17.12.2020

Die freudige Botschaft bleibt

Damit möglichst viele Menschen an Weihnachtsgottesdiensten teilhaben können, planen manche Kirchgemeinden mehr Feiern ein als sonst oder übertragen sie im Livestream.

Von Monika von der Linden
aktualisiert am 03.11.2022
Jedes Jahr an Heiligabend kommen bis zu 700 Eltern, Geschwister, Grosseltern und Paten in die katholische Kirche Au. Sie wollen miterleben, wie die Schulkinder die Geschichte um Jesu Geburt nachspielen. Dieses Jahr nicht. Vorausgesetzt, der Bundesrat hält an der Regel fest, zu einem Gottesdienst dürfen höchstens fünfzig Menschen zusammenkommen. Pastoralassistent Stefan Kiesewetter mag nicht entscheiden müssen, wem er Einlass gewähren und wem er eine Absage erteilen soll. Das Krippenspiel fällt wie so vieles andere aus.«Ich hoffe, dass wir Weihnachten nächstes Jahr umso mehr feiern können. Wir haben ja erfahren, dass es nicht selbstverständlich ist.»Stefan Kiesewetter, Pastoralassistent in AuStattdessen gestaltet die Pfarrei am Nachmittag des Vortags einen Weihnachtsweg für Kinder. Sie gehen den Weg «Von Nazareth nach Bethlehem», starten vor der Kirche und legen an vier Stationen je einen Halt ein. An der Krippe vor dem Seitenaltar spricht Stefan Kiesewetter ein Gebet mit ihnen und es leuchtet dort die Flamme des Friedenslichts aus Bethlehem, die Kinder dürfen sie teilen und mit nach Hause nehmen.Die Christmette ist ebenso geschätzt wie das Krippenspiel. An Weihnachten ist es vielen Menschen ein Bedürfnis, sich dort auf das Fest einzustimmen. Fünfzig Plätze sind da nicht genug. Folglich bieten einige Pfarreien und Kirchgemeinden zwei Gottesdienste mit identischem Ablauf nacheinander an. In Au sind es die Christmetten an Heiligabend (21 und 22.30 Uhr) und die Gottesdienste am Heiligtag (9 und 10.30 Uhr). Wer sicher einen Platz erhalten möchte, wendet sich per Telefon an den Pastoralassistenten. «Ich freue mich, so den Kontakt zu den Menschen halten zu können», sagt Stefan Kiesewetter.Mit «Stille Nacht» kommt das Weihnachtsgefühl aufAls einschneidend werden es viele Gottesdienstbesucher empfinden, nicht mitsingen zu dürfen, sobald Stefan Kiesewetter als Kantor (Vorbeter) «Stille Nacht» und «Oh du Fröhliche» anstimmt. Singen im Gottesdienst ist dem Volk in der Pandemie verboten. «An den Adventssonntagen habe ich bemerkt, dass die Leute beginnen mitzusingen, sobald ich ein ihnen vertrautes Lied anstimme», sagt der Seelsorger. «Ich animiere nicht dazu, bremse aber auch niemanden aus.» Er versteht den Automatismus: «Erst wenn ich ‹Stille Nacht› höre, breitet sich bei mir ein Weihnachtsgefühl aus.» Im Übrigen seien die Gottesdienstbesucher diszipliniert und hielten sich ans Abstandsgebot.Das Auge muss nichts entbehren. In der Kirche werden Tannenbaum und Krippe aufgestellt und sie steht auch ausserhalb der Gottesdienste offen. «Wir haben die freudige Botschaft.» Sie soll als Kartengruss jene erreichen, die keinen Platz im Gottesdienst finden oder sich dort aktuell nicht wohlfühlen. Die Pfarrei will in der herausfordernden Zeit, in der man sich nicht persönlich treffen darf, auch die Schwächsten erreichen. «Ich hoffe, dass wir Weihnachten nächstes Jahr umso mehr feiern können. Wir haben ja erfahren, dass es nicht selbstverständlich ist.»Digitale Formen ergänzend einsetzenDie Reformierten in Altstätten haben schon einige Jahre lang Erfahrung mit der Übertragung von Gottesdiensten über das Kabelnetz gesammelt. Im Lockdown im Frühling hat die Kirchgemeinde ihr Angebot ausgebaut und überträgt seither Gottesdienste auch im Livestream via Youtube. Auf diese digitale Form setzt sie auch an Weihnachten. Das Krippenspiel an Heiligabend und alle anderen Gottesdienste kann man auch ausserhalb Altstättens live im Internet verfolgen oder später anschauen. «Wir haben geprüft, ob wir die Weihnachtsgottesdienste auf eine Leinwand in den Saal des Kirchgemeindehauses übertragen sollen», sagt Roger Benz, Präsident der Evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Altstätten. Die Atmosphäre sei aber nicht die gleiche wie die in der Kirche. «Zu Hause ist es sicher gemütlicher und darf man mitsingen.»«Virtuell ist einiges möglich. Auf die Art am Gottesdienst teilzunehmen, ersetzt aber die Gemeinschaft nicht.»Roger Benz, Präsident Evangelisch AltstättenAls Vorreiter kann man diese Kirchgemeinde bezeichnen, wenn es um die Vergabe von Eintrittskarten zu einem Gottesdienst geht. Sie nutzt die Ticketing- und Kontaktlisten-App QuickTicket. Zu jedem Gottesdienst ist auf der Homepage (www.ref-altstaetten.ch) ersichtlich, wie viele Plätze noch frei sind. Wer sich angemeldet hat, erhält einen QR-Code aufs Handy oder zum Ausdrucken. Er dient am Eingang als Eintrittskarte in den gebuchten Gottesdienst. Selbstverständlich kann man sich auch bei der Pfarrsekretärin bis Mittwoch, 23. Dezember, um 10 Uhr für die Weihnachtsgottesdienste anmelden. «Wir gehen davon aus, dass das Kontingent von fünfzig Personen ausreicht», sagt Roger Benz. Aufgrund der hohen Infektionszahl im Rheintal sei die Besucherzahl stetig zurückgegangen.«Wir kommen aktuell gut zurecht mit der coronabedingten Situation», sagt Roger Benz. «Wir tun alles, was möglich ist, um die Seelen der Menschen zu nähren.» Bei aller Zuversicht empfindet der Kirchenpräsident die momentane Aufgabe als herausfordernd. Der gemeinschaftliche Aspekt in der Kirche breche weg. «Virtuell ist einiges möglich. So am Gottesdienst teilzunehmen, ersetzt aber die Gemeinschaft nicht.» Er sei froh, Gottesdienste für jeweils fünfzig Personen anbieten zu dürfen. Roger Benz selbst verzichtet auf einen Kirchgang an den Feiertagen. Er möchte den Leuten den Platz nicht wegnehmen, die einen Weihnachtsgottesdienst nicht missen mögen. «Ich gehe sonst regelmässig.»

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