15.01.2020

Die Grenzen ausloten

Der in Wolfhalden wohnhafte Alpinist Michi Wohlleben hat das Wettersteingebirge in nur 40 Stunden umrundet.

Von Claudio Weder
aktualisiert am 03.11.2022
Fünf bis sechs Tagesetappen braucht ein durchschnittlicher Berggänger für die Umrundung des Wettersteingebirges zwischen Deutschland und Österreich. Profialpinist Michi Wohlleben bewältigte die 70 Kilometer und 7000 Höhenmeter in gerade einmal 40 Stunden. Begleitet wurde der 29-Jährige Deutsche, der seit vier Jahren in Wolfhalden wohnt, von einer Filmcrew. Aus dem Material entstand ein halbstündiger Dokumentarfilm. Dieser wurde im vergangenen Dezember erstmals in der Schweiz gezeigt. Mit Nonstop-Touren hat der gebürtige Augsburger bereits Erfahrung. Unter anderem durchstieg er 2014 zusammen mit Ueli Steck die Nordwände der Drei Zinnen in den Dolomiten in weniger als 16 Stunden. Nach und nach sei in den vergangenen Jahren die Idee entstanden, ein ähnliches Projekt im Wettersteingebirge zu realisieren. Dieses kannte er bereits von seiner Bergführerausbildung her. Ex­tremtouren haben für Wohlleben einen besonderen Reiz: «Ich will das Machbare ausloten, her­ausfinden, wo die Grenzen des eigenen Körpers sind», sagt er. Felshöhle wurde zum Notbiwak Eine Grenzerfahrung war die Wetterstein-Tour vor allem in mentaler Hinsicht, erzählt Wohlleben. Mehrere Gipfel galt es zu überschreiten, darunter auch die Zugspitze, den höchsten Berg Deutschlands. «Der Grat ist über weite Strecken extrem ausgesetzt, jeder falsche Tritt wäre fatal», sagt Wohlleben. Hinzu kamen Kletterpassagen in brüchigem Fels. «Die grösste Herausforderung war, die Konzentration trotz Müdigkeit aufrechtzuerhalten.» Seine Ausrüstung beschränkte er auf das Allernötigste. Schlafpausen gab es keine.35 Stunden hatte sich Wohlleben zum Ziel gesetzt. Doch dieses erreichte er nicht. Denn nach etwa 22 Stunden wurden er und sein Begleiter von einem Gewitter überrascht und mussten notbiwakieren. «Mehrere Stunden harrten wir in einer kleinen Felshöhle aus», erzählt Wohlleben. Eine Zwangspause, die ihm aufs Gemüt schlug: «Bis dahin ging mein Zeitplan auf, physisch war ich gut unterwegs. Doch an jenem Punkt wurde mir bewusst, dass ich es nicht in 35 Stunden schaffen würde.» Zufrieden ist der Wahlappenzeller mit seiner Leistung trotzdem. «In den Bergen herrschen keine Laborbedingungen. Bestimmte Dinge sind nicht einkalkulierbar.» Fast noch härter als die Tour selber sei aber die Vorbereitungsphase gewesen, so Wohlleben. Ein halbes Jahr lang habe er trainiert. Die ausgedehnten Trainingseinheiten absolvierte er vor allem im Alpstein. Diesen kennt Michi Wohlleben wie seine linke Hosentasche. Auch hier hat er bereits Rekorde aufgestellt: 2017 hat er als Erster die «Parzival»-Route an der Dreifaltigkeit frei geklettert. Schwierigkeitsgrad 8b.Schon als Kind war Michi Wohlleben viel in den Bergen unterwegs. «Mein Vater war Hobby-Bergsteiger und nahm mich oft mit ins Gebirge. Die Wanderei gefiel mir aber damals nicht. Ich wollte lieber klettern gehen.» Mit sieben Jahren trat er dem Alpenverein bei, mit 14 bestieg er seinen ersten Viertausender, mit 16 bezwang er die Eigernordwand. Die Umrundung des Wettersteingebirges wird wohl nicht sein letztes alpinistisches Abenteuer bleiben. Der 29-Jährige plant, bald nach Patagonien zu reisen. Auch ein weiteres Projekt in den Dolomiten steht auf seiner To-do-Liste. «Die Ideen werden mir nie ausgehen», sagt er und lacht. Was den Film anbelangt: Dieser wird aktuell im Rahmen zahlreicher Bergfilmfestivals in Deutschland gezeigt. Laut Wohlleben sind auch weitere Aufführungen in der Schweiz geplant.

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