02.08.2020

Die etwas mysteriöse Alternative

Der Einwohnerverein Rebstein lud dieses Jahr nicht zu einer Bundesfeier, sondern dazu, von zuhause aus ein Feuerwerk zu geniessen.

Von Remo Zollinger
aktualisiert am 03.11.2022
Auch um 22.15 Uhr ist es am Abend vor dem Bundesfeiertag noch stickig warm. Zurück liegt ein Tag, an dem der Fahrtwind auf dem Velo sich anfühlte wie heisse Luft aus einem Föhn. Alle, auch meine Nachbarn, sind zufrieden, brennt die Sonne nicht mehr erbarmungslos vom Himmel. Wo am Himmel das vom Einwohnerverein Rebstein angekündigte Feuerwerk zu sehen ist, wissen aber auch meine Nachbarn nicht. Gespannt warten sie auf die «Alternative zur Bundesfeier», die der Verein in wenigen Zeilen ankündigte.Der Verein hat gut daran getan, nicht zu verraten, wo das Feuerwerk stattfindet. Er hat so Verantwortung übernommen und eine Menschenansammlung verhindert. Und für Leute wie mich, die Feiertage meistens daheim verbringen, ist so ein Feuerwerk eine schöne Abwechslung. Um 22.32 geht’s los. Erste Knälle sind zu vernehmen – es ist aber nichts zu sehen.Um einen Blick auf die Raketenblumen zu werfen, schickt es sich, in höhere Etagen zu gehen. Offenbar wird das Feuerwerk in der Nähe des Fussballplatzes gezündet, kurz nachdem der FC St. Gallen beim 6:0 gegen Xamax ein Offensivfeuerwerk abgebrannt hat wie selten zuvor. Zum Meistertitel reichte es nicht, was mich deutlich mehr beschäftigt als der Bundesfeiertag.In den Häusern brennt Licht, Einwohner begeben sich ins Freie, um an der «Alternative zur Bundesfeier» teilzunehmen. Hier und da ist etwas Applaus oder ein Jauchzer zu hören. Sie müssen von Personen kommen, die das Feuerwerk sehen. Der Fussballplatz ist als Durchführungsort eher suboptimal, da viele unterhalb der Hauptstrasse wohnhafte Rebsteiner nur mit viel Mühe einen Blick darauf erhaschen können.Feuerwerk ist heute kontrovers. Auf einer Seite steht der Gigantismus – immer mehr, immer spektakulärer. Das 1.-August-Feuerwerk hat sich für einige zur Gelegenheit entwickelt, sich zu messen. Bei diesem Wettstreit macht der Einwohnerverein Rebstein nicht mit. Das Feuerwerk ist nicht zu spektakulär, was aber nicht negativ ist.Auf der anderen Seite stehen Tierliebhaber und Umweltschützer. Auf sozialen Medien machen jedes Jahr Aufrufe die Runde, man möge doch von Feuerwerk absehen, weil es die Tiere erschrecke. Andere schreiben, am 1. August sei die Feinstaubbelastung so hoch wie sonst im ganzen Jahr – da könne man sämtliche Klimaziele gleich abschreiben.Feuerwerk hat als Ausdruck der Freude viel Tradition. Auch in Rebstein applaudieren viele, als die «Chlepferei» um 22.43 Uhr fertig ist. Traditionen sind identitätsstiftend, besonders, wenn ein Staat Geburtstag feiert. Doch können sich Traditionen nicht überleben? Einen interessanten Vorschlag hat ein in die USA ausgewanderter Rebsteiner gemacht: Feuerwerk könne gut durch Laser ersetzt werden. Weil solche grössere Teile des Himmels erreichen, wäre das vielleicht auch für Rebstein eine Alternative.Vielleicht braucht’s aber gar keine weitere Alternative. 2021 sind hoffentlich wieder «herkömmliche» Bundesfeiern möglich, bei denen das Beisammensein in guter Gesellschaft deutlich wichtiger ist als die Begleiterscheinungen.

Abo Aktion schliessen
News aus der Region?

Alle Geschichten, alle Bilder

... für nur 12 Franken im Monat oder 132 Franken im Jahr.