Region 10.08.2023

Die erwartete Gewässererwärmung bringt Wasserlebewesen in Bedrängnis

Für die Bewohner der Ausserrhoder Bäche werden Massnahmen ergriffen – im Vorderland wurde die Wasserqualität bereits besser.

Von ker
aktualisiert am 12.08.2023

Die jüngsten Regenfälle und die kühleren Temperaturen lassen den Wassermangel der vergangenen Monate fast wieder vergessen: Ein schneearmer Winter und wochenlange Trockenheit hatten die Pegel der Schweizer Fliessgewässer auf Tiefstände sinken lassen. Zudem wurde das Wasser in manchen Flüssen und Bächen für Wasserlebewesen bedrohlich warm. Viele Kantone ergriffen Massnahmen und schränkten die Wasserentnahme ein.

Solche Ereignisse dürften sich häufen, wie ein Blick in die Daten des Projektes «Hy­dro-CH2018» des National Centre for Climate Services (NCCS) zeigt. Die Forschenden haben belegt, dass aufgrund der Klimaerwärmung bereits deutliche Folgen für Fliessgewässer bemerkbar sind. Weil weniger Schnee fällt und Gletscher schwinden, werden Flüsse und Bäche der Schweiz im Sommer zukünftig bis zu 50 Prozent weniger Wasser führen, während die Winterabflüsse zunehmen. Gleichzeitig werden Trockenphasen und Hitzewellen länger und häufiger, was zu regional und zeitlich begrenzter Wasserknappheit führen kann.

Anschluss an ARA Altenrhein hat Wasserqualität verbessert

Für das Appenzellerland werde bereits mittelfristig mit Veränderungen gerechnet, sagt Paul-Otto Lutz, Fachspezialist Grundwasserschutz und Geologie beim Ausserrhoder Amt für Umwelt.

Dies, weil der Alpstein über ­keine Gletscher verfügt, die das Wasser über längere Zeit speichern können, und die winterlichen Niederschläge vermehrt in Form von Regen fallen.

So zeigen die seit 1962 erhobenen Messdaten der Urnäsch eindrücklich, dass sich die Abflussmengen zunehmend in den Winter verschoben haben. Diese Tatsache und die erwartete Gewässererwärmung von 3 bis 9 Grad bringen die Wasserlebewesen in Bedrängnis: Die Bachforelle als häufigste Art ist auf kühles und sauerstoffreiches Wasser angewiesen. Bei Temperaturen von über 25 Grad kann sie nicht überleben.

Derzeit sei die Lage eher unproblematisch, sagt Lutz: «Die Wasserqualität in den Vorderländer Bächen hat sich durch den Anschluss der Gemeinden an die ARA Altenrhein stark verbessert.» Auch die Landwirtschaft arbeite verantwortungsvoll, und versuche Einträge von Düngemitteln möglichst zu verhindern.

Dennoch stellt Markus Merz, Präsident des Ausserrhoder Fischereivereins, einen stetigen Rückgang der Fangerträge fest. Er vermutet aber nicht die Klimaerwärmung als Grund.

Deren Folgen werden wir wohl erst später spüren. Noch verhindern die Nähe zum Alpstein und die kühlen Tobel einen zu starken Anstieg der Wassertemperatur.

Zurzeit seien es vor allem seit einigen Jahre geschützte Prädatoren (Räuber wie Reiher etc.), welche die Fische dezimieren. Auch einige unsanierte Kleinkraftwerke entlang der Bäche würden die Möglichkeit der Fische zur Reproduktion erschweren. Hier werde allerdings seitens des Kantons einiges unternommen, hält Merz fest.

«Geschützte Räuber dezimieren die Fische»

Dies bestätigt Michael Kellenberger, Fachspezialist Wassernutzung und Energieplanung beim Kanton. Bei Trockenheit würden Wasserentnahmen aus Bächen durch Landwirte und andere Gesuchsteller nicht bewilligt. Auch bei den Wasserkraftwerken hat sich die Situation gemäss Kellenberger in den vergangenen Jahren verbessert. Bei den meisten Kleinkraftwerken seien die Restwassermengen bei der Konzessionserneuerung ans geltende Recht angepasst worden. Bei Anlagen mit älteren Konzessionen sieht das Eidgenössische Gewässerschutzrecht eine Art «Kompromissregelung» mit den Betreibern vor. Diese müssen auf 3 bis 5 Prozent der Wassernutzung verzichten.

Obwohl Ausserrhoden in der Schweiz den höchsten Anteil an ausreichend strukturierten Gewässern aufweist, wird die Revitalisierung der Fliessgewässer und ihrer Ufer angegangen. «Wir prüfen bei Bauvorhaben, ob sich Verbesserungen wie Bepflanzung der Bachufer reali­sieren lassen. Bis 2030 sollen 12 der 15 Stauwerke im Kanton bezüglich Fischgängigkeit und Geschiebehaushalt saniert sein», sagt Paul-Otto Lutz.

Auch die Fischer unternehmen einiges zum Schutz der Fische. «Wenn es wenig Wasser in den Bächen hat, üben wir uns in Zurückhaltung. Wir wollen die Tiere nicht noch zusätzlich stressen», sagt Merz. Wenn die Situation für die Fische lebensbedrohlich werde, werden sie in kühlere Gebiete umgesiedelt. Bis jetzt seien die Ausserrhoder Gewässer aber glimpflich davongekommen, sagt Merz. «Wir mussten noch nie einen Bach abfischen.»


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