01.03.2019

Die Gedanken-Konfetti-Kanone

Die Rheintaler Fasnacht steuert auf ihren Höhepunkt zu. Die erste Seite unserer Zeitung soll deshalb für einmal ein konfettibuntes gedankliches Durcheinander sein. Ein multiples samstägliches Monster-Stichwort sozusagen.

Von von Gert Bruderer, Andreas Rüdisüli und Max Tinner
aktualisiert am 03.11.2022
von Gert Bruderer, Andreas Rüdisüli und Max TinnerDas F-WortAm Rebsteiner Fasnachtsumzug hat eine Gruppe gewonnen, die ihr Sujet «Böllelifutzen» getauft hat. Die Röllelibutzen-Parodie kam bei Jury und Publikum also bestens an.Doch nicht alle hatten Freude an der sprachlichen Originalität der Fasnächtler. Am Wort «Futzen» nahmen einige Anstoss – oder waren zumindest erstaunt über den öffentlichen Gebrauch eines Begriffs, den wohl kaum einer den eigenen Kindern durchgehen lassen würde.Man könnte das als Überempfindlichkeit einiger weniger abtun. Schliesslich ist Fasnacht, Spassbremsen haben an der fünften Jahreszeit bekanntlich nichts zu melden. Erlaubt ist in diesen Tagen jedem fast alles. Doch in Zeiten, in denen auch immer mehr Männern bewusst wird, dass Frauen kein Freiwild sind, auch kein sprachliches, dürfte man erwarten, Wörter wie «Futzen» nicht mehr hören und lesen zu müssen. Auch nicht in einer Parodie.Nun gleich die Sexismus-Keule zu schwingen, wäre wohl trotzdem überzogen. Doch den Vorwurf, zumindest unsensibel zu sein, muss sich die Ferien gmbha, die hinter der Butzen-Parodie steht, gefallen lassen. Schliesslich hätte das Publikum ganz bestimmt auch über die «Böllelirutzen» gelacht. (rü)Verblüffend originellNeben unerschütterlich begeisterten Fasnächtlern gibt es die beharrlich abstinenten Fasnachtsmuffel und die Gelegenheitsfasnächtler. Dieser dritten Kategorie haben zumindest zwei Fasnachtsgruppen einen Gefallen getan: 1. Das Oberrieter Hobel Team, das «Die Bachelorette» als Thema wählte, und 2. Die Rebsteiner Ferien gmbha, die es sich erlaubte, die mächtigste Fasnachtsgruppe und Fasnachtsorganisatorin der Region nachzuäffen – die Altstätter Röllelibutzen, die vor langer Zeit ein Dorn im Auge etablierter Kräfte waren und die dieses Jahr ihr grosses Jubiläum feiern. «100 Jahre Jö jö jö», nennt die Ferien gmbha das Ereignis.Aufwendig, detailverliebt und choreografisch perfekt an die Fasnacht gebrachte Sujets wie «Die Bachelorette», aber auch mit origineller Respektlosigkeit gepaarte Inszenierungen wie der Auftritt der falschen Röllelibutzen sind der Stoff, aus dem die Träume der noch nicht ganz hartgesottenen Gelegenheitsfasnächtler sind. Nur schade, tritt die Ferien gmbha jedes Jahr ausschliesslich in Rebstein auf und somit am morgigen Altstätter Umzug nicht auch in der Höhle des Löwen. (gb)Das Unding mit dem TerminWie würde es doch die Planung von so vielem vereinfachen, wäre alles so einfach definiert wie die meteorologischen Jahreszeiten: Für die Wetterwissenschaftler fängt der Frühling am 1. März an. Jedes Jahr. Einfach zu merken und sich danach zu richten. Schon bei den astronomischen Jahreszeiten wird es unschärfer. Dort richtet man sich nach dem Sonnenstand. Da kann der Frühling ein Jahr schon am 20. März beginnen und das andere Jahr erst am 21. März. Unserer christlichen Kultur verdanken wir es, dass alles viel komplizierter ist. Die legt nämlich das Osterfest auf den Sonntag nach dem ersten Vollmond im (astronomischen) Frühling. Daraus und aus der fixen Fastenzeit davor leitet sich ab, wann Fasnacht ist. Möglich ist alles zwischen dem 29. Januar und dem 9. März.Wen wundert es da, dass es immer wieder zu Terminkollisionen kommt, wenn Vereine ihre Unterhaltungsabende festlegen oder Schulgemeinden ihre Wintersportferien. Gerade dieses Jahr ist die Fasnacht an vielen Schulen wieder in die Ferienzeit gefallen. Die Schulen reagieren verschieden darauf. Eichberg hält sich an den Fasnachtstermin, obwohl viele Kinder im Skilager sind. Der Umzug am diesjährigen Schmutzigen Donnerstag war dort darum einer vor allem für die Kleinen. Kobelwald beugte sich die Tradition zurecht und zog die Fasnacht um eine Woche vor. In Rüthi wiederum fällt die Fasnacht an der Schule aus. Allerdings nicht ganz: Nächsten Dienstag dürfen jene Kinder, die möchten, verkleidet in die Schule. Glücklicherweise richtet sich die Fasnacht nicht unkompliziert nach der Arbeits- oder Schulwoche, sondern dauert tricky von Donnerstag bis Dienstag. (mt)Für die nächste FasnachtIn den Augen der Obrigkeit vergangener Jahrhunderte war der Grossteil der Leute einfach das «gemeine» oder das «niedere» Volk. Für jenes war die Fasnacht wiederum eine willkommene Gelegenheit, im Schutz der Masken den Mehrbesseren einmal tüchtig die Meinung zu husten. Das ist heute noch so: Die Fasnacht ist mehr als Brauchtum. Sie ist auch Kritik am Establishment.Potenzial für fasnächtlichen Protest hätte beispielsweise die Geschwindigkeitsreduktion von 60 auf noch 50 km/h entlang des Industriegebiets Eichenwies eingangs Oberriet. Die ist sicher rechtens – allerdings dürfte wohl so manch einer nur wenig Sinn in ihr sehen und sie als reine Schikane erachten. Da die Signalisation erst in diesen Tagen geändert wurde, dürfte sie es freilich kaum noch in den Oberrieter Fasnachtsumzug von heute Nachmittag schaffen. Aber das Volk vergisst nicht so schnell. Umso weniger als die Polizei den Leuten das Thema bis zur nächsten Fasnacht bestimmt noch das eine oder andere Mal mit Radarkontrollen in Erinnerung ruft. (mt)Hinweis Mehr Fasnacht auf den Seiten 30, 31 und 48.

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