03.03.2022

«Die Hilfe ist überwältigend»

Vor acht Tagen begann der Krieg in der Ukraine. Immer mehr Menschen im Rheintal verspüren das Bedürfnis zu helfen.

Von Andrea C. Plüss/Video: Sara Burkhard
aktualisiert am 02.11.2022
Sie wollen nicht tatenlos zusehen sondern den Ukrainerinnen und Ukrainern, die im Land geblieben sind, helfen. Die in U-Bahnhöfen ausharren, ihre Wohnungen durch Raketenangriffe verloren haben, denen es schlicht an vielem – wenn nicht an fast allem – fehlt. «Mein Chef hat mir die Zeit eingeräumt, mich um die Spenden zu kümmern», sagt Martin Nägele.[caption_left: Marietta und Peter Lebdowicz brachten am Donnerstagmorgen Wolldecken und Schlafsäcke zur Sammelstelle beim evangelischen Kirchgemeindehaus an der Neugasse in Widnau.]Der Diakon der reformierten Kirchgemeinde in Widnau ist für eine Hilfsgütersammlung zuständig, die gestern Donnerstag begann. Wir haben dort vorbei geschaut. Bereits am Vorabend hätten viele Leute Sachspenden abgegeben, sagt Nägele. Gesucht werden vor allem Decken, Matten, Schlafsäcke, Taschenlampen, Erste-Hilfe-Kits, Schmerzmittel etc. Von einer Ärztin habe er Schmerztabletten erhalten, ein Garagist habe einige Erste-Hilfe-Sets für Autos vorbeigebracht. [caption_left: Diakon Martin Nägele mit zwei freiwilligen Helferinnen: Linda Wilke (Mitte) und Andrea Schwägler.] Hilfsgüter gehen zahlreich einDie Evangelische Kirchgemeinde Widnau-Diepoldsau-Kriessern schloss sich Anfang Woche einer Hilfsaktion an, die der aus Frümsen stammende EVP-Kantonsrat Hans Oppliger ins Leben gerufen hat. Seit vielen Jahren pflegt Oppliger enge Verbindungen in die Ukraine. Sortiert und umgepackt werden die Hilfsgüter, auch jene, die in Widnau abgegeben werden, in Salez, und von dort aus in die Ukraine gebracht. Der erste Transport startete bereits am Montagabend. Zwei weitere Termine zur Abgabe von Spenden bietet die evangelische Kirchgemeinde am Montag, 7. März, und Donnerstag, 10. März, an (jeweils von 8 bis 16.30 Uhr beim Kirchgemeindehaus in Widnau). «Vielleicht ist der Termin am Donnerstag schon fast zu spät», befürchtet Martin Nägele. Transporte in die Ukraine werden zunehmend schwieriger. Ebenso eine Verteilung der Hilfsgüter im Land selbst. Auch die Rheintaler Sektion der Osthilfe Rumänien nahm gestern in Widnau Hilfsgüter entgegen. Deren Projektpartner in Rumänien hatten um Sachspenden für Flüchtlinge aus der Ukraine gebeten. Ukrainische Familien kommen im Rheintal an Am Donnerstagmorgen hiess es in den Nachrichten, bereits eine Million Menschen seien aus der Ukraine geflohen. Mit weiteren Millionen sei zu rechnen. Aus der Ukraine Geflüchtete erreichen mittlerweile auch die Schweiz. Seit Dienstag nehme er vermehrt Personen aus der Ukraine wahr, die über die Grenze ins Rheintal kommen, sagt Martin Tschirren. Er ist Gruppenchef bei der Grenzwacht und in St. Margrethen und Au im Einsatz. Überwiegend handle es sich um Ukrainerinnen mit ihren Kindern, die  einen familiären Bezug zur Schweiz hätten.  «Aber es kommen jetzt auch Geflüchtete, die um Asyl bitten», sagt der Grenzschutzbeamte. Denen wollen Martin Tschirren und seine Partnerin Sabrina Lüchinger helfen, rasch eine Unterkunft zu finden. Sein Engagement sei «rein privat», sagt er. Zusammen haben sie am Mittwoch einen Whatsapp-Aufruf an 500 Freunde und Bekannte  geschickt, mit der Bitte, Unterbringungsmöglichkeiten für schutzbedürftige Menschen aus der Ukraine zu melden. Seien es leerstehende Einlieger- oder Ferienwohnungen oder verfügbare Zimmer im selbstbewohnten Haus. Tschirren sagt: «Wenn es noch schlimmer wird mit der Flüchtlingssituation, wollen wir vorbereitet sein.» Es gelte, den betroffenen Familien schnell und unkompliziert zu helfen. Mittwochnacht schalteten sie eine eigens erstellte Website www.shelter-ukr.ch auf. Dort wird das Projekt erläutert, es finden sich zudem  rechtliche Hinweise und Kontaktangaben. Stand Donnerstagmorgen sind dem Paar aus Montlingen bereits 16 Unterkünfte für 51 Personen gemeldet worden. «Die Hilfe ist überwältigend», sagt Martin Tschirren. Aus der ganzen Ostschweiz, sogar aus Süddeutschland hätten sich Leute gemeldet und Wohnraum im Rheintal angeboten. Private Unterbringung ist möglichEine private Unterbringung geflüchteter Ukrainerinnen und Ukrainer in der Schweiz ist möglich, sofern sie einen biometrischen Pass besitzen. Für 90 Tage dürfen sich diese Personen dann visumfrei im Schengen-Raum aufhalten, schreibt das Staatssekretariat für Migration (SEM). Privatpersonen können ukrainische Staatsangehörige bei sich aufnehmen, sofern die Unterbringung kostenlos erfolgt. Zweittext:Frauen und Kinder bekommen Beschäftigungsräume in ContainernVergangenen Montag lud ein Kran vier Container auf dem Areal des Bundesasylzentrums an der Bleichmühlistrasse 6 in Altstätten ab. Anwohner hatten einen Flyer im Briefkasten, da die Strasse kurzzeitig blockiert war. Die Container sind sicher für ukrainische Flüchtlinge, mag der eine oder die andere gedacht haben. [caption_left: Vier Container stehen seit Montag beim Bundesasylzentrum in Altstätten.] Dem sei nicht so, teilt Lukas Rieder vom Staatssekretariat für Migration (SEM) auf Anfrage mit. Die vier Container seien bereits vor Monaten bestellt worden. Sie dienen als Rückzugs- beziehungsweise Beschäftigungsraum für Frauen und Kinder, die bereits im Bundesasylzentrum untergebracht sind. Es handle sich um eine temporäre Lösung für maximal zwei Jahre. Dann soll der Umzug in die ehemalige Ego-Kiefer-Liegenschaft an der Schöntalstrasse stattfinden. Mit der Ukraine habe das nichts zu tun. Die Zahl derer, die sich aus der Ukraine kommend bei Schweizer Asylzentren meldeten, sei jedoch steigend, äusserte sich das SEM mit Mitte Woche. Wer Wohnraum für Flüchlinge zur Verfügung stellen möchte, kann sich auf Shelter-ukr.ch melden. 

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