01.12.2020

Die Hochhäuser werden kaum noch voll

Wer im Rheintal eine Bleibe sucht, dürfte rasch fündig werden. Besonders viele freie Wohnungen gibt es derzeit in St. Margrethen.

Von Seraina Hess
aktualisiert am 03.11.2022
Immer mehr Wohnungen bleiben ohne Mieter. Das ist eine Entwicklung, die sich seit einiger Zeit abzeichnet, wie die Erhebung des Bundesamtes für Statistik zeigt. Im letzten Jahrzehnt hat sich die Anzahl unbewohnter Wohnungen im Rheintal mehr als verdoppelt: von 407 auf rund 890. Ähnlich verhält es sich mit der Leerwohnungsziffer, die für Vergleiche herangezogen wird. Dabei handelt es sich um den Anteil leer stehender Wohnungen gemessen am Gesamtbestand. Während also 2010 noch 1,35 Prozent der Rheintaler Wohnungen unbewohnt waren, sind es in diesem Jahr rund 2,5 Prozent. Zum Vergleich: Schweizweit stehen derzeit 1,72 Prozent der Wohnungen leer, im Kanton St. Gallen sind es  sind es mit 2,41 schon deutlich mehr. Tatsächlich ist der Leerwohnungsbestand im Kanton im Vergleich zum Vorjahr um ganze zwölf Prozent gestiegen; im Rheintal hat die Anzahl leer stehender Wohnungen zwar auch zugenommen, allerdings nur um 3,4 Prozent, von 861 auf 890 Wohnungen.Angebotsmieten seit 2015 leicht gesunkenGemäss Matthias Hutter, Geschäftsführer des  Diepoldsauer Immobilienunternehmens Sonnenbau Gruppe, sind es vorrangig Mietwohnungen, die den Leerstand in die Höhe treiben, nicht aber das nach wie vor beliebte Wohneigentum. Der Markt präsentiere aktuell ein Überangebot an Mietobjekten. «Bei einer Leerstandziffer von gut zwei Prozent spricht man von einem ausgewogenen Gefüge auf dem Wohnungsmarkt. Steigt die Zahl über den genannten Wert, ist von einem Überangebot die Rede. Folglich geraten die Angebotsmieten unter Druck.» Einen leichten Mietzinsrückgang im Rheintal beobachtet Hutter seit 2015.Verglichen mit den Leerwohnungsbeständen anderer St. Galler Wahlkreise befindet sich das Rheintal aber noch immer im Mittelfeld. Eine höhere Leerwohnungsziffer weisen etwa die Wahlkreise Rorschach (3,24 Prozent), St. Gallen (2,85) und Toggenburg auf (2,65). Eine tiefere Ziffer gibt es in den Regionen See-Gaster (2,19), Wil (1,92), Sarganserland (1,69) und Werdenberg (1,65).Leerwohnungsbestand im RheintalQuelle: Bundesamt für Statistik / Grafik: ebEine Gemeinde schert ausWährend sich die meisten Gemeinden im Rheintal mehr oder weniger im kantonalen Mittel oder sogar deutlich darunter bewegen, schlägt 2020 eine Gemeinde gegen oben aus. St. Margrethen überholt innerhalb des Wahlkreises nicht nur die Gemeinde Au, die jahrelang einen hohen, wenn nicht sogar den höchsten  Leerwohnungsbestand verzeichnet hatte. St. Margrethen steht mit 5,83 Prozent auch kantonal an der Spitze, denn prozentual mehr leere Wohnungen gibt es in keiner anderen Gemeinde.  Der rasche Anstieg um rund 81 Prozent – von 95 auf 172 leere Wohnungen – lässt sich auch nicht mit einer starken Bautätigkeit erklären. Denn gestiegen ist der Gesamtwohnungsbestand nur um zwölf auf insgesamt 2948 Wohnungen. «Wir haben die hohe Leerwohnungsziffer per 1. Juni im Sommer analysiert», bestätigt Gemeindepräsident Reto Friedauer auf Anfrage.  Vergleichsweise viele leere Wohnungen gebe es vor allem in den beiden Hochhäusern. «Generell lässt sich sagen, dass sich die Leerstände hauptsächlich in älteren Mehrfamilienhäusern an der Kantonsstrasse und anderen verkehrsorientierten Strassen mit entsprechenden Immissionssituationen konzentrieren.» Das heisst also: Je älter die Liegenschaft und je mehr Verkehrslärm, desto schwieriger wird es, Wohnungen an den Mieter zu bringen. Reto Friedauer ergänzt: «Wir haben aber auch festgestellt, dass Mehrfamilienhäuser in die Statistik eingeflossen sind, die wegen laufender Sanierungs- und Erneuerungsarbeiten ganz oder teilweise leer standen. Die Leerwohnungsziffer ist auf jeden Fall eine Momentaufnahme, die grösseren Schwankungen unterliegen kann.» Das trifft vor allem auf Gemeinden mit einem tiefen Gesamtwohnungsbestand zu. Gerade dort sind die Zahlen mit Vorsicht zu geniessen: «Je nachdem, ob ein grösseres Bauprojekt vor oder nach dem Jahreswechsel auf den Markt kommt, beeinflusst das die Statistik. Demnach ist ein Mehrjahresvergleich für eine fundierte Aussage essenziell», bestätigt Matthias Hutter. Ein Beispiel ist Eichberg: Die Gemeinde hatte erst im letzten Jahr noch eine Rekord-Leerwohnungsziffer von 6,49 Prozent – heuer liegt sie bereits wieder bei 3,24 Prozent, obschon sich der Leerstand um gerade einmal 22 Wohnungen verringert hat.Au ist bei Investoren seit Jahren beliebtKonstant hohe Leerstände von bis zu fünf Prozent weist hingegen die Gemeinde Au auf, die 2020 mit 4,66 Prozent die Rangliste nach St. Margrethen anführt. Gemeindepräsident Christian Sepin bestätigt: «Unser Leerwohnungsbestand ist seit ein paar Jahren relativ hoch, ebenso das Wachstum der Bevölkerung. Ausserdem stellen wir eine rege Bautätigkeit fest.»Matthias Hutter geht davon aus, dass das Angebot in den nächsten Jahren nicht abnehmen wird, zumal Renditeimmobilien bei den aktuell tiefen Zinsen für Investoren nach wie vor attraktiv sind. «Früher oder später wird aber eine Sättigung eintreten. Die Frage ist nur, wie lange Eigentümer bereit sind, steigende Leerstände in Kauf zu nehmen.»

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