14.02.2021

Die Jugendlichen nicht vergessen

Junge leiden unter den Einschränkungen der Pandemie. Umso wichtiger ist es, ihnen Rückzugsmöglichkeiten zu bieten.

Von Benjamin Schmid
aktualisiert am 03.11.2022
Kein Ausgang, keine Partys, keine Open Airs und auch die langersehnten Ferien ohne Eltern sind in weite Ferne gerückt. Die Coronakrise macht vielen zu schaffen, doch besonders stark davon betroffen sind Kinder und Jugendliche. «Sie mögen von den direkten gesundheitlichen Folgen der Pandemie wenig betroffen sein, sind aber durch die verhängten Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie in ihrer Lebenswelt und in ihren Entwicklungsaufgaben massiv eingeschränkt», sagt Roger Märkli, Bereichsleiter Jugendnetzwerk der Sozialen Dienste Mittelrheintal. Auch Ruedi Gasser, Leiter Jugendarbeit Oberes Rheintal, stellt fest, dass sich die Situation der Jugendlichen in den letzten Wochen und Monaten verschlechtert hat. Ihre Entwicklungsaufgabe besteht darin, sich vom Elternhaus loszulösen. Sie müssen sich ein eigenes Leben aufbauen und beginnen eine Berufs- oder eine weiterführende Ausbildung. «All das wird durch die aktuelle Gesundheitskrise verunmöglicht oder erschwert», sagt der Jugendberater. Mit verheerenden Folgen, wie eine Studie des Bundes bestätigt: Die Zahl der Depressionen bei Jugendlichen hat sich seit Beginn der Pandemie versechsfacht.Rausgehen und Spass haben, aber wo?«Es sind die sozialen Kontakte, die fehlen», sagt Daniela Benz, von der offenen Jugendarbeit Au, «die Kontaktbeschränkungen treffen die Jugendlichen zu einer Zeit in ihrem Leben, in der die Interaktion nach aussen mit Freunden und Gleichaltrigen für ihre Entwicklung eine immense Rolle spielt.»Auch wenn das Handy für viele Jugendliche das Tor zur Aussenwelt sei, stelle er eine digitale Sättigung fest. «Physische Treffen haben eine hohe Be­deutung», sagt Roger Märkli, «umso wichtiger ist es, dass wir ihnen diese Möglichkeit bieten und die Jugendtreffs offenhalten.»Gerade das ist schwer umzusetzen, zumal nicht der Bund, sondern die Kantone darüber entscheiden. «Unser Jugendraum hat auf Weisung des Kantons seit Mitte Dezember geschlossen», sagt Claudia Klee, Präsidentin der Jugendkommission Oberegg-Reute, «mit diesen Vorlagen müssen wir viele Jugendliche abweisen und das entspricht nicht unserer Jugendarbeit.» Aktuell werde abgeklärt, ob der Jugendraum samstags ohne Betreuung für Jugendliche geöffnet werden darf.Während der Jugendtreff Rheineck bereits seit Juni 2018 geschlossen ist, blieben die Türen zum Jugendtreff Finslergut in Thal seit März zu. «Wir haben die Schliessung nach Rücksprache mit der Gemeinde beschlossen», sagt Silvio Forrer, Präsident Verein Jugend und Freizeit. «Da wir die Abstandsregel nicht einhalten und die Maskenpflicht nicht durchsetzen konnten, blieb uns keine Alternative.» Die Präsidentin der Kinder- und Jugendkommission Thal hofft, dass Jugendliche andere Möglichkeiten gefunden haben, sich zu treffen. Kontakte über soziale Medien seien keine Alternative. «Die Jugendlichen tun mir leid», sagt Susanne Looser. Ein kleiner Trost für jene, die gerne rausgehen und Spass haben möchten, aber keine geeignete Infrastruktur vorfinden.Anders präsentiert sich die Lage im Mittel- und Oberrheintal: Die Jugendtreffs in Au, Berneck, Widnau, Diepoldsau und Altstätten haben dank Schutzkonzept geöffnet.Da sich auch im öffentlichen Raum nur fünf Personen treffen dürfen, schränken sich die Begegnungsorte ein. Gemäss Daniela Benz seien Pausenplätze, Tankstellen und Bahnhöfe bei Jugendlichen ebenso gefragt zum Abhängen wie Pärke, das elterliche Haus und der Jugendtreff. «Und natürlich finden Begegnungen im virtuellen Raum auf sozialen Medien statt», sagt die Sozialarbeiterin. Die Jugendlichen sind kreativ und nutzen digitale Angebote spielerisch. Es wird gemeinsam gegamt, genetflixt, gesungen, an Challenges mitgemacht, getanzt, musiziert und diskutiert», sagt Ruedi Gasser, «dennoch kenne ich Jugendliche, die sich Sorgen machen, Ängste haben und verunsichert sind.»Verschiedene Studien und Aussagen von Fachleuten deuten darauf hin, dass sich die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in den letzten Monaten stark verschlechtert hat.Angst, Einsamkeit und eine ungewisse Zukunft«Wir können nicht davon ausgehen, dass junge Menschen das alles einfach so wegsteckten», sagt Roger Märkli, «ausserdem dürfe man nicht erwarten, dass sie nach Corona wieder funktionierten, als wäre nichts gewesen.» Einerseits machen sich viele Jugendliche Sorgen um Angehörige, die erkrankt sind, andererseits sind sie bezüglich Berufswahl verunsichert. Dazu kommen die üblichen Probleme von Teenagern: die Entwicklung der eigenen Identität, den Aufbau und die Erweiterung so­zialer Kompetenzen und das Eingehen intimer Beziehungen. Darüber hinaus schränkt Corona die Unbeschwertheit der Jugend stark ein: keine Konzerte, keine Austauschsemester, weder Kino- noch Restaurantbesuche.«Jede Krise bietet auch Chancen», sagt Ruedi Gasser. So habe man viel mehr Zeit für die Familie, das Haustier ein neues Hobby oder gemeinsame Aktivitäten. Auch der Austausch mit Jugendlichen bekomme mehr Zeit und Raum – was spannende Möglichkeiten offeriere.«Man darf die Jugendlichen nicht vergessen», sagt Roger Märkli, «wichtig wäre für sie jetzt ein deutliches Signal der Anerkennung für das, was sie gerade leisten.»Eingeschränkte ÖffnungszeitenIm Jugendtreff Au dürfen maximal sieben Jugendliche unter 16 Jahren gleichzeitig betreut werden. Der Treff ist mittwochs von 15 bis 18 Uhr und freitags zwischen 18 und 21.30 Uhr geöffnet.Die Jugendtreffs in Berneck, Widnau und Diepoldsau haben ihre Öffnungszeiten in Blöcke aufgeteilt. Pro Zeitblock können sich in Berneck vier, in Widnau und Diepoldsau je neun Jugendliche anmelden. Die Zeitblöcke hat man den Bedürfnissen der Jugendlichen angepasst und aufgrund grosser Nachfrage sogar erweitert.Der Jugendtreff «UG14» in Altstätten ist mittwochs von 13.30 bis 19 Uhr und donnerstags bis samstags von 16 bis 19 Uhr geöffnet. Während mittwochs und freitags der Treff für Zwölf- bis 15-Jährige geöffnet hat und maximal 20 Jugendlichen Platz bietet, dürfen donnerstags und samstags Zwölf- bis 18-Jährige kommen. Dann ist der Platz auf fünf Personen limitiert.Hinweis: Weitere Informationen sind im Internet zu finden unter:www.jnw-sdm.chwww.jugend-or.ch/jugendtreff

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