucht, um die Situation des Mannes zu ändern. Mit dem Wechsel zum neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrecht auf das Jahr 2013 hin habe man die Selbstbestimmung fördern wollen und dazu die früheren Vormundschaften durch massgeschneidert gestaltbare Beistandschaften ersetzt, schreibt die Regierung. Heute seien Beistandschaften möglich, die es psychisch und geistig Behinderten erlauben, ihre politischen Rechte wahrzunehmen. Beistände und Betroffene hätten zudem jederzeit die Möglichkeit, eine Anpassung der Beistandschaft zu beantragen. Die regionale Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) werde sich bei der Beurteilung am Grundsatz orientieren, «die Rechte der Person so wenig wie möglich und so viel wie nötig einzuschränken».Die Regierung verspricht in ihrer Antwort zudem, die Kesb über das kantonale Amt für Soziales über den Vorstoss zu informieren und sie so für das Anliegen zu sensibilisieren. Meinrad Gschwend zeigte sich in seiner Stellungnahme vor dem Rat hocherfreut darüber.

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