18.12.2019

Die Holzdecke gab den Anstoss

Andreas Ennulat geht nach 20 Jahren als evangelischer Pfarrer Wolfhaldens in Pension.

Von Astrid Zysset
aktualisiert am 03.11.2022
An den Moment, als er das erste Mal die Kirche Wolfhalden betrat, erinnert sich Andreas Ennulat noch genau. Es war ein Novembernachmittag im 1999. Kalt und nass war es draussen, drin warfen Leuchter ein fahles Licht zu Boden und machten den Blick frei auf einen «hässlichen grünen Teppich». Die Kirchenbänke standen eng beieinander, die Kanzel ragte aus der Orgel empor und der Boden war rot geklinkert. Ennulats Gedanke: «Schlimmer geht’s nicht.» Dann richtete er seinen Blick zur Decke. Das Holzgewölbe, das sich «mit einer wohlwollenden Sanftheit über alles unter ihr erhob», wie Ennulat sagt, entfaltete eine besondere Atmosphäre. «Mir wurde warm. Und ich entschied mich, meine Bewerbung für die Stelle des Pfarrers einzureichen.»Gestern Sonntag, 20 Jahre nach diesem Novembertag, nahm Ennulat nun Abschied von dieser Kirche und seiner Stelle als Pfarrperson. Er trat in den Ruhestand. Ein Schritt, der ihm leicht fällt:«Die Verantwortung über all die Jahre tragen zu müssen, war anstrengend.» Nun dürfe er Kirche leben.Ein Pfarrer, der aus dem Rahmen fielEnnulat nahm als Ausgangspunkt für seine Predigten keine klassische Bibelstelle, sondern Aktuelles. Dies setzte er dann Worten aus der Bibel gegenüber. Der Weg ist anders als der, den die meisten Pfarrer wählen. Doch Ennulat machte vieles anders. Er lud zu Diskussionsrunden, politischen Bettagsgesprächen, Bauernhof- oder Rockgottesdiensten. «Ich organisiere gern Anlässe, zu denen Grenzgänger kommen», sagt Ennulat und meint die Personen, die sonst nur wenig mit der Kirche zu tun haben wollen. Zudem setzte er sich für mehr Zusammenarbeit der Kirchgemeinden im Vorderland ein, die Sozialdiakonie wollte er gestärkt wissen. Jedoch ging dies nicht so einfach wie erhofft. «Die Angst vor Veränderungen gehört zur DNA von Institutionen. Bestehende Strukturen aufzubrechen, ist langwierig», so Ennulat. Dass die Diskussion um eine Zusammenlegung der Kirchgemeinden noch nicht so weit fortgeschritten ist, wie er dies wünschte, sei das Einzige, was ihn rückblickend nachdenklich stimme. Trotzdem: «Ich bin zufrieden. Ich hatte eine schöne Zeit mit vielen bereichernden Begegnungen.»Stolz ist Ennulat, dass er während seiner Laufbahn stets versuchte, «die Ränder» der klassischen Kirchenarbeit abzudecken. Damit sind die Themen umschrieben, die sich ausserhalb des Geschriebenen in der Bibel befinden: Literatur, Philosophie, Geschichte. «Ich bin ein analytischer Mensch, der gern hinterfragt und Verknüpfungen herstellt.» Seit rund zwei Jahren treffen sich Pfarrpersonen und diakonische Mitarbeiter des Vorderlandes zu Sitzungen des «Teams Vorderland». Dieses zentralisierte auch die Bildungsarbeit. Bei der Veranstaltung «Was glaubt die Welt?» konnten sich verschiedene Religionsgemeinschaften vorstellen. Folgeanlässe wie «Was isst die Welt?» mit kulinarischem Angebot und «Wie klingt Religion?» rundeten die Reihe ab. Auch der Velowanderweg, der im Rahmen des Reformationsjubiläums lanciert wurde, ist ein Beispiel für die Bearbeitung solch thematischer «Ränder». «Es brauchte viel Power», so Ennulat. «Aber wir haben viel erreicht.»Zahlreiche Aufgaben stehen in Zukunft anWas macht er nach seiner Pensionierung? Langweilig dürfte es Ennulat nicht werden. Nach wie vor wird er als Vizepräsident des Henry-Dunant-Museums in Heiden tätig sein, Anlässe für den Verein «Kirche und Kultur – Kultur in der Kirche Wolfhalden», den er einst lancierte, organisieren und in der SP-Kantonalpartei sowie der SP-Sektion Vorderland aktiv sein. Im Rahmen Letzterer organisiert er demnächst eine Veranstaltungsreihe namens «Der rote Stuhl». Regierungsräte können sich auf einer Plattform zeigen und Stellung beziehen zu aktuellen Themen. «Alle haben zugesagt, dass sie innert der nächsten drei Jahre einmal dabei sein werden», freut sich der Pfarrer.Ennulat blickt zuversichtlich voran und mit einem guten Gefühl zurück. Auch die Kirche gefällt ihm nach der Sanierung 2010 sehr gut. Den Schlüssel der einstigen Eingangstür hatte er vor Baubeginn noch «gerettet», wie er im Abschiedsgottesdienst sagte. Er überreichte ihn Nachfolger Daniel Kiefer.

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