Altstättens Umwelt- und Energiekommission sei keine Prüfinstanz. Sie sei nicht dazu da, sich zu Projekten zu äussern. Das sagen Stadtpräsident Ruedi Mattle und sein 1. Stellvertreter, Vizepräsident Reto Walser, der die Umweltkommission präsidiert und als Ingenieur das Tobelbach-Ausbauprojekt leitet. Die Kommission nehme vielmehr eigene Themen auf und lanciere eigene Projekte. Unter anderem erledigt sie die Arbeiten, die im Zusammenhang mit der Zertifizierung Altstättens als Energiestadt anfallen.Verneint wird die Frage, ob die Umwelt- und Energiekommission nicht auch ein Gremium zu sein habe, das Vorhaben in der Gemeinde kritisch hinterfragt. Entsprechend verzichtete die Kommission darauf, sich mit dem Tobelbach-Ausbau zu befassen und sich zum Projekt zu äussern. Solche Projekte würden vom Kanton beurteilt, dazu etwas zu sagen, sei nicht Aufgabe der Umwelt- und Energiekommission, meint Reto Walser.Wer indes die Webseite der Stadt Altstätten besucht, kann unter dem Titel Natur- und Landschaftsschutz folgende Aussage finden: «Die Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes nimmt die Umwelt- und Energiekommission wahr.» Das ist ein klares Statement, das sich als Widerspruch zu den Aussagen von Mattle und Walser lesen lässt.Weil Bäche in der Natur fliessen und nicht abgeschirmt von der Umwelt in irgendeinem Betonbunker, stehen bei einem Bachausbau zwangsläufig Bäume und Sträucher im Weg. Diese Bäume und Sträucher sind Teil der Landschaft.Werden üppig bewachsene Bachborde auf einer Strecke von hundert Metern wie beim Altstätter Schwimmbad rübis und stübis gerodet, betrifft dies die Landschaft. Die Frage, ob die Rodung wirklich nötig sei, sollte nicht so bedeutungslos sein wie zum Beispiel ein dadaistischer Satz.Die Frage nach der Notwendigkeit der Rodung zu stellen, ist selbstverständlich die Aufgabe des Stadtrats. Aber selbstverständlich ist ihre Beantwortung ebenso, ganz ausgeprägt sogar, die Aufgabe der Umwelt- und Energiekommission, über die, wie gesagt, auf der Altstätter Webseite zu lesen ist: «Die Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes nimmt die Umwelt- und Energiekommission wahr.»Von einem so klar beschriebenen Anspruch lässt sich eine Pflicht ableiten: Die Pflicht, Projekte wie einen Bachausbau halt doch kritisch zu hinterfragen und die Auswirkungen des Projekts auf die Umwelt zu prüfen, auch wenn das nicht explizit in einem Pflichtenheft aufgeführt oder in irgendeiner Form unter den Zielen zu finden ist.Eine Umweltkommission muss nicht dasselbe tun wie kantonale Stellen, die ein Projekt begutachten. Diese urteilen aus technischer Sicht und mit Blick auf die gesetzlichen Bestimmungen. Doch es gibt mehr als Technik und Gesetze. Nicht nur beim Hochwasserschutz handelt es sich um ein wichtiges Gut, sondern ebenso bei gewachsener Natur und dem mit ihr zusammenhängenden Wohlbefinden von Menschen.Von einer Umweltkommission sollte man erwarten können, dass sie an einem Bachverbauungsprojekt nicht vorbeischaut, sondern es, ganz unabhängig von gesetzlichen Bestimmungen, einer kritischen Prüfung unterzieht.Die zu klärende Frage lautet: Welchen Einfluss hat das Projekt auf die Umwelt, wie verändert sich die Landschaft, was kann schlimmstenfalls die Folge sein? Je nachdem läge es an der Kommission, einen Einwand vorzubringen, wenigstens die Stimme warnend zu erheben. Auch könnte sie darauf pochen, dass eine bevorstehende Rodung im Abstimmungsgutachten eingehend darzulegen (statt rudimentär zu streifen) sei.Eine Umweltkommission sollte den Blick auch auf Aspekte richten, die dem Kanton vielleicht weniger wichtig sind: auf lokale Gegeben- und Eigenheiten, auf die politische Dimension eines Kahlschlags, auf die Befindlichkeit der lokalen Bevölkerung. Dass eine Umweltkommission nicht einfach untätig bleibt, sondern eine Bachverbauung ernst nimmt, ihr im Grundsatz kritisch gegenübersteht, wäre in diesem konkreten Fall um so wichtiger gewesen, als die Stadt darauf verzichtet hatte, die Meinung von Umweltexperten einzuholen. Also wer, wenn nicht die Umwelt- und Energiekommission, hätte die Natur anwaltschaftlich vertreten sollen?Es geht auch um Sensibilität. Um jene Empfindsamkeit, die Technokraten gern vermissen lassen und die einer Umwelt- und Energiekommission gut anstünde.Ein Technokrat zu sein, ist nichts Schlimmes. Doch man darf den Technokraten nicht leichtfertig die «Welt» überlassen.An die Spitze einer Umwelt- und Energiekommission gehört kein Mann, der ein Bachverbauungsprojekt leitet oder anderweitig beruflich mit Eingriffen in die Natur zu tun hat. An die Spitze einer Umwelt- und Energiekommission gehört eine unabhängige Persönlichkeit mit kritischer Grundhaltung und Mut.Zur Erinnerung: Früher hiess die Umwelt- und Energiekommission sehr treffend Natur- und Landschaftsschutzkommission.Gert Bruderer